Wehrpflicht-Debatte: Nymoens pazifistische Perspektive

Stand: 23.04.2025 06:00 Uhr

Als Soldat kämpfen? Nein, sagt Ole Nymoen und begründet diese Haltung in seinem Buch "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde". Andere hingegen sprechen von einer Bringschuld gegenüber dem Staat.

von Stefan Mühlenhoff

Deutschland muss verteidigungsfähig und "kriegstüchtig" werden. Diese Forderung hört man immer häufiger, doch der Bundeswehr fehlen Soldaten. Die Wehrpflicht ist zwar erst einmal vom Tisch. Zunächst, so die Pläne von Union und SPD, basiert das neue Wehrdienstmodell auf Freiwilligkeit. Wenn sich aber nicht genug Freiwillige finden, wird nochmal über die Pflicht gesprochen. Einer, der das deutlich ablehnt, ist der Autor Ole Nymoen.

"Ich habe keine Lust, auf Menschen zu schießen, die ich nicht kenne, die mir nichts getan haben, von denen mich nichts trennt, bis auf den Pass. Wir schießen ja nur deshalb im Krieg aufeinander, weil unsere jeweiligen Staaten uns das befehlen, weil wir verfeindeten Staaten untergeordnet sind", sagt Ole Nymoen. Der 27-jährige Autor, Podcaster und freie Journalist hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde".

Lieber weniger frei am Leben bleiben

"Ich weiß, dass ich selbst davon profitiere, in Deutschland freier sprechen zu können als in vielen anderen Ländern dieser Welt. Ich muss aber ganz ehrlich sagen, wenn ich vor der Frage stünde, würde ich lieber weniger frei leben und dafür am Leben bleiben oder sterben? Dann wäre für mich die Option relativ klar", so Nymoen.

Cover: Ole Nymoen: "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde" © Rowohlt
AUDIO: Ole Nymoens Buch "Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde" (4 Min)

Ex-Zeitsoldat Gregis: Weglaufen löst das Problem nicht

Einer, der sich bereits im Alter von 19 Jahren anders entschieden hat, ist der Lehrer und Autor und ehemalige Zeitsoldat Wolf Gregis aus Rostock. Als Offizier war er im Auslandseinsatz in Afghanistan. Dort kamen insgesamt 60 Bundeswehrsoldaten ums Leben.

"Es geht um ein selbstbestimmtes Leben. (…) Das heißt, die Freiheit der Menschen in diesem Land zu bestimmen, wie sie leben wollen. Darauf basiert auch Artikel 1 unseres Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und wenn es etwas zu verteidigen gibt, dann wohl Artikel 1", findet Gregis.

"Der Soldat hat genauso Angst wie alle anderen, aber er handelt trotzdem. (…) Den Kopf in den Sand zu stecken oder wegzulaufen, wird das Problem nicht grundsätzlich lösen. Denn es ist auch eine alte Weisheit: Man hat immer eine Armee im Land, entweder die eigene oder eine fremde."

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Major fordert mentale Zeitenwende 

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa wären 60 Prozent der Deutschen "auf keinen Fall" oder "wahrscheinlich nicht" bereit, das Land mit der Waffe zu verteidigen. Nur 17 Prozent sagen: "auf jeden Fall". Die Politikwissenschaftlerin Claudia Major vom German Marshall Fund, einer Stiftung mit Sitz in den USA, fordert eine "mentale Zeitenwende".

"Wir nehmen in Deutschland den Staat, die Freiheit, die Demokratie häufig als eine Serviceleistung wahr, die sowieso da ist, als etwas Gegebenes. Das Verständnis dafür, dass es etwas Schützenswertes ist, dass es ein Privileg ist, in einer freiheitlichen Gesellschaft zu leben und nicht in Unterdrückung, nicht in der Diktatur, dieses Gefühl ist nicht sehr weitverbreitet", so Claudia Majors Eindruck.

Nymoen: Machterhalt wichtiger als Wohl der Menschen

In seinem Buch kritisiert Autor Ole Nymoen, dass Staaten im Kriegsfall stärker am eigenen Machterhalt interessiert seien als am Wohl ihrer Bevölkerung. Er befürchtet: Ob er selbst kämpfen wolle oder nicht, spiele dann keine Rolle.

"Wenn der Staat angegriffen wird, dann zwingt er junge Männer an die Waffe, ob sie wollen oder nicht, ob sie den Staat gut finden oder nicht. Dieses Verhältnis hat nicht nur Deutschland zu seinen Bürgern, sondern das hat jeder Staat zu seinen Bürgern", kritisiert Nymoen.

Major sieht Bringschuld gegenüber dem Staat

Dazu sagt Claudia Major: "Dahinter steht letztlich die Frage, was mein Staatsverständnis ist. (…) Wenn ich den Staat als eine Einheit ansehe, die meine Interessen vertritt, (...) und der mir den Rahmen für ein gesellschaftliches Leben bietet, dann engagiere ich mich dafür und dann habe ich auch eine Bringschuld diesem Staat gegenüber."

Die Debatte um die Verteidigungsbereitschaft wirft existenzielle Fragen auf: Für den Staat, für die Gesellschaft und für jeden Einzelnen.

Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde

von Ole  Nymoen
Seitenzahl:
144 Seiten
Genre:
Sachbuch
Verlag:
Rowohlt
Veröffentlichungsdatum:
11.03.2025
Bestellnummer:
978-3-499-01755-1
Preis:
16,00 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 17.04.2025 | 09:40 Uhr

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