"Welttag des Buches" - Wo sind die "Männerromane"?
Am "Welttag des Buches" feiern alle das gute alte, oft schon totgesagte Buch. Doch allen Unkenrufen zum Trotz: Es scheint quicklebendig - bei Frauen allerdings lebendiger als bei Männern.
Es ist eine altbekannte Wahrheit: Jungs lesen nicht. Das war schon immer so und wird wohl auch immer so bleiben: Was Fritzchen nicht lernt, lernt Fritz nimmermehr. Also lesen Jungs, selbst wenn sie längst Männer sind, immer noch nicht. Denn Lesen ist was für Mädchen oder später dann Frauen. Kerle lesen nicht. Punkt!
Statistiken belegen das Klischee
Das ist so klischeehaft wie - leider - wahr! Statistiken belegen das: Frauen kaufen deutlich mehr Bücher als Männer, treffen sich entschieden häufiger in Lesezirkeln und stellen ganz überwiegend das Publikum bei Lesungen: Lesen ist irgendwie weiblich. Was man aktuell auch an den jungen Leuten sieht, die "Young Adult" und vor allem "New Adult" zum Riesen-Hype in der Buchbranche machen: Diese jungen Leute sind natürlich alles Frauen. Keine Männer. Natürlich?
Nee, natürlich ist das nicht. Es ist so tradiert und wird unhinterfragt so fortgeschrieben. Im wahrsten Sinne des Wortes "fortgeschrieben". "New Adult" ist ganz eindeutig ein Trend von jungen Frauen für junge Frauen - und sattelt genau auf der Tradition auf, dass Lesen etwas für Frauen ist. Suchen Frauen nach Role Models - bitteschön: "New Adult" bietet sie in alle Regenbogenfarben.
Wo ist das neue Männerbild?
Und wo bleiben da die Kerle? Man muss kein Psychologe oder Soziologe sein, um zu wissen, dass auch Jungs sogenannte Role Models brauchen; andere Jungs oder Männer, an denen sie sich orientieren oder abarbeiten können, an denen sie ihre eigene Identität reflektieren und konturieren können, Role Models, die dieselben Wünsche, Träume oder auch Probleme haben wie Mann (mit Doppel-N) selbst.
Und das sind dann eben keine selbstsicheren Alpha-Männchen aus der Klischeekiste, sondern Typen, die Schwierigkeiten haben, unsicher sind, perspektivlos, verletzlich - oder auch verliebt. Und sei's unglücklich. Jungen Frauen werden heute zum Glück ja auch keine biederen Fräuleins mehr als Rollenmuster vorgesetzt. Also bitte, gebt dem neuen Männerbild eine literarische Entsprechung!
Mögliche Vorbilder: "Fänger im Roggen", "Unter Null"
Ich erinnere mich noch genau, dass die Bücher meiner Jugend Jungs immer geschlechtslos, als werdende Mannsbilder oder als großes Problem dargestellt haben. Das nervte und brauchte ich wirklich nicht.
Als ich dann die ersten Bücher las, in denen genau die Orientierungslosigkeit beschrieben wurde, wie ich sie empfand, oder das unglückliche Verliebtsein und Abgewiesenwerden oder, oder, oder - eben der ganz normale Wahnsinn, der einem das Herz zerreißen kann, da sprang bei mir ein Deckel vom Fass: "Der Fänger im Roggen", "Deutschstunde", "Unter Null", das waren Bücher, in denen ich eine Rolle spielte - und wenn nicht ich, dann jemand, von dem ich wusste: So wollte ich nicht sein.
Männerspezifische Literatur braucht eigene Stimme
Mich faszinieren solche Bücher bis heute, so vermeintliche "Männerbücher" wie die von Bodo Kirchhoff. Gäbe die Buchbranche - also von den Agenturen über die Verlage bis zum Buchhandel - einer irgendwie Jungs- oder Männerspezifischen Literatur die Chance, eine eigene Stimme zu entwickeln: Dann wäre es in absehbarer Zeit wohl auch für Kerle nicht mehr peinlich, mit einem Buch erwischt zu werden. Greift zu Büchern, Kerle!
