Der Linie auf der Spur: Alice Gericke ist neue Horst-Janssen-Stipendiatin
Jedes Jahr vergibt das Horst Janssen Museum zusammen mit dem Förderverein in Oldenburg ein Stipendium. Seit Anfang Februar ist nun Alice Gericke als Stipendiatin in Oldenburg aktiv. Ein Ortsbesuch.
Der Tag von Alice Gericke beginnt früh. Gegen acht Uhr verlässt sie das Haus, in dem Horst Janssen seine Kindheit und einen Teil seiner Jugend verbracht hat und in dem sie nun wohnt und teilweise arbeitet. Gegen halb neun ist sie im Horst Janssen Museum zu finden: "Ich lese dann Bücher über Horst Janssen und seine Grafik und beschäftige mich mit seinen Grafiken. Ich bin noch dabei, meinen Rhythmus zu finden. Es gibt sehr, sehr viel Material und es macht auch Spaß, sich damit auseinanderzusetzen."
Schon als Kind hat sie gern gezeichnet und hat eher darin ihre Ausdrucksform gefunden, "weil das für mich ein Instrument war, mit dem ich die Welt beschreiben konnte, wie ich sie wahrnehme, als auch meine Erfahrungen bearbeiten, das war irgendwie ein Bedürfnis was ich hatte."
Reduktion von Mustern in der Arbeit von Alice Gericke
Sie liebt die Arbeiten von Anke Feuchtenberger, mit ihrer Doppeldeutigkeit und Tiefgründigkeit. Wie Horst Janssen ist die 33-Jährige von der Zeichnung an sich fasziniert. Genauer: Die Linie hat es ihr angetan. Für sie ist sie, wie sie sagt, die kleinste greifbare Einheit einer Zeichnung. "Für mich ist das spannend, ein Bild auf diese Einheit zu reduzieren. Zudem ist die Linie ein Ergebnis eines langen, großen, zweifelnden Prozesses, dass man das Bild, was man hat, immer weiter auseinander nimmt, dass nur noch das übrig bleibt, was man dann nicht mehr reduzieren kann."
Studiert hat Alice Gericke in Bremen an der dortigen Hochschule für Künste bei Stephan Baumkötter, später war sie sogar Meisterschülerin. Schon damals hat sie ihre eigenen Bilder runtergeköchelt und seziert, bis sie ihr klar genug erschienen - ein Prozess der dauerte. So hat sie ihren Schwerpunkt bei diesem Forschungsstipendium genau definiert: Reduktion von Denk- und Arbeitsmustern sowie die Erschließung neuer künstlerische Räume.
Linie soll neues Format bekommen
"Bei diesen Grafiken von Horst Janssen gibt es immer eine Offenheit. Sie sind immer sehr präzise und gleichzeitig auch immer sehr chaotisch und dieser Zwischenbereich, den er mit seinen Porträts hat, finde ich sehr spannend." Auch möchte die in Berlin-Pankow geborene Künstlerin den Schritt von einer inneren Auseinandersetzung zu einer äußeren schaffen. Wenn sich alles so entwickelt, wie Alice Gericke es sich wünscht, wird die gezeichnete Linie am Ende des Stipendiums ein neues Format bekommen, in Form einer Animation.
Ob es nach diesen neun Monaten wirklich klappt, das möchte sie allerdings nicht versprechen," weil ich nicht genau sagen kann, wie das verläuft. Es gibt immer eine gewisse Ergebnisoffenheit bei einer Forschungsarbeit." Die Motivation, den Willen und die notwendige innere Reflektion hat Alice Gericke jedenfalls. Mit ihrer gedanklichen Genauigkeit und auch ihrer handwerklichen Kompetenz kann man auf den Herbst gespannt sein, wenn dann ihre Arbeiten auch im Museum zu sehen sein werden. Viele Arbeitstage werden also noch folgen, an denen sie abends aus dem Museum kommt und zu Hause am historischen Fleck weiter grübelt, tüftelt und zeichnet - Linie für Linie.