Ein Mann mit schwarzem T-Shirt und grauem Sakko sitzt an einem Tisch auf einem Podium. © picture alliance / Panama Pictures Foto: Christoph Hardt
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AUDIO: "Generation Anspruch": Wie GenZ die Arbeitswelt verändert (6 Min)

"Generation Anspruch": Wie GenZ die Arbeitswelt verändert

Stand: 22.04.2025 13:14 Uhr

Die "Generation Anspruch" hinterfragt die Arbeit radikal, weil sie es kann, stellt der Journalist David Gutensohn in seinem Buch fest. Arbeit, die krank mache, gehöre abgeschafft. Im Gespräch erläutert er seinen Standpunkt.

Heute Abend ist David Gutensohn beim Herrenhäuser Gespräch um 19 Uhr im Schloss Herrenhausen in Hannover zu erleben. Unter dem Motto "Kein Leben für den Job! Wie GenZ die Arbeitswelt verändert" diskutiert er mit Rüdiger Maas und Laura Venz.

Herr Gutensohn, Sie nennen Ihre Generation die "Generation Anspruch". Wen meinen Sie mit dieser Generation?

David Gutensohn: Es gibt nicht mehr diese eine Generation, von der man sprechen kann. Aber man kann grob sagen, dass die Unter-30-Jährigen, also die jungen Menschen in Deutschland, anders auf ihr Arbeitsleben blicken, als es ältere Generationen tun. Sie zeigen Ansprüche an Arbeit, die es so bisher noch nicht gab.

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Im Vorwort Ihres Buches schreiben Sie, Arbeit sollte - überspitzt gesagt - zwar vielleicht kein Ponyhof, aber auch kein Schlachthof sein. Sie beziehen sich auf Andrea Nahles, die 2023 junge Menschen mit dem Satz: "Arbeiten ist kein Ponyhof" kritisiert hatte. Hilft diese Überspitzung irgendwem weiter?

Gutensohn: Im Gegenteil. Es ist eher so, dass ich mit diesem Buch versuchen möchte, faktenbasiert zu argumentieren und Fakten in diese überhitzte Debatte zu bringen. Frau Nahles, Thomas de Maizière oder Jens Spahn - viele haben sich kritisch geäußert über die junge Generation und ihr unterstellt, arbeitsunwillig oder faul zu sein. Wenn man sich aber mit der jungen Generation beschäftigt, dann sieht man, dass das gar nicht der Fall ist, sondern dass sie sehr wohl leistungsorientiert und motiviert ist - aber dass sie anders arbeiten will. Das möchte ich mit dem Buch ein bisschen in die öffentliche Debatte bringen, und da helfen vielleicht zugespitzte Zitate auch mal, um das Thema ein bisschen einzuleiten.

Aber ist "Schlachthof" die richtige Kategorie?

Gutensohn: Das ist natürlich sehr überspitzt gesagt und eine Replik darauf. Aber es hat tatsächlich einen ziemlich ernsten Hintergrund. Ich beschreibe in dem Buch auch, dass ich in einer Burn-out-Klinik war und mit Menschen gesprochen habe, die einen Burn-out erleben, die ausgebrannt sind und deren Arbeit sie krank gemacht hat. Es ist eine ziemlich gute Entwicklung, dass die junge Generation kritischer darauf blickt, dass sie selber darauf achtet, nicht selbst "auszubrennen".

Der Fachkräftemangel in Deutschland wird immer größer. Wie kann sich das zusammenfügen mit dem, was die "Generation Anspruch" möchte, nämlich dass die Arbeit nicht alles ist?

Gutensohn: Der Fachkräftemangel ist tatsächlich das große Problem, das wir gerade erleben. Vor allen Dingen mit Blick auf die nächsten Jahre, wenn die Babyboomer in Rente gehen, wird es ein noch größeres Problem werden. Ich glaube aber, dass wir nur einen Diskurs führen können, wie wir Arbeit besser gestalten können. Das wiederum wird dazu führen, dass letztendlich Arbeit attraktiver wird. Es gibt viele Berufe und Branchen, in denen die Menschen wieder zurückkehren würden, in denen Menschen ihre Arbeitszeiten wieder aufstocken würden, wenn sich da die Arbeitsbedingungen verändern würden. Das ist der primäre Punkt, der die junge Generation umtreibt: Wie schaffen wir es, dass Arbeit gut zum Privatleben passt? Wie schaffen wir es, dass Arbeit auch gesund verläuft, sodass langfristig gesehen Menschen seltener krank werden, weniger ausfallen und produktiver werden können?

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Ihre Mutter hat selbst als Pflegekraft gearbeitet, und Sie fragen: Wie soll man damit umgehen, wenn sich da jemand kaputt arbeitet? Aber auf der anderen Seite steht die Frage: Wer soll die notwendige Arbeit erledigen, gerade in Bereichen wie der Pflege?

Buchcover: David Gutensohn - "Generation Anspruch" © oekom Verlag
"Generation Anspruch" ist im Oekom Verlag erscheinen und kostet 22 Euro.

Gutensohn: Gerade die Pflege ist ein gutes Beispiel, weil wir da einen eigenen Begriff dafür haben: den sogenannten Pflexit: Viele vor allem junge Menschen, verlassen den Beruf und wechseln in andere Branchen, weil dieser Job so anstrengend geworden ist und weil er von den Arbeitsbedingungen her nicht mehr so funktioniert, wie er das eigentlich sollte. Ich konnte das an meiner Mutter ganz gut beobachten, die in den 1980er- und 1990er-Jahren in dem Beruf gearbeitet hat und ganz andere Arbeitsbedingungen hatte als in den letzten Jahren. Die Pflege ist ein gutes Beispiel dafür, was so ein Hebel an Arbeitsbedingungen verändern könnte, dass Menschen nicht in diesem Beruf ausbrennen und zu Recht früh in Rente gehen müssen, sondern ihn so lange wie möglich ausüben können.

Was antworten Sie Kritikern, die sagen, dass man in Zeiten multipler Krisen nicht weniger, sondern mehr arbeiten muss?

Gutensohn: Es geht primär gar nicht darum, weniger zu arbeiten, sondern Arbeit fairer zu organisieren und produktiver zu werden, also letztendlich sogar mehr zu leisten. Das ist der entsprechende Kernpunkt. Mehrarbeit ist nicht unbedingt die Lösung. Wir reden über steuerfreie Überstunden, darüber, dass Menschen noch mehr arbeiten sollen - das führt am Ende dazu, dass die Produktivität nicht unbedingt steigt. Es gibt viele Studien, die sagen, dass man nach acht, neun Arbeitsstunden am Tag gar nicht leistungsfähiger wird. Es gibt auch viele Studien, die davor warnen, dass man, wenn man deutlich mehr als die 40-Stunden-Woche arbeitet, langfristig einen Burn-out bekommt und der Wirtschaft und dem eigenen Unternehmen schadet, indem man lange ausfällt. Die eigentliche Frage müsste also sein: Wie kriegen wir Arbeit so organisiert, dass diejenigen, die es wollen - das sind in der Kernfrage vor allen Dingen Frauen -, mehr arbeiten können. Und diejenigen, die weniger arbeiten wollen - das sind laut Umfragen vorwiegend Männer -, das auch hinbekommen. Deshalb reden wir da eher über eine andere Organisation, als pauschal zu sagen, dass man weniger arbeiten will. Das würde ich auch nicht befürworten.

Das Gespräch führte Raliza Nikolov.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 22.04.2025 | 10:20 Uhr

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