Aussenfassade des Horst Janssen Museums mit dem gleichnamigen Schriftzug © picture alliance/dpa | Mohssen Assanimoghaddam Foto: Mohssen Assanimoghaddam

Mahlzeit! Ausstellung "Horst Janssen tischt auf" in Oldenburg

Stand: 10.03.2025 06:00 Uhr

In diesem Jahr wird das Horst-Janssen-Museum in Oldenburg 25 Jahre alt. Aus diesem Anlass hat das Haus wieder einmal tief in die eigenen Magazine und Archive gegriffen. Gezeigt wird die Schau: "Ich war ein Allesschmecker - Horst Janssen tischt auf".

von Gerhard Snitjer

Ein kleines Objekt illustriert die Widersprüchlichkeit in Horst Janssens kulinarischer Welt: Eine leere Flasche vom besten Champagner - aber mit einem ungewöhnlichen Wiederverschluss, erklärt Kuratorin Alexandra Hoffmann: "Immer, wenn er eine Pommery aufgemacht hat, hat er auch einen Underberg aufgemacht, um damit die noch nicht leere Pommery zu verschließen, also quasi als Underberg-Korken." 

Man darf sich den essenden oder kochenden Janssen nicht als Feinschmecker vorstellen, meint die Kuratorin. Er selbst nannte sich einen "Allesschmecker". Aber Nahrungsmittel von der Avocado bis zum Zander waren abgesehen von Nährwert und Geschmack für ihn auch immer Inspiration für neue Grafiken, die gerne mit den Grenzen der Ästhetik spielten, beschreibt Alexandra Hoffmann den Schaffensprozess: "Eine verrottende Paprika, oder einen angebissenen Fisch … da geht er auch sehr in die Details rein, also in die Strukturen und in die Formen."

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Horst Janssen, 1992. © picture-alliance/dpa Foto: Uwe Zucchi

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Ausstellung begleitet Besucher bei den Mahlzeiten

Bewunderer der Kunst von Horst Janssen finden in dieser Ausstellung sehr viel Gegenständliches: Fleisch, Fisch, Gemüse, Früchte. Aber vor allem wird deutlich, dass Kochen, Essen und Trinken für den Künstler immer mit Geselligkeit und Lebensart zu tun hatten. Beim Rundgang begleitet man Janssen durch den ganzen Tag: vom Morgenkaffee und dem Frühstücksei über seine eigenen Apfel-Pfannkuchen zum Mittag bis zum Italiener am Abend und zum Absacker in der Kneipe oder im Ballsaal. 

"Horst Janssen tischt auf", ist der Titel der Schau und dabei hat er sich manchmal mit individuell gezeichneten und betexteten Platzkarten richtig Mühe gegeben. "Das sind jetzt Landschaften, also gar nicht Kulinarisches", erzählt die Kuratorin. "Er hat das so verstanden, als wenn man aufs Essen wartet und einem langweilig ist. Das ist wie ein Blick aus dem Fenster." Langweilig war es sicher nicht, mit Janssen am Tisch zu sitzen. Aber angenehm war es auch nicht immer, sagt die Wissenschaftlerin am Horst-Janssen-Museum, Antje Tietken: "Ich glaube, dass es auch ein riskantes Unterfangen gewesen sein könnte. Er war mit Freunden unterwegs und da wurde viel geredet und natürlich auch viel getrunken. Es ging sicherlich immer hoch her."

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Tischmanieren? Nicht für die Kunst!

Unflätige, auch verletzende Bemerkungen konnte der Künstler lautstark und öffentlich von sich geben. Oder einfach kuriosen Schabernack treiben, wie Kuratorin Hoffmann erzählt: "Wie zum Beispiel, dass er einem Freund, der gerne Eisbein gegessen hat, dann ein zweites und drittes und ein viertes bestellt hat und das total komisch fand."

Und feine Tischsitten? Wohl eher nicht. "Das eine Video, das wir auch zeigen, in dem er einfach auf Tischdecken zwischen dem Essen zeichnet - mit komplett von der Tinte blauen Händen und eine Kippe in der Hand. Die ascht er dann auch mal auf irgendwelche Werke ab." Da wollte durchaus nicht jeder daneben sitzen. “Es gibt Berichte von seinem Lieblings-Italiener”, so die Kuratorin, “dass Leute auch gern mal am Fenster vorbeigegangen sind, und wenn sie ihn drinnen sitzen haben sehen, auch gerne weitergegangen sind.”

Schau mit rund 200 Exponaten geradezu opulent

Einen empathischen und zärtlichen Janssen gab es auch, aber der rüpelhafte Suchtcharakter war zeitlebens sichtbarer. Der Künstler selbst führte diesen Aspekt in Selbstportraits immer wieder schonungslos vor, und die Kuratorin hat auch solchen Bildern Platz in der Schau eingeräumt: "Mit seiner Fettleibigkeit, mit irgendwelchen Entzündungen, mit seiner Impotenz, und wir haben hier auch Kopfschmerzen zum Beispiel veranschaulicht, vom Alkohol."

Die Ausstellung ist mit rund 200 Exponaten geradezu opulent - ein Festmahl für Kunstfreunde. Außer Horst Janssens meisterhafter Grafik, teils auf Bierdeckeln und Servietten, werden Alltagsgegenstände gezeigt, die ein Licht auf seinen Lebensstil und auch auf seine Marotten werfen. Hinzu kommt ein umfangreiches Begleitprogramm. Gut möglich, dass trotz der derzeitigen Dauerbaustellen-Situation am Museum diese Ausstellung viel Publikum findet.

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Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Horst Janssen Museum
Am Stadtmuseum 4-8
26121 Oldenburg
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 07.03.2025 | 16:40 Uhr

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