Novel Food: Insekten als Lebensmittel?
Wild lebende Insekten schützen, ja! Gezüchtete Insekten essen, nein. Oder doch? Die EU hat kürzlich den Buffalowurm als neuartiges Lebensmittel zugelassen. Insekten als Lebensmittel. Was ist neu daran und was altbekannt?
In Europa gehören Insekten zum sogenannten "novel food", also zu neuartigen Lebensmitteln. Doch Insekten als Lebensmittel haben bereits eine lange Tradition. In der Bibel, im 3. Buch Mose, sind koschere Lebensmittel aufgelistet. Heute überraschend:
Doch dies dürft ihr essen von allem kleinen Getier, das Flügel hat und auf vier Füßen geht: was oberhalb der Füße noch zwei Schenkel hat, womit es auf Erden hüpft. Von diesen dürft ihr essen alle Arten der Heuschrecke. Zitat aus der Bibel
Über Johannes den Täufer berichtet das Neue Testament, dass er in der Wüste Heuschrecken und wilden Honig gegessen habe. Christian Niemeyer, Leiter des Deutschen Zusatzstoffmuseums in Hamburg, verweist sogar auf eine Tradition mitten in Europa: "Es gibt immer wieder ein paar Quellen dazu, dass sie als Nahrungsmittel genutzt wurden, meistens zu Notzeiten, das sind dann Rezepte für Maikäfersuppen - das ist so um 1900, teilweise schon früher der Fall."
Der Ekel-Faktor
Ein Volkskalender von 1863 enthält sogar ein Rezept für Maikäfersuppe und weist auf kandierte Käfer in den Konditoreien hin. "Letzten Endes ist es eine Gewohnheit, dass wir gewisse Sachen zu uns nehmen oder nicht", so Niemeyer. "Und es empfindet ja auch nicht jeder den Hummer oder die Langusten als köstlich. Früher war vieles Arme-Leute-Kost, so wie es mit Insekten auch ist. Das ist dann das Marketing, was es ein bisschen hübscher macht."
Noch haben Insekten in Deutschland Ekel-Faktor. Trotzdem sind sie teuer. Vor zwei Jahren, 2021, hat die EU den Mehlwurm als Lebensmittel zugelassen. Seither sind Wanderheuschrecke, Hausgrille und nun auch der Buffalowurm dazugekommen. Als Pulver in Schokoriegeln, Pudding oder Nudeln? Heimlich geht das nicht, versichert der Biologe Christian Niemeyer: "Es gilt dann immer als Zutat, wird kenntlich gemacht mit den Warnungen für Allergiker. Dementsprechend versucht man auch die Vorschriften einzuhalten, was Futtermittel angeht für diese Insekten - Krankheiten, Belastungen, die man vielleicht durch Krankheitsbehandlung haben muss, und Ähnliches."
Insekten: Klimafreundliche Alternative zu Rind oder Huhn
Noch gibt es in Europa zu wenige Vorgaben im Bereich Hygiene. Die meisten Farmen für Insekten und Larven sind Start-ups. Auch wenn die Tiere klein sind, sie haben Hunger. "Wenn Sie eine Tonne Mehlwurmlarven herstellen, brauchen Sie erst mal 40 Tonnen Gemüseabfälle, damit sie die ernähren können. Das ist also nicht so, dass wir ein kleines Glasregal haben, wo man die dann händisch rausnimmt und weiterverarbeitet", erklärt Niemeyer.
Hausgrille oder Mehlwurm haben einen hohen Eiweißgehalt. Eine klimafreundliche Alternative zu Rind oder Huhn - so die Vision. Umweltbewusste Hundebesitzer können das schon seit 2017 testen, wie eine Hamburgerin, die sich selbst vegan ernährt: "Ich habe mir einmal ausgerechnet, wie viele Tiere, wie viele Rinder, wie viel Geflügel, mein kleiner Hund in seinem Leben fressen wird. Diese Summe kam mir einfach viel zu groß vor für den kleinen Hund, den ich habe."
Insekten als Lebensmittel: Die Zukunft?
Hundefutter aus Insekten ist allerdings teilweise doppelt so teuer. Die Zucht von Insekten ist relativ neu in Europa. Da gibt es für Verbraucher noch einige Fragezeichen: "Was mir allerdings noch ein bisschen fehlt, ist die Angabe, wo genau diese Insekten gezüchtet werden und vor allem, was die denn schlussendlich fressen. Auch wenn sie eine gute Energiebilanz haben, brauchen sie ja auch Futter. Ich würde gerne wissen, wo das genau herkommt."
Die Aufzucht von Insekten und Larven als Lebensmittel hat strengere Auflagen als im Bereich Tierfutter. Deswegen rät die Verbraucherzentrale davon ab, Insekten aus dem Zoofachhandel selbst zu essen. Noch steckt die Zucht für den Lebensmittelhandel in den Kinderschuhen. Ob es die große Zukunft ist, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen.