Axel Springer - Der Medien-Titan aus Hamburg
Feindbild der 68er und Machtmensch, Kämpfer für die Wiedervereinigung und Freund Israels: Axel Springer hat polarisiert. Und kaum ein Verleger prägte die Medienlandschaft im Nachkriegsdeutschland so wie er.
Der Hamburger Zeitungsverleger Axel Cäsar Springer schuf mit dem Axel-Springer-Verlag eines der größten Medienimperien Europas. Seine Blätter von der "Bild"-Zeitung bis zur "Welt" sind bis heute meinungsprägend in der deutschen Öffentlichkeit.
Springers Anfänge in Hamburg-Altona
Geboren wird Springer am 2. Mai 1912 in Altona, das damals noch zu Schleswig-Holstein gehört. Sein Vater Hinrich Springer ist Inhaber des Verlags Hammerich und Lesser, außerdem Herausgeber der Tageszeitung "Altonaer Nachrichten". Nach der Schule macht Axel Springer zunächst eine Druckerlehre im Verlag des Vaters, später volontiert er bei einer Nachrichtenagentur und bei der "Bergedorfer Zeitung". 1934 geht Springer als Sport- und Wirtschaftsredakteur zu den "Altonaer Nachrichten" seines Vaters und wird dort bald stellvertretender Chefredakteur.
Scheidung aus "Karriere-Gründen"?
Doch mit der Machtergreifung Hitlers ändert sich die politische Landschaft tiefgreifend. 1941 werden die "Altonaer Nachrichten" eingestellt, Springer arbeitet weiter als Redakteur mit beschränkter Zulassung und als Verlagsbuchhändler. Ein ärztliches Attest bewahrt ihn 1939 vor dem Wehrdienst. Zwar sind sich Biografen heute weitgehend darüber einig, dass Axel Springer und seine Familie in innerer Opposition zu den neuen Machthabern standen, offen stellt sich die Familie aber nicht gegen das NS-Regime: Von seiner Frau Martha, einer Halbjüdin, mit der eine Tochter hat, lässt sich Springer scheiden - "aus Karriere-Gründen", wie sein Biograf Hans Peter Schwarz mutmaßt. Die Ehe mit einer Halbjüdin war beruflich nachteilig, die Ehe zudem gescheitert - Springer hatte zahlreiche Affären mit anderen Frauen. Bereits 1939 heiratet er seine zweite Ehefrau Erna Frieda Holm, mit der er 1944 den Sohn Axel bekommt.
Aufstieg im Nachkriegsdeutschland
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt Springer zunächst als Buchverleger. Er bringt ab 1946 die "Nordwestdeutschen Hefte" heraus: ein Blatt mit Hörfunkbeiträgen des Nordwestdeutschen Rundfunks, dem Vorgänger des Norddeutschen und Westdeutschen Rundfunks. Denn die britischen Besatzer wollten ausgewählte Beiträge zusätzlich zum Radio auch schriftlich verbreiten.
Ebenfalls als rundfunknahes Projekt angelegt erscheint Ende desselben Jahres erstmals die Programmzeitschrift "Hör Zu!". Das Magazin entwickelt sich äußerst erfolgreich: Ende der 60er-Jahre ist die "Hör zu!" mit einer Auflage von rund vier Millionen Exemplaren europaweit die Zeitschrift mit der höchsten Auflage. Mittlerweile erscheint das 1972 in "Hörzu" umgetaufte Programmblatt bei der Funke Mediengruppe.
1952: "Bild" wird Deutschlands erstes Boulevardblatt
1948 erhält Springer außerdem die Lizenz für die Herausgabe einer eigenen Tageszeitung, des "Hamburger Abendblatts". Springers größter Coup folgt im Jahr 1952: Mit der "Bild"-Zeitung bringt er am 24. Juni die erste deutsche Boulevard-Zeitung mit einer Startauflage von 250.000 Exemplaren auf den Markt. Bis heute ist die "Bild"-Zeitung das auflagenstärkste Blatt Deutschlands und steht zugleich wegen Inhalt und Form seiner Berichterstattung regelmäßig in der Kritik.
Ziel Wiedervereinigung: Springer reist nach Moskau
Der Verlag expandiert weiter: 1953 kommt "Die Welt" als künftiges publizistisches Flaggschiff hinzu, 1956 folgt eine Beteiligung am Ullstein-Verlag. Mit Mitte 40 ist Axel Springer der wichtigste Mann der deutschen Presselandschaft. Doch das reicht dem ehrgeizigen Konzernchef nicht: 1958 versucht Springer, nicht nur indirekt über seine Zeitungen, sondern auch direkt Einfluss auf die große Politik zu nehmen. Er reist nach Moskau, um Nikita Chruschtschow, dem damaligen Staats- und Regierungschef der Sowjetunion, sein Konzept für eine deutsche Wiedervereinigung nahezubringen - ohne Erfolg. In der Folgezeit hält Springer seine Chefredakteure dazu an, kompromisslos gegen Sowjetunion und DDR Stellung zu beziehen. Immer wieder thematisieren die Springer-Blätter auch die anhaltende Massenflucht aus der DDR. Aus der bis dahin relativ unpolitischen "Bild"-Zeitung wird ein politisches Kampfblatt.
Springers psychische Krisen bleiben im Verborgenen
Während der Springer-Verlag in den 50er- und beginnenden 60er-Jahren nur einen Weg kennt - den nach oben - verläuft das Privatleben des Verlegers turbulent. 1953 heiratet er seine dritte Frau Rosemarie, von der er sich 1961 trennt, um 1962 seine vierte Frau zu heiraten, mit der er im selben Jahr Sohn Raimund Nicolaus bekommt. Zugleich häufen sich bei Springer gesundheitliche Krisen: Er ist psychisch labil, leidet unter psychosomatischen Erkrankungen, die 1957 in einer schweren seelischen Krise gipfeln. Der Gestalt des beispiellos erfolgreichen, weltkundigen und zupackenden Verlegers steht ein dem Mystisch-Religiösen und Esoterischen zugeneigter, Astrologie-gläubiger Sinnsucher gegenüber.
Springer-Verlag zieht nach Berlin
Die Öffentlichkeit erfährt von diesen seelischen Krisen nichts. Springer baut sein Medien-Imperium weiter aus, gründet die Zeitschrift "Eltern" und kauft 1966 die Mehrheit der Ullstein-Gruppe, zu der auch die Berliner Tageszeitungen "B.Z." und "Berliner Morgenpost" gehören. Damit besitzt der Springer-Verlag in West-Berlin mit einem Marktanteil von 70 Prozent annähernd ein Medien-Monopol. Anfang 1967 zieht auch der Hauptsitz des Verlags von Hamburg nach West-Berlin um. Das Verlagsgebäude steht in Sichtweite der Berliner Mauer - ein deutliches politisches Signal, dass sich der Verleger und sein Reich nicht mit der deutschen Teilung abfinden.
"Bild"-Kampagne gegen Studentenbewegung
Doch in der Schusslinie der Springer-Blätter stehen nicht nur die DDR und der sogenannte Ostblock. Ab 1966 gerät auch die politisch links stehende Studentenschaft ins Visier. Mit einer verbalen Hetz-Kampagne schürt die "Bild"-Zeitung die Stimmung gegen die protestierenden Studenten.
Deren Sprachrohr, die selbsternannte "Außerparlamentarische Opposition" (APO), reagiert mit einer "Enteignet Springer"- Kampagne und verlangt offen die Zerschlagung des Konzerns. Der Konflikt eskaliert, als der Student Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 von einem Polizisten erschossen wird und die "Bild"-Zeitung die Studenten als eigentlich Schuldige an der Gewalt ausmacht. Nun wenden sich auch viele namhafte deutsche Schriftsteller wie Günter Grass und Peter Rühmkorf gegen den Verlag: Sie starten die Kampagne "Wir arbeiten nicht für Springer-Zeitungen".
Springer etabliert bindende Grundsätze
Die Kritik an der geballten Medienmacht des Verlags, an der Art der Berichterstattung der Blätter und nicht zuletzt an seiner Person lässt Axel Springer nicht kalt. Im Oktober 1967 veröffentlicht er vier Grundsätze, die fortan für alle Redakteure des Verlags bindend sind: das Eintreten für die Wiedervereinigung Deutschlands, die Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden, die Ablehnung jeder Art von politischem Totalitarismus sowie die Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft.
Diese Grundsätze spiegeln auch das ausgeprägte konservative Sendungsbewusstsein des Verlegers wider. In der Zwischenzeit sind sie entsprechend den Zeitläuften mehrfach angepasst und erweitert worden, doch auch heute noch sind ihnen alle Mitarbeitenden verpflichtet.
Attentat auf Dutschke - schoss "Bild" mit?
Ihren diffamierend-polemischen Stil gibt die "Bild"-Zeitung trotz dieser Grundsätze nicht auf und macht etwa Stimmung gegen den Studentenführer Rudi Dutschke. Kurz darauf, am 11. April 1968, wird er in Berlin angeschossen. Viele geben der "Bild"-Zeitung daraufhin eine Mitschuld an dem Attentat: "Bild schoss mit", lautet ihr Vorwurf. In West-Berlin und anderen Städten kommt es zu schweren Unruhen. Auch auf höchster Ebene wird nun Kritik laut. Eine von der Bundesregierung eingesetzte Kommission rügt den Umgang des Verlags mit der Pressefreiheit.
Die 70er-Jahre: Anschläge und Auszeichnungen
Am 19. Mai 1972 explodieren im Hochhaus des Springer-Verlags in Hamburg mehrere Bomben. Mindestens 17 Menschen werden bei dem von der Rote Armee Fraktion (RAF) verübten Anschlag verletzt. In zwei Privathäusern Axel Springers in Kampen auf Sylt und im schweizerischen Gstaad kommt es ebenfalls zu Brandanschlägen. Die Attentate heizen die öffentliche Diskussion um Macht und Einfluss der Springer-presse erneut an.
Ein besonderes Verhältnis: Springer und die Juden
Während Axel Springer in Deutschland weiter im Kreuzfeuer linker Kritik steht, verleihen ihm 1974 und 1976 zwei israelische Universitäten - die Bar-Ilan-Universität und die Hebräische Universität von Jerusalem - Ehrendoktorwürden. 1983 folgt der Ehrentitel "Bewahrer Israels". Die Aussöhnung mit den Juden ist für Springer ein Lebensthema, dem er sich mit finanziellen Mitteln und persönlichem Engagement widmet. Rund 30 Mal reist der Verleger nach Israel.
Die 80er-Jahre - Springer zieht sich zurück
Mit einem schweren persönlichen Schicksalsschlag beginnen für Axel Springer die 80er-Jahre: Sein ältester Sohn Axel, unter dem Pseudonym Sven Simon ein international anerkannter Fotograf und zwischenzeitlich Chefredakteur der "Welt am Sonntag", tötet sich am 3. Januar 1980 auf einer Hamburger Parkbank selbst. Der Tod des Sohnes trifft Axel Springer senior bis ins Mark. In der Folgezeit zieht er sich mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft des Verlags zurück. 1983 verkauft Springer 24,9 Prozent seines Verlags an Burda, weitere 49 Prozent veräußert er im Juli 1985.
Axel Springer stirbt im Alter von 73 Jahren
Am 22. September 1985 stirbt Axel Springer im Alter von 73 Jahren an einer Herzmuskelentzündung in einem West-Berliner Krankenhaus. Zu der Tragik seines Lebens zählt, dass es ihm nicht vergönnt war, den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung, für die er stets so vehement eingetreten war, zu erleben.
Der Springer-Konzern ist eines der größten Medienunternehmen Europas geblieben. Springers letzte Ehefrau Friede fungiert als stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Konzerns Axel Springer SE.