Thrombektomie bei Schlaganfall: Gerinnsel schonend entfernen
Die Thrombektomie ist eine hoch effiziente und schonende Therapie bei schwerem Schlaganfall: Minimalinvasiv und mechanisch, mit Hilfe eines Katheters, wird eine Verstopfung im Gehirn aufgelöst.
Der Schlaganfall zählt seit Jahren zu den fünf häufigsten Todesursachen in Deutschland, außerdem zu den häufigsten Ursachen für Behinderungen im Erwachsenenalter. Langzeitpflegeabhängigkeit und Berufsunfähigkeit sind dementsprechend für Patientinnen und Patienten mit einem Schlaganfall schwerwiegende Risiken. Hinter dem Schlaganfall steckt immer ein Apoplex, also eine plötzliche Durchblutungsstörung des Gehirns und seiner Zellen, die zur Mangelversorgung mit Nährstoffen und vor allem Sauerstoff führt.
Gerinnsel häufigste Ursache für Schlaganfall
In rund 80 Prozent der Fälle erleiden Schlaganfallpatientinnen und -patienten in Deutschland einen sogenannten ischämischen Schlaganfall - abgeleitet aus den griechischen Worten für "zurückhalten" und "Blut". Bei dieser Form kommt. "Ischämischer Schlaganfall" bedeutet, dass es durch verstopfte Blutgefäße im Gehirn zu einer Mangeldurchblutung kommt. Ursache sind meist Blutgerinnsel (Thromben) oder eine Arteriosklerose, die zu Kalkablagerungen und Fettablagerungen an den Gefäßwänden führt. Vorhofflimmern oder Infektionen können das Risiko dafür erhöhen. Je länger die Unterversorgung von Gewebe beim ischämischen Schlaganfall dauert, desto mehr Gehirnzellen werden infolge des Verschlusses geschädigt und zerstört - mit massiven Folgen und Nebenwirkungen für Schlaganfallpatientinnen und -patienten.Nur in 20 Prozent der Fälle ist ein Blutgefäß im Gehirn geplatzt und es liegt eine Gehirnblutung vor (hämorrhagischer Schlaganfall).
Während beim hämorrhagischen Schlaganfall eine Punktion oder offene OP nötig sein kann, um die Blutung zu stoppen, gilt es beim Schlaganfall durch Gerinnsel im Gefäß (ischämischer Schlaganfall), so schnell wie möglich die "Rekanalisation" herbeizuführen, also den Blutfluss durch das Gefäß wiederherzustellen.
Zwei wichtige Verfahren für die Entfernung von Blutgerinnseln
Die beiden wichtigsten Methoden zu Behandlung des ischämischen Schlaganfalls sind darum:
- medikamentöse Lyse, auch Thrombolyse genannt: Medikamente lösen das Gerinnsel in der Arterie auf.
- mechanische Thrombektomie: Große Gerinnsel werden mithilfe eines minimalinvasiven Kathetereingriffes zerstört oder aus dem Gefäß "gefischt". Entwickelt wurde diese besondere Technik für große Gerinnsel über sieben Millimeter, die Arterien verstopfen und zu schweren Schlaganfällen mit entsprechend großer Fläche am betroffenen Gewebe im Gehirn führen.
So wird per Thrombektomie ein Blutgerinnsel im Gehirn entfernt
Die Thrombektomie wird bestenfalls in der Stroke Unit (Schlaganfallstation) eines Krankenhauses von einem interdisziplinären Team durchgeführt. Zentral sind die Bereiche Neurologie und Neuroradiologie. Die Behandlung sollte laut aktuellen Leitlinien zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls binnen sechs Stunden nach Auftreten der Schlaganfallsymptome beginnen.
Bei der Behandlung mittels Thrombektomie wird über ein Gefäß im Arm (Arteria radialis) oder der Leiste (Arteria femoralis) ein dünner Schlauch (Katheter) eingeführt und über das Gefäßsystem voran geschoben. Die Spitze des Katheters wird im verschlossenen Gefäß bis zum Thrombus, also an das Blutgerinnsel, herangeführt. Je nach Lage und Größe des Gerinnsels im Blutgefäß kann es dann über den Katheter abgesaugt oder mit einem Stent, also einem feinen Drahtnetz, das aus dem Katheter entfaltet werden kann, erfasst und herausgezogen werden. Weil bei diesem Verfahren der Stent das Gerinnsel quasi einfängt und herauszieht, wird neben Stent auch der Begriff "Stent Retriever" verwendet. Der Eingriff dauert etwa 60 bis 90 Minuten und wird meist ohne Sedierung durchgeführt.
Kombinierte Therapien sind am effektivsten gegen Gerinnsel
Für die bestmögliche Rekanalisation des Blutgefäßes wird in der Regel die Thrombektomie mit der medikamentösen Thrombolyse kombiniert. Thrombolyse bedeutet, dass Patientinnen und Patienten zusätzlich Medikamente zur Auflösung des Thrombus erhalten.
Gefäßverschluss: In welchen Fällen wird das Verfahren Thrombektomie angewandt?
Zur Behandlung eines ischämischen Schlaganfalls wird die Thrombektomie per Katheter angewandt, wenn die Durchblutungsstörung im Gehirn (Apoplex) durch ein Blutgerinnsel (Thrombus) in einer der großen und mittelgroßen, gehirnversorgenden Arterien ausgelöst wird.
Außerdem kann die Thrombektomie eine Behandlung der Wahl sein, wenn der Gefäßverschluss bei Schlaganfallpatienten zwar nicht zu massiv für eine medikamentöse Auflösung (Lyse oder Thrombolyse) ist, aber aus anderen Gründen eine Thrombolyse unmöglich oder schlecht anwendbar ist: beispielsweise, weil ein Patient oder eine Patientin zum Zeitpunkt des Schlaganfalls schon eine starke Blutverdünnung mitbringt und noch mehr Blutverdünner gefährlich werden könnten.
Neben Grunderkrankungen können auch kürzlich erfolgte, große OPs ein Grund dafür sein, warum die Blutverdünnung bei einem Patienten schon so stark ist, dass die Schlaganfallbehandlung per Lyse zu viele Risiken bergen kann - eine Thrombektomie aber möglicherweise möglich ist.
Weitere Anwendungsbereiche für Thrombektomie
Neben der Schlaganfalltherapie gibt es noch andere wichtige medizinische Anwendungsbereiche der mechanischen Thrombektomie, wie beispielsweise:
- Embolie der Lungenarterie (Lungenembolie)
- akute Ischämie in einer der Extremitäten
- tiefe Beinvenenthrombose (TVT)
- akuter Myokardinfarkt (Durchblutungsstörung mit Gewebeuntergang am Herzmuskel)
- Herzinfarkt durch Verstopfung einer Herzkranzarterie (Koronararterie)
Entwicklungssprung in der Thrombektomie
Obwohl Technik und Behandlungsmethode der Thrombektomie schon deutlich früher bekannt waren, sorgten mehrere Studien zur Effektivität und Zuverlässigkeit der mechanischen Thrombektomie 2015 für eine Art "kleine Revolution" unter Neurologen und Neuroradiologen weltweit und in der Akuttherapie bei Schlaganfall. Dazu gehörten vor allem die Studien zu MR CLEAN, EXTEND-IA und ESCAPE in den renommierten Fachzeitschriften New England Journal und der Clinical Neuroradiology.
Katheter-Technik hilft bei Optimierung
Hintergrund war vor allem auch ein technischer Sprung bei der endovaskulären Schlaganfallbehandlung durch effektivere Katheter. Bis heute erreicht die endovaskuläre Therapie der Thrombektomie - wenn die Behandlung zum Fall passt (Indikation) - Erfolgsraten von um die 90 Prozent.
Laut der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und der Deutschen Gesellschaft für Neuroradiologie e. V. wurden 2022 für die interventionelle Behandlung von akuten ischämischen Schlaganfällen hierzulande 16.475 Thrombektomien durchgeführt.
Thrombektomie oder Thrombolyse: Wann ist der Katheter im Vorteil?
Führt ein massiver Verschluss durch einen langen Thrombus mit mehr als sechs Millimetern Länge an so zentralen Gefäßen des Gehirns wie den großen Arterien zu einem Schlaganfall, ist die mechanische Thrombektomie per Katheter einer rein medikamentösen Alternative (Thrombolyse oder Lyse) in puncto Effektivität überlegen.
Die wichtigsten Gründe dafür sind, dass die Medikamente teilweise größere Blutgerinnsel nicht auflösen können oder es schlichtweg zu lange dauern würde, den Verschluss aufzulösen. Tatsächlich geht es bei der Thrombektomie aber nicht um eine Behandlung, die die Thrombolyse ersetzt, sondern meist werden beide Therapieverfahren zusammen eingesetzt.
Zeitfenster für die mechanische Thrombektomie
Die aktuell gültigen Leitlinien zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls gehen bei der Frage, in welchem Zeitraum Patientinnen und Patienten die Thrombektomie zu empfehlen ist, von diesen Zeitfenstern aus:
- in der Regel bis zu sechs Stunden zwischen Auftreten der Symptome und dem Einbringen des Katheters zum Beispiel über die Leiste ins Gefäßsystem.
- jenseits der sechs Stunden, wenn durch erweiterte bildgebende Verfahren für Ärztinnen und Ärzte die Vermutung naheliegt, dass durch die mechanische Thrombektomie zu rettendes Gewebe (sogenanntes Risikogewebe) vorliegt.
Neue Studien mit internationalen Daten und aus China konnten allerdings 2023 zeigen, dass die Thrombektomie auch über den bisher in Leitlinien fokussierten Zeitraum hinaus - nämlich bis zu 24 Stunden nach Symptombeginn - eine extrem effektive Behandlung bei ischämischem Schlaganfall sein kann und Patientinnen und Patienten vom Verfahren profitieren.