Benin-Bronzen: Nachfahren von Sklaven kritisieren pauschale Rückgabe
Im Dezember hat Deutschland zahlreiche Benin-Bronzen, die als Beutekunst nach Europa kamen, an Nigeria zurückgegeben. Auch die Stadt Hamburg unterzeichnete einen Vertrag zur vollständigen Rückgabe von 179 Bronzen. Die "Restitution Study Group" kritisiert die pauschale Rückgabe. Sie bezeichnet einige Bronzen als "Blut-Metall".
In der Woche vor Weihnachten flogen Außenministerin Annalena Baerbock und Kulturstaatsministerin Claudia Roth nach Nigeria. Im Frachraum der Regierungsmaschine: 20 kostbare sogenannte Benin-Bronzen aus verschiedenen deutschen Museen.
Die New Yorker "Restitution Study Group", eine gemeinnützige Organisation von Nachfahren westafrikanischer Sklaven, lehnt die pauschale Rückgabe der Benin-Bronzen ab. "Schon lange vor dem Kolonialismus gab es den transatlantischen Sklavenhandel. Das Königreich Benin war 300 Jahre lang daran beteiligt", sagt Deadria Farmer-Paellmann, die Direktorin der "Restitution Study Group". "Europäische Sklavenhändler haben Benin im Austausch für Menschen mit sogenannten Manillen bezahlt, Armreifen aus Metall. Diese wurden dann eingeschmolzen und daraus die Benin-Bronzen gemacht."
Benin-Bronzen mit "Blut-Metall" hergestellt
Nach der Darstellung von Farmer-Paellmann sind die Benin-Bronzen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert mit dem "Blut-Metall" der Sklavenhändler hergestellt worden. Sie fordert deshalb, dass die Kunstwerke sehr genau untersucht werden, bevor sie an Nigera zurückgehen. "Wir glauben, dass Deutschland das richtige tut, die Benin-Bronzen aus der Zeit vor dem Sklavenhandel zurückzugeben - also die aus dem 12. bis 15. Jahrhundert", erklärt sie. "Aber Deutschland und jede andere Nation sollte die Bronzen aus dem 16. bis 19. Jahrhundert behalten und nicht an die Erben der Sklavenhändler zurückgeben."
"Nigeria hat bis heute ein großes Problem mit Menschenhandel"
Der Direktorin der "Restitution Study Group" bereiten die nigerianischen Machthaber Sorgen. Vor allem die im Bundesstaat Edo, denen sie heftige Vorwürfe macht: "Nigeria hat bis heute ein großes Problem mit Menschenhandel. Benin-Stadt, die ganze Edo-Region, ist das Zentrum davon. Sie haben dort nie mit dem Menschenhandel aufgehört. Wenn sie die Benin-Bronzen zurückbekommen, dann belohnen wir sie sogar noch dafür." "Ihnen jetzt die Bronzen aus dem Sklavenhandel zu geben, sei nicht die richtige Botschaft. Ein weiterer Vorwurf: Die Bronzen sollen bei Menschenopfer-Ritualen verwendet worden sein. Eine Praxis, die erst nach der britischen Strafexpedition 1897 beendet worden sei.
Wo bleiben die Bronzen nach der Rückgabe?
Und noch aus einem weiteren Grund will die "Restitution Study Group" die Überführung umstrittener Benin-Bronzen nach Nigeria verhindern. "Wir wissen, dass die Relikte verschwinden. Nach der Unabhängigkeit Nigerias sind viele Bronzen zurückgegeben worden. Sie sind nicht in den Museen", sagt Farmer-Paellmann. "Wir gehen davon aus, dass allein im Nationalmuseum Benin 150 Bronzen fehlen. Und wir befürchten, dass die neuen auch verschwinden. Deshalb ist es wichtig, dass alle Nationen vor einer Rückgabe die Frage stellen, wo die Bronzen geblieben sind." Mit einer Klage gegen das Museum of African Art in Washington will die "Restitution Study Group" verhindern, dass nach 20 Benin-Bronzen weitere aus dem Museum nach Nigeria gebracht werden. In England hat die Gruppe Petitionen gestartet, um Rückgaben aus dem British Museum in London, das im Besitz der meisten Benin-Bronzen weltweit ist, zu unterbinden.
Nachfahren versklavter Afrikaner fordern bessere Einbindung
"Wir glauben, dass wir als Nachfahren versklavter Afrikaner besondere Möglichkeiten im Zusammenhang mit den Benin-Bronzen bekommen sollten: Praktika, Anstellungen, auch unternehmerische Tätigkeiten", sagt die Direktorin der "Restitution Study Group". "Die Werke sollten an den Orten bleiben, in denen wir heute als Folge der Sklaverei leben. Es gibt wenig Forschung über den Aspekt des Sklavenhandels im Zusammenhang mit den Bronzen. Es ist ein Teil der Geschichte, der völlig ignoriert wird. Wir wollen jetzt, dass er auf der ganzen Welt erforscht wird."