Stefan Aust: Der Vollblutjournalist
Der frühere "Spiegel"-Chefredakteur und heutige "Welt"-Herausgeber Stefan Aust gehört zu den wichtigsten deutschen Journalisten. Er berichtete über linken wie rechten Terror. Am 1. Juli ist er 75 Jahre alt geworden.
In einem Alter, in dem andere längst in Rente sind, steht Stefan Aust voll im Berufsleben. Der Journalist - Jahrgang 1946 - leitete 13 Jahre lang den "Spiegel", ist Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt" und hält Anteile an der N24 Media, für die er auch als Geschäftsführer tätig ist. Seit Jahrzehnten sowohl in den Printmedien als auch im Fernsehen zu Hause, hat er Ende Mai seine Autobiografie "Zeitreise" veröffentlicht.
Ein Bauernsohn findet zum Journalismus
Stefan Aust kommt am 1. Juli 1946 im niedersächsischen Stade zur Welt. Der Weg in den Journalismus ist für den Sohn eines Obstbauern nicht vorgezeichnet. Nach dem Abitur studiert er Soziologie, verlässt die Universität aber ohne Abschluss. Bei dem linken Politblatt "konkret" arbeitet Aust einige Jahre als Redakteur, wo er Ulrike Meinhofkennenlernt, wechselt dann zu den "St. Pauli-Nachrichten" und kommt 1970 zum Norddeutschen Rundfunk.
Die "Panorama"-Jahre von Stefan Aust
Von 1973 bis 1987 gehört er zur Redaktion des politischen Fernsehmagazins Panorama. Dort deckt er unter anderem den Fall Filbinger auf: Der damalige baden-württembergische Ministerpräsident hatte der einstige Militärjurist noch kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs Todesurteile gegen fahnenflüchtige Soldaten der Wehrmacht verhängt. Filbinger beugt sich schließlich dem öffentlichen Druck und tritt zurück.
Einem breiten Publikum bekannt wird Aust mit einer Panne: 1982 dreht er einen Film über einen Verfassungsschützer, der seine eigene Terrorgruppe aufbauen will. Autor Aust moderiert seinen Beitrag vor laufender Kamera an, doch als der Film abgespielt werden soll, ist dieser verschwunden und taucht nie wieder auf. Aus Restmaterial entsteht ein neuer Beitrag, den die ARD am nächsten Tag in einer Sondersendung zeigt.
Wechsel zu "Spiegel TV"
1988 verlässt Aust den NDR und wechselt zum "Spiegel". Der Verlag möchte in das noch junge Geschäft mit kommerziellem Fernsehen einsteigen und holt Aust für sein Projekt "Spiegel TV", zu dem auch ein politisches Magazin gehört. Der erfahrene Fernsehjournalist steht vor der Kamera, baut aber gleichzeitig im Hintergrund ein erfolgreiches Unternehmen auf. Zehn Jahre arbeitet er in unterschiedlichen Funktionen für "Spiegel TV". Auch als Aust im Dezember 1994 Chefredakteur des gedruckten Magazins "Der Spiegel" wird, zieht er sich zunächst nicht völlig aus dem Fernsehgeschäft zurück.
Aufstieg zum "Spiegel"-Chefredakteur
An der Spitze des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" gilt Aust als einer der einflussreichsten Journalisten Deutschlands. Auch diese Aufgabe erledigt er mit Erfolg. Dem "Spiegel" sichert er seine Rolle als umstrittenes, aber führendes Nachrichtenmagazin. Während andere Printmedien gegen schwächelnde Auflagen kämpfen, hält sich der "Spiegel" auf hohem Niveau. Seine Titelgeschichten treffen den Nerv des Publikums und stoßen immer wieder kontroverse Diskussionen in Politik und Gesellschaft an.
Gleichzeitig gerät Aust bei einigen Mitarbeitern wegen seines Führungsstils in die Kritik. Schließlich entscheiden die Gesellschafter des Spiegel-Verlags, den Vertrag mit Aust Ende 2008 auslaufen zu lassen. Gegen eine Abfindung verlässt er das Unternehmen bereits im März 2008.
Kenner des linksextremen Spektrums
Die Jahre beim Spiegel-Verlag prägen bis heute die öffentliche Wahrnehmung des Journalisten, obwohl Aust parallel stets auch andere Projekte verfolgt. Aust erweist sich als Multitalent der Medienbranche, entwickelt Konzepte für Print, Fernsehen und Online, produziert Sendungen für private wie öffentlich-rechtliche Sender und schreibt zahlreiche Bücher. Immer wieder beschäftigt er sich darin mit dem Terrorismus der 70er-Jahre in Deutschland.
Sein "Baader Meinhof Komplex" von 1985 gilt bis heute als Standardwerk über die Rote-Armee-Fraktion und die Zeit bis zum "heißen Herbst" 1977. Dabei nutzt Aust nicht nur seine Kontakte ins linksextreme Spektrum, sondern auch eigene Erfahrungen. Er kennt Ulrike Meinhof, Horst Mahler, Jan-Carl Raspe sowie die damaligen Anwälte Hans-Christian Ströbele und Otto Schily persönlich. Aust selbst soll einst auf der Todesliste von Terroristen gestanden haben. Als der "Baader Meinhof Komplex" 2008 als Film in die Kinos kommt, rückt das Thema wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Nach dem linken auch den rechten Terror im Visier
Als Mitgeschäftsführer des Nachrichtensenders N24 arbeitet Aust ab 2010 wieder vor allem für das Fernsehen. Nach der Übernahme des Nachrichtensenders durch den Springer-Konzern wird er ab 2014 Herausgeber der Tageszeitung "Die Welt" und der zugehörigen Titelgruppe. Im selben Jahr veröffentlicht er gemeinsam mit Dirk Laabs das Buch "Heimatschutz" über die NSU-Terror-Serie und nimmt damit nach dem linken auch den rechten Terror in Deutschland ins Visier.
Dass guter Journalismus auch in Zukunft wichtig bleibt, davon ist er überzeugt: "Journalismus als Instanz, der aus der Wirklichkeit die wesentlichen Dinge herausfiltert, wird seine Funktion und Bedeutung nicht verlieren", so Aust vor einigen Jahren.
Entspannung auf dem Lande
Eine andere Seite seiner Persönlichkeit lebt Aust im kleinen Ort Armstorf (Landkreis Cuxhaven) aus, gut 80 Kilometer entfernt von der Medienmetropole Hamburg. Dort züchtet er auf seinem Gestüt seit vielen Jahren professionell Pferde. Stefan Aust ist verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt im vornehmen Hamburger Stadtteil Blankenese.