Das Stadtwappen von Altona von 1664 auf einem Findling. © picture alliance / Zoonar Foto: Markus Hötzel

Altona: Wie das dänische Dorf zur Stadt und zum Szeneviertel wurde

Stand: 24.08.2024 00:00 Uhr

Am 23. August 1664 verleiht der dänische König Altona das Stadtrecht. Aus dem armen Fischerdorf wird eine der liberalsten Städte Europas, die Hamburg wirtschaftlich Konkurrenz macht. Seit 1937 ist Altona ein Stadtteil der Hansestadt.

von Dirk Hempel

Eine armselige Ansammlung von Bauernhöfen, Fischerkaten und Wirtshäusern mit 2.500 Einwohnern. So sieht Altona - ein Dorf vor den Toren Hamburgs - Mitte des 17. Jahrhunderts aus. Als der dänische König Friedrich III. Altona am 23. August 1664 das Stadtrecht verleiht, ändert sich das. Ungewöhnliche Privilegien wie Zuzugs-, Religions- und Gewerbefreiheit machen sie binnen kurzem zu einer der liberalsten Städte Europas. Das neue Stadtwappen zeigt - anders als das der mächtigen Nachbarin Hamburg - ein geöffnetes Tor. Mit königlicher Erlaubnis dürfen die Kaufleute die im Altonaer Hafen umgeschlagenen Waren unverzollt stapeln. Damit entsteht einer der ersten Freihäfen Europas. Ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber der bislang konkurrenzlosen Nachbarstadt. Die Hamburger Ratsherren sind beunruhigt.

Hamburger betrachten den Nachbarn mit Argwohn

Überhaupt ist ihnen die kleine Siedlung vor der Stadtmauer schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Eine um 1536 eröffnete Fischerkneipe mit zweifelhaftem Ruf, zwischen heutiger Breiter Straße und Pepermölenbek gelegen, hat dem Ort der Legende nach den Namen gegeben. Die Schankwirtschaft befindet sich für die Hamburger Stadtoberen "all to nah" (allzu nah) an der Grenze zu Hamburg.

Da Altona mit seinen damals rund 50 Einwohnern aber zum Gebiet des Grafen von Schauenburg gehört, der Grafschaft Pinneberg, die bis an die Elbe reicht, können die Hamburger eine weitere Ansiedlung von Bauern, Fischern und Handwerkern nicht verhindern.

Glaubensflüchtlinge finden eine neue Heimat

Grabsteine auf dem aschkenasischen Teil des Jüdischen Friedhofs Altona © NDR.de Foto: Marc-Oliver Rehrmann
Seit 1611 existiert der Jüdische Friedhof an der Königstraße in Altona.

Religiöse Toleranz hat von Anfang an eine besondere Bedeutung in Altona. Verfolgte Protestanten aus den spanischen Niederlanden werden aufgenommen, auch Mennoniten sowie deutsche und portugiesische Juden. Davon zeugt noch heute der Jüdische Friedhof an der Königstraße.

Im Dreißigjährigen Krieg wird Altona zunächst von dänischen Truppen besetzt. Dann von Wallensteins kaiserlichen Soldaten, die monatelang brandschatzen, foltern, vergewaltigen und morden. Viele Einwohner fliehen. Zahlreiche Häuser stehen leer. Wer nicht erschlagen wird, den rafft die Pest dahin.

Altona wird dänisch

Als 1640 der letzte Schauenburger Landesherr stirbt, nutzt der dänische König Christian IV. die Gunst der Stunde und besetzt die Grafschaft Pinneberg, und damit auch Altona. Der Ort gehört fortan zum Herzogtum Holstein, das dem dänischen König ebenfalls untersteht. Die benachbarte Handelsmetropole Hamburg, auf die Dänemark seit Jahrzehnten Anspruch erhebt, soll von hier in ihre Schranken gewiesen, vielleicht sogar erobert werden.

Zeichnung der Stadt Altona im Jahr 1713 vor dem "Schwedenbrand" © Altonaer Museum für Kunst und Kulturgeschichte
Zeichnung der Stadt Altona. Im Nordischen Krieg wird sie 1713 von schwedischen Truppen niedergebrannt.

Allerdings ist Altona noch immer verwüstet. Zahlreiche Häuser stehen leer, in den Buden am Hafen hausen zwielichtige Gestalten, so dass der Amtsvogt an den König melden muss, dass "gar zu oft Mord, Totschlag und andere Exzesse vorgehen". Erst Stadtrecht und Privilegien verbessern nach 1664 die Situation. Die Steuern sind niedriger, die Lebensmittelpreise ebenfalls. Auch Hamburger Bürger ziehen nun nach Altona. Mit 12.000 Einwohnern ist es 1710 nach Kopenhagen die zweitgrößte dänische Stadt. Drei Jahre später brennen schwedische Truppen die meisten Häuser nieder.

Die goldenen Jahre brechen an

Gemälde einer Straßenszene auf dem Altonaer Fischmarkt. © picture alliance Foto: Lothar Heidtmann
Im 18. Jahrhundert floriert die Wirtschaft in Altona - wie hier auf dem Fischmarkt.

Unter dem Oberpräsidenten Christian Detlev von Reventlow gelingt im 18. Jahrhundert der große Aufschwung. Hafenanlagen werden gebaut, Straßen gepflastert, Wohngebiete erweitert, das Rathaus errichtet, ein akademisches Gymnasium (das heutige Christianeum) gegründet. Kaufleute, Reeder und Fischer machen gute Geschäfte. Die Altonaer Flotte wächst derart, dass sie mit rund 300 seetüchtigen Schiffen sogar die Hamburger Konkurrenz überholt.

Die "goldenen Jahre" sind nun angebrochen. Altona wird ein Zentrum der europäischen Aufklärung. Zahlreiche Gelehrte, Künstler und Schriftsteller leben hier, etwa Friedrich Gottlieb Klopstock, der damals berühmteste deutsche Dichter. Ein reicher Kaufmann setzt sich für das Armenwesen ein, der Weltbürger Caspar Voigt. Aus Kopenhagen kommt der Architekt Christian Frederik Hansen, der Villen für die Palmaille und Landhäuser für die Elbvororte entwirft.

Der Altonaer Armenarzt Johann Friedrich Struensee hingegen steigt in Kopenhagen zum Leibarzt des geisteskranken dänischen Königs auf. Er regiert Dänemark zwei Jahre lang mit Generalvollmacht und setzt zahlreiche Reformen um, die Dänemark zum fortschrittlichsten Staat seiner Zeit machen.

1864 endet die dänische Herrschaft

Die deutsch-dänische Symbiose, die in Altona über viele Jahrzehnte zu beiderseitigem Nutzen funktioniert hat, gerät allerdings im 19. Jahrhundert ins Wanken. Die Regierung in Kopenhagen hat Hamburg längst als freie Reichsstadt anerkannt und lässt ihrer südlichen Bastion an der Elbe nun weniger Unterstützung zukommen als früher.

Zudem will der dänische König das mit Holstein eng verbundene Herzogtum Schleswig in den dänischen Staatsverband eingliedern. Die Bevölkerung ist dagegen. So kommt es 1848 zur Erhebung der Schleswig-Holsteiner, an der sich auch Altonaer Freiwillige beteiligen. Aber erst nach dem Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 endet die dänische Herrschaft, nach mehr als 200 Jahren. Altona wird eine preußische Provinzstadt.

Fabriken und Mietskasernen prägen das Stadtbild

Das Schwimmbad im Altonaer Volkspark aus der Luft (historische Aufnahme). © Bildarchiv der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt - Gartendenkmalpflege
Erholung für die Massen: Im Volkspark entstand Anfang des 20. Jahrhunderts ein riesiges Schwimmbad mit mehreren Becken.

Mit der Eingemeindung der von Fabriken und Gewerbebetrieben geprägten Nachbarstadt Ottensen gelingt 1889 der Sprung in das Industriezeitalter. Altona wächst: Um 1900 leben rund 200.000 Menschen in den engen Twieten an der Elbe und den grauen Mietskasernen im Norden der Stadt, rund 8.000 Menschen je Quadratkilometer, mehr als in jeder anderen deutschen Metropole. Die Gartenbauausstellung von 1914 und der im gleichen Jahr begonnene Volkspark sollen Abhilfe schaffen, den Großstädtern Natur und Erholung bieten.

Max Brauer und das "Neue Altona"

So wird denn auch der Grünflächenplan des Bausenators Gustav Oelsner in den 1920er-Jahren zu einem wichtigen Element der Entwicklungspolitik für "die Stadt der Parks an der Elbe", wie damals der Slogan des Stadtmarketing lautet. Oberbürgermeister Max Brauer will eine vorbildliche moderne Großstadt schaffen, das "Neue Altona", und so das Profil gegenüber Hamburg schärfen. Gleichzeitig werden trotz aller Konkurrenz die Verbindungen zwischen den beiden Städten immer intensiver, etwa in der Hafennutzung.

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Altona kommt zu Hamburg

1937 endet die Selbstständigkeit Altonas. Aus der preußischen Elbmetropole wird ein Hamburger Stadtteil. Wenige Jahre später gehen die alten Häuser zwischen Fischmarkt und Rathaus in den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs unter, werden auch Geschäftstraßen, Theater, Kirchen zerstört.

Ein Stadtteil im Wandel

Der Neuaufbau der Nachkriegsjahre reißt so manche neue Wunde. Ende der 1970er-Jahre führen dann Schiffbaukrise und Niedergang der Hochseefischerei zum Verschwinden ganzer Industriezweige, die Altona über Jahrzehnte geprägt haben. Der heutige Stadtteil aber bleibt lebendig, hat sich längst zum Szeneviertel gewandelt und und für die Zukunft bereitgemacht. So sind in der "Neuen Mitte Altona" etwa, ein Quartier auf altem Bahngelände, Tausende von Wohnungen entstanden. Weitere Planungen und Projekte stehen an.


04.09.2024 13:00 Uhr

Hinweis der Redaktion: In einer vorigen Version des Artikels war der Deutsch-Dänische Krieg fälschlicherweise auf das Jahr 1866 datiert. Korrekt ist, dass der Krieg um die Herzogtümer Schleswig und Holstein vom 1. Februar bis 30. Oktober 1864 andauerte. 1866 begann und endete der Deutsche Krieg zwischen Preußen und Österreich. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal Spezial | 26.04.2014 | 19:00 Uhr

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