Aphasie: Symptome und Behandlung der Sprachstörung
Aphasie ist eine Sprachstörung, ausgelöst durch eine Schädigung des Gehirns. Ursache ist in 80 Prozent der Fälle ein Schlaganfall. Welche Symptome, Formen und Therapien gibt es?
Der Begriff "Aphasie" stammt aus dem Griechischen und bedeutet "keine Sprache" und wird manchmal auch mit Sprachlosigkeit oder Sprachverlust übersetzt. Dahinter steckt kein Problem der Mundmuskulatur oder Motorik wie bei einer Sprechstörung, etwa dem Stottern. Die Aphasie entsteht infolge einer Hirnschädigung, meist durch einen Schlaganfall (laut Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe in 80 Prozent der Fälle). Betroffene, die ihren ersten Schlaganfall erleiden, erleben zu circa 30 Prozent auch die Sprachstörung Aphasie. Etwa ein Drittel der Aphasie-Betroffenen erholt sich aber binnen vier Wochen wieder von der Sprachstörung und erlebt "weitestgehend eine Normalisierung der Sprachfunktion", so die Deutsche Schlaganfallhilfe. Die Fähigkeiten Sprachproduktion und Sprachverständnis lassen sich vor allem durch gezielte Therapie zurückgewinnen.
Was passiert bei einer Aphasie?
Bei einer Aphasie hat das Gehirn - je nach Aphasie-Form und Schweregrad der Störung - Schwierigkeiten damit, Wörter und Sätze zu codieren. Das betrifft Sprachproduktion und Sprachverständnis, daher äußern sich Symptome wie Wortfindungsstörungen, Satzabbrüche oder ein wirrer Sprachfluss.
Verschiedene Formen der Aphasie und ihre Symptome
Je nach Art der Aphasie sind verschiedene sprachsystematische Leistungen von der Sprachstörung betroffen. In der Neurologie werden dementsprechend vier Formen von Aphasie unterschieden - die aphasischen Standardsyndrome:
- Amnestische Aphasie: Diese leichteste Aphasieform fällt oft erst spät auf. Betroffene zeigen Wortfindungsstörungen in der Spontansprache und beispielsweise beim direkten Benennen von Gegenständen. Amnestische Aphasiker können das in der Regel durch Redefloskeln oder Umschreibungen kaschieren. Manchmal, wenn auch selten, wird das Zielwort durch eines mit ähnlicher semantischer Bedeutung ersetzt (Garten mit Park; Pflanze mit Baum) oder es kommt zu Satzabbrüchen.
- Broca-Aphasie: Der Sprachfluss von Menschen mit einer Broca-Aphasie ist oft sehr langsam und wirkt angestrengt. Betroffene sprechen meist in kurzen, einfachen Sätzen oder reihen sogar inhaltstragende Wörter einzeln aneinander - das lässt ihre Sprache technisch, im Telegrammstil, erscheinen. Häufig ist die Sprache von Broca-Aphasikern durch Wortfindungsstörungen erschwert. Aber: Betroffene verstehen Sprache vergleichsweise gut.
- Wernicke-Aphasie: Die Wahl der passenden Wörter, Sätze oder Laute fällt Menschen mit Wernicke-Aphasie oft schwer und auch ihr Sprachverständnis ist meist stark gestört. Wernicke-Aphasiker sind quasi das Gegenteil der Broca-Aphasiker und sprechen in langen Schachtelsätzen, in denen sich Satzteile oder Abschnitte wiederholen. In schweren Fällen von Wernicke-Aphasie wird die Sprache zum Redeschwall ohne Sinn oder Ziel.
- Globale Aphasie: Diese Sprachstörung gilt bei Ärztinnen und Ärzten als die schwerste Form der Aphasie. Sprachverständnis wie auch die eigene Sprache sind massiv gestört, ganze Sätze sind selten. Häufig nutzen Global-Aphasiker einzelne Worte und wiederkehrende Halbsätze und Floskeln. Auch ein Wort für sich zu verstehen (ohne aus der Situation zu schließen) fällt Betroffenen schwer. Oft treten Aphasien zusammen mit weiteren Kommunikationsstörungen auf.
Ursachen: Was löst eine Aphasie aus?
Als Ursache für eine Aphasie kommt grundsätzlich alles infrage, was die Sprachareale im Gehirn verletzen, in ihrer Funktion stören oder zerstören kann:
- Schlaganfall (ischämischer Schlaganfall oder Transitorische Ischämische Attacke, kurz TIA)
- Hirnblutung (intrakranielle Blutung, hämorrhagischen Schlaganfall, Aneurysma, usw.)
- Entzündungen des Gehirns (beispielsweise Meningitis oder Enzephalitis)
- Vergiftungen
- Hirntumor
- Schädel-Hirn-Trauma
In den allermeisten Fällen ist ein Schlaganfall Ursache für eine Aphasie.
Aphasie als Symptom
Grundsätzlich kann die Aphasie aber auch selbst Symptom zahlreicher Krankheiten sein und auf Hirnschäden hinweisen, beispielsweise Demenzerkrankungen wie Alzheimer (auch hier können Nervenzellen in Spracharealen zerstört werden, wenn auch nicht wie beim Schlaganfall durch Mangelversorgung mit Blut), Alkoholismus (Alkoholsucht), Arteriosklerose oder die Rückenmarksentzündung Myelitis.
Prognose: Kann Aphasie wieder verschwinden?
Das Gehirn beginnt sich nach Erkrankung oder Schädigung neu zu organisieren - und das bietet auch Chancen für einen guten Verlauf der Aphasie. Es wachsen zwar keine neuen Nervenzellen, aber es entstehen neue Verbindungsmuster zwischen den Zellen - Aufgaben werden neu verteilt im Gehirn.
Die Deutsche Schaganfallhilfe gibt an, dass sich die Beeinträchtigungen von Schlaganfallpatienten mit Aphasie in etwa einem Drittel der Fälle binnen der ersten vier Wochen normalisieren und die Fähigkeiten der Sprache dementsprechend wieder zurückgewonnen werden können. Je länger die Aphasie bleibt, desto unwahrscheinlicher und seltener sind spontane Rückbildungen der Sprachstörungen: Ein halbes Jahr nach dem auslösenden Schlaganfall sind rund 44 Prozent der Aphasie-Patientinnen und -Patienten frei von aphasischen Symptomen - bei der anderen Hälfte wird die Aphasie chronisch.
Behandlung: Sprachstörung überwinden, sprechen neu lernen
Wesentliche Ziele der Aphasie-Therapie sind die Reorganisation und Kompensation der Hirnareale - bei der Reorganisation erlernen die früheren Nervenzellen ihre alten Aufgaben wieder. Bei der Kompensation lernen andere Nerven die Aufgaben zu übernehmen. Außerdem sollen Betroffene ihre Fähigkeiten aufbauen und zum Sprechen und sozialem Kontakt animiert werden. Je früher und intensiver eine Aphasie behandelt wird, desto besser ist die Prognose.
Systematisches Sprachtraining
Die Therapie einer Aphasie ist Aufgabe von Sprachtrainern, sogenannten Logopäden oder Patholinguisten. Noch in der Stroke-Unit (Spezialstation für Schlaganfall-Betroffene) beginnen sie mit dem Training - je nach Schaden durch den Schlaganfall kann dabei auch zuerst einmal ein Schlucktraining im Vordergrund stehen. Spätestens in der Reha stehen Sprechtraining, Konzentrationsübungen und Verständnisübungen, aber auch Rollenspiele zu Alltagssituationen auf dem Programm.
In schweren Fällen von Aphasie (Globale Aphasie) kann auch das Erlernen einer Zeichensprache notwendig sein, damit sich Betroffene überhaupt verständigen können. Verschiedene Therapien bringen Abwechslung in den anstrengenden Trainingsalltag: die melodische Intonationstherapie beispielsweise, bei der Patienten Wörter nicht sprechen, sondern singen.
Behandlung mit Hilfe von Sprachsoftware bei Aphasie
Technische Entwicklungen erleichtern Therapeuten die Behandlung und Betroffenen ihren Alltag. Dazu gehören beispielsweise Sprachapps wie Neolexon, Constant Therapy, Tactus oder Lingraphica und spezielle Computerprogramme wie EvoCare, aphasiaware und Lingware. Die Software hat stets zum Ziel, Patientinnen und Patienten ein barrierefreies, häufiges und intensives Sprachtraining zur Therapie jederzeit möglich zu machen.
Studien wie die Big-CACTUS-Studie von 2019 zeigen, dass Patienten mit Sprachapps und Sprachsoftware zur Aphasie-Behandlung größere Fortschritte erzielen als ohne die Übungen. Vor allem in der ambulanten Therapie haben sich in den vergangenen Jahren dafür viele Möglichkeiten eröffnet.
Behandlung chronischer Aphasie
Bei rund 56 Prozent der Aphasiker bleibt auch sechs Monate nach dem Schlaganfall eine Schädigung in Form der Sprachstörung bestehen - die Aphasie wird chronisch. Allerdings zeigen inzwischen einige Studien, dass intensives Sprachtraining als Therapie auch sechs Monate oder länger nach dem auslösenden Schlaganfall zu einer entscheidenden Verbesserung der Sprachstörung und der Lebensqualität der Aphasiker und Aphasikerinnen führen kann - beispielsweise die FCET2EC- Studie aus Deutschland, die 2017 erschien. Intensives Sprachtraining bedeutete in der Studie: mindestens zehn Stunden pro Woche bei mindestens drei Wochen Dauer des Intensivtrainings. Die Effekte waren auch in der Langzeitkontrolle nach sechs Monaten noch nachweisbar.
Auch durch Betroffene selbst gesteuertes Sprachtraining per Software konnte bei chronischer Aphasie die Wortfindung effektiv verbessern (auch das konnte die BigCACTUS-Studie zeigen). Betroffene konnten sich für sie wichtige Wörter besser merken, Wörter und Sätze abrufen und verbesserten ihre sozialen Kontakte sowie die Fähigkeiten von Sprachproduktion und Sprachverständnis durch die Therapie.
Verwechslungen bei Sprachstörungen: Aphasie, Dysarthrie, Sprechapraxie?
Weil Störungen der Sprache für Laien oft schwer zu unterscheiden sind, werden die zugrunde liegenden Ursachen leicht verwechselt, wenn man Menschen mit beispielsweise langsamer, phonetisch unsauberer oder verwaschener Sprache begegnet. Grundsätzlich unterscheidet man vor allem diese Formen der Sprachstörungen:
- Bei der Aphasie sind die zugrunde liegenden Ursachen immer im Gehirn verortet (Schädigung bestimmter Hirnareale), also neurologisch. In den meisten Fällen steckt ein Schlaganfall hinter dieser Schädigung, deutlich seltener ein Hirntumor oder ein Hirntrauma.
- Die Dysarthrie ist im Unterschied zur Aphasie eine motorische Sprachstörung. Bei der Dysarthrie ist die Steuerung der Sprechmuskeln betroffen, dementsprechend auch die Muskelsteuerung für beispielsweise Kauen oder Schlucken.
- Die Sprechapraxie hat weder mit einer Störung der Motorik beim Sprechen zu tun, noch ist sie eine systematische Sprachstörung. Bei der Sprechapraxie ist konkret die (neurologische) Planung von Sprechbewegungen gestört - nicht die neurologischen Prozesse, die zum Entstehen der Sprache (zum Beispiel Wortfindung, Sprachverständnis) führen. Es gibt also ein Problem mit Wörtern und Sätzen, die im Gehirn schon erdacht und codiert wurden.