Wie RAF-Terroristin Ulrike Meinhof festgenommen wurde
Im Frühsommer 1972 werden zahlreiche Köpfe der ersten Generation der Roten Armee Fraktion festgenommen. Am 15. Juni wird auch Ulrike Meinhof bei Hannover gefasst - die dortige Polizei hatte einen Tipp bekommen.
Die selbst ernannten Revolutionäre der Roten Armee Fraktion (RAF) um Andreas Baader und Ulrike Meinhof führen Anfang der 1970er-Jahre einen Kampf gegen das politische System der Bundesrepublik. Aus Protesten innerhalb der westdeutschen Studentenbewegung in den 60er-Jahren hervorgegangen, beginnt mit der Baader-Befreiung im Mai 1970 der bewaffnete Kampf der RAF. Zunächst überfallen sie Banken: Auch in Norddeutschland ist die Gruppe aktiv. Bei einem Banküberfall in Hannover erbeuten RAF-Mitglieder im August 1971 fast 200.000 Deutsche Mark. Anfang Mai 1972 folgt ein erster Bombenanschlag auf das Hauptquartier der US-Armee in Frankfurt am Main. Wenige Tage später explodieren im Axel-Springer-Verlag in Hamburg mehrere Sprengsätze.
Für Ulrike Meinhof wird es eng
Die Ermittler sind der Terrorgruppe auf der Spur und greifen am 1. Juni zu: In Frankfurt am Main werden mit Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe drei Köpfe der RAF gefasst. Sechs Tage später geht der Polizei in Hamburg Gudrun Ensslin ins Netz. Ganz oben auf der Fahndungsliste steht nun Ulrike Meinhof. Die ehemalige Journalistin und Autorin von ideologischen Schriften und Bekennerschreiben der RAF soll an Banküberfällen und fünf Bombenanschlägen beteiligt gewesen sein. Für Meinhof wird es immer schwieriger, sich in Deutschland zu bewegen. Dennoch macht sie sich am Donnerstag, den 15. Juni, als Beifahrerin im Auto eines Bekannten auf den Weg nach Hannover.
Eine Unbekannte auf Quartiersuche bei Hannover
In der Nacht vor ihrer Abfahrt hat der Lehrer Fritz Rodewald ungewöhnlichen Besuch. Der junge Mann, in der linken Szene Hannovers ein bekanntes Gesicht, wohnt in Langenhagen, knapp hinter der nördlichen Grenze der Landeshauptstadt. Gegen Mitternacht klingelt eine Frau an seiner Wohnungstür und fragt, ob zwei Personen für zwei oder drei Nächte bei ihm unterkommen können. Nach kurzer Überlegung willigt Rodewald ein. Es ist nicht ungewöhnlich, dass Fremde bei ihm übernachten, denn er hilft gelegentlich US-Soldaten bei der Flucht. Doch warum wollen diese Gäste ihren Namen nicht nennen? Die Unbekannte kündigt für Donnerstagnachmittag ein Pärchen an.
Fritz Rodewald schaltet die Polizei ein
Noch in der Nacht spricht Rodewald mit seiner Freundin, die mit ihm in der Wohnung wohnt, über den Vorfall. Sie ahnt - sensibilisiert durch die Medienberichte der vergangenen Monate - einen Zusammenhang mit Terroristen und überzeugt ihren Freund davon, die Polizei zu informieren. Nach der Arbeit wendet sich der Grundschullehrer am Nachmittag an das Landeskriminalamt. Die Beamten vereinbaren mit Rodewald, dass er zunächst nicht nach Hause geht und beziehen Position vor dem Gebäude in der Walsroder Straße 11, einem unscheinbaren Wohn- und Geschäftshaus an einer Hauptstraße.
Der Verdacht bestätigt sich
Gegen 18 Uhr kommt ein Mann aus Rodewalds Wohnung und geht zu einer Telefonzelle in der Nähe. Dort überraschen ihn die Polizisten und nehmen den Bewaffneten fest. Es ist Gerhard Müller - der Polizei kein Unbekannter, aber noch nicht als RAF-Terrorist gesucht. Kurze Zeit später klingeln Beamte an der Tür der Wohnung Rodewalds. Offenbar arglos öffnet ihnen eine Frau, die nach Zeugenaussagen eine blonde Perücke getragen haben soll - Ulrike Meinhof. Als die Beamten versuchen, die damals 37-Jährige festzunehmen, wehrt sie sich heftig, doch erfolglos. Später zeigt sich, dass sie schwer bewaffnet war.
Ulrike Meinhof beendet ihr Leben in der Gefängniszelle
Ulrike Meinhof wird 1974 wegen der lebensgefährlichen Verletzung eines Unbeteiligten bei der Baader-Befreiung zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Ab Mai 1975 steht sie im sogenannten Stammheim-Prozess erneut vor Gericht. Mit den anderen RAF-Führungsmitgliedern Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe ist sie wegen vierfachen Mordes und 54-fachen Mordversuchs angeklagt. Der ebenfalls Angeklagte Holger Meins stirbt vor dem Prozessauftakt an den Folgen eines Hungerstreiks. Auch Ulrike Meinhof erlebt das Ende des Prozesses nicht: Am 9. Mai 1976 findet ein Vollzugsbeamter sie erhängt in ihrer Zelle auf.
Rodewalds Leben ändert sich dramatisch
Das Leben von Fritz Rodewald ändert sich nach der Festnahme Ulrike Meinhofs schlagartig. Als die Umstände der Verhaftung bekannt werden, steht er am Pranger von RAF-Sympathisanten. Teile der linken Szene wenden sich von ihm ab, er wird als Verräter beschimpft und erhält Morddrohungen.
Polizisten ziehen vorübergehend in seine Wohnung ein, er trägt eine kugelsichere Weste. Rodewald muss seinen Job als Lehrer aufgeben. Er verlässt Hannover, kehrt später aber zurück, begibt sich in Therapie und wird schließlich selbst Psychoanalytiker. Als ihm der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland verliehen werden soll, lehnt er ab. Am 18. August 2009 stirbt Fritz Rodewald im Alter von 70 Jahren in Hannover.