Warum stockt der Windkraftausbau in Vorpommern?
In Vorpommern geht es auf dem Land nicht voran mit dem Ausbau der Windkraft. Eine Ursache sind jahrelange Genehmigungsverfahren. Seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat sich der Wind gedreht: Bis 2032 sollen nach dem Willen der Bundesregierung 2,1 Prozent der Fläche Mecklenburg-Vorpommerns für Windkraft zur Verfügung stehen, mehr als doppelt so viel wie heute, doch vom Rückenwind aus Berlin scheint in Vorpommern bislang nichts anzukommen.
Südlich von Greifswald, in Behrenhoff, erstrecken sich weite Felder. Hier will Nikolai Brombach von der Firma Windertrag Windkraftanlagen bauen, 14 an der Zahl, bis zur Spitze des Rotorblattes 240 Meter hoch. Diese Anlagen könnten laut Brombach 60.000 Haushalte und damit die Städte Greifswald und Stralsund mit Strom versorgen. Die Felder, auf denen er die Windenergieanlagen bauen will, hat der Regionale Planungsverband Vorpommern als potenzielles Windeignungsgebiet ausgewiesen.
Doch Nikolai Brombach darf nicht bauen, hat bislang keine Genehmigung von der zuständigen Behörde bekkommen, dem Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Umwelt Vorpommern, kurz StALU. Seit sechseinhalb Jahren warte er darauf, erzählt er in der aktuellen Folge des Podcasts Dorf Stadt Kreis aus dem Vorpommernstudio Greifswald.
Neue Gesetze sollen den Ausbau beschleunigen
Ein Grund ist fehlendes Personal in den Genehmigungsbehörden. Das Land will nachsteuern und 30 neue Stellen im StALU schaffen. Vorpommern soll sechs neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen. Zudem soll die naturschutzrechtliche Prüfung der Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise vom StALU übernommen werden. Die Zeit drängt. Der Bund hat klare Vorgaben gemacht. Am 1. Februar 2023 tritt unter anderem das Wind-an-Land-Gesetz in Kraft. Demnach müssen auch in Mecklenburg-Vorpommern bis 2032 für die Windkraft 2,1 Prozent der Fläche zur Verfügung stehen.
In Schwerin gesteht Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD): "Bisher sind wir noch nicht so gut vorangekommen. Da müssen wir aufs Tempo drücken. Wir haben uns mit den regionalen Planungsverbänden zusammengesetzt, weil alle festgestellt haben, dass so, wie die Verfahren im Moment sind, es nicht weitergehen kann." Das Wirtschaftsministerium wolle nun klare Kriterien entwickeln, wo Windeignungsgebiete nicht ausgewiesen werden können. Auf dem Rest der Fläche sollen die regionalen Planungsverbände ihre Entscheidungen treffen und liefern.
Politik muss für mehr Akzeptanz sorgen
Michael Sack (CDU) begrüßt dieses Vorgehen. Er ist stellvertretender Vorsitzender des regionalen Planungsverbandes Vorpommern sowie Landrat von Vorpommern-Greifswald. Der Planungsverband muss in den Kreisen Vorpommern-Greifswald und Vorpommern-Rügen Windeignungsgebiete ausweisen. Im Podcast erzählt er, dass er die Notwendigkeit sieht, aber auch Bedenken hat. So spricht er vom "Stadt-Land-Konflikt": "In der Stadt können sich die Menschen gut vorstellen, dass grüner Strom aus der Steckdose fließt. Der Ausbau findet aber im Wesentlichen auf dem Land statt. Und dort schauen die Menschen auf einen Windpark, der erhebliche Einschränkungen der Lebensumstände mit sich bringt." Zu lösen sei das nur, indem die Politik für mehr Akzeptanz sorge, dass die betroffenen Gemeinden und Bürger tatsächlich von den Windrädern profitieren und auch nicht die höchsten Netzentgelte und damit Strompreise zahlen müssen.
An diesem Problem sei das Land dran, sagt Wirtschaftsminister Meyer. "Wir haben schon Initiativen gestartet, zusammen mit anderen Ländern, die das gleiche Problem haben, zum Beispiel Brandenburg und Schleswig-Holstein." Auch die Kommunen vor Ort müssten mehr davon haben, wenn auf ihrem Gebiet Windkraftanlagen errichtet werden, meint Meyer. Nur so wachse die Akzeptanz.
Gemeinden und Bürger sollen von der Windkraft profitieren
In Behrenhoff ist Bürgermeister Karsten Birnbaum kein Freund der Windkraft, die vor seiner Nase entstehen soll. Natur, Sicht, Artenschutz, fehlender Netzausbau, hohe Strompreise, störende Geräusche und eine Technik, die nur Strom produziert, wenn der Wind weht, also ohne Speichermöglichkeit nicht grundlastfähig ist – für ihn gibt es etliche Argumente gegen die Windräder. Seine Gemeinde hat sich per Beschluss gegen den Bau ausgesprochen. Wenn die Behrenhoffer wirklich profitieren würden, sähe das Blatt möglicherweise anders aus, räumt er ein.
Genau das sei geplant, erklärt Nikolai Brombach im Podcast Dorf Stadt Kreis. Pro Anlage soll die Gemeinde 36.000 Euro jährlich bekommen, macht bei 14 Anlagen eine halbe Million Euro. Laut Bürgerbeteiligungsgesetz ist der Betreiber zudem verpflichtet, zehn Prozent seines Erlöses an die Gemeinde abzugeben. Das komme noch dazu, so Brombach.
"Behördenpingpong" in Mecklenburg-Vorpommern
Doch bislang wartet er nach wie vor auf eine Genehmigung vom StALU Vorpommern. Das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege hat Bedenken. Die 15 Kilometer entfernten Windräder würden die geschützte Stadtansicht von Greifswald beeinträchtigen. Sie müssten kleiner gebaut werden. Kleinere Anlagen seien im Bau allerdings fast genauso teuer, produzierten aber deutlich weniger Strom und seien damit weniger wirtschaftlich, erklärt Brombach. Laut dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz steht die Errichtung von Windkraftanlagen im überragenden öffentlichen Interesse und dient der öffentlichen Sicherheit. Erneuerbare Energien sollen als vorrangiger Belang in die Schutzgüterabwägung eingebracht werden.
Genau das, die Abwägung, passiere in Mecklenburg-Vorpommern nicht, kritisiert Nikolai Brombach. Das Umweltministerium als oberste Genehmigungsbehörde könnte eine Entscheidung treffen, verweist aber aufs Kulturministerium. Das fühlt sich nicht zuständig und verweist auf das Umweltministerium. "Behördenpingpong" nennt es Nikolai Brombach und bemängelt "fehlenden politischen Willen".
Warum stockt der Windkraftausbau in Vorpommern? Damit beschäftigt sich auch der aktuelle Podcast Dorf Stadt Kreis. Zu finden in der NDR MV App und in der ARD-Audiothek.