Vor 100 Jahren: Max Brauer wird Oberbürgermeister von Altona
Am 17. Mai 1924 wurde Max Brauer Oberbürgermeister von Altona. Vor den Nationalsozialisten flüchtete er zunächst ins Exil. Zurück in Hamburg wurde er 1946 Erster Bürgermeister - und trieb den Wiederaufbau der Stadt energisch voran.
Eine der größten Straßen des Stadtteils ist nach ihm benannt, ebenso eine bekannte Schule, eine Stiftung und eine Hafen-Barkasse. Kaum ein Name ist in Hamburg-Altona so allgegenwärtig wie der von Max Brauer. Als Erster Bürgermeister führte er die Stadt von 1946 bis 1953 und von 1957 bis 1961 durch die schwierigen Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaus.
Max Brauer wächst in Armut auf
Max Brauer wird am 3. September 1887 in Ottensen geboren, er ist das achte von 13 Kindern. Die Verhältnisse sind ärmlich, der Vater arbeitet als Glasbläser. "Es war für die ganze Familie ein Kampf mit der Armut. Jeder hatte beizutragen, um das Notwendige für die Familie herbeizuschaffen", erinnerte sich Brauer an seine Kindheit und Jugend. Obwohl begabt und wissenshungrig, folgt Max dem Willen seines Vaters und verlässt als 14-Jähriger die Volksschule, um eine Lehre als Glasbläser zu beginnen. Dabei hatte sich sogar der Rektor der Schule dafür eingesetzt, den Jungen weiter zur Schule zu schicken. "Ich wollte Lehrer werden. Aber an den eisernen Tatsachen scheiterte das alles", so Max Brauer.
Redegewandter Streikführer landet auf schwarzer Liste
Schon als Jugendlicher ist Max Brauer politisch aktiv: 1904 tritt er in die Gewerkschaft ein, 1905 gründet er im vorpommerschen Damgarten, wo er mit seiner Familie mittlerweile wohnt, die erste SPD-Ortsgruppe. Schon bald tut er sich als redegewandter Streikführer hervor, woraufhin ihn die Glasfabrikanten auf eine überregionale schwarze Liste setzen. In seinem erlernten Beruf findet er nun nirgends mehr Arbeit. Brauer verdingt sich als Bau- und Fabrikarbeiter, bis ihn 1909 die Ottenser Genossenschaft Konsum-, Bau- und Sparverein einstellt. Schon bald steigt er dort zum Betriebsleiter auf.
1915 wird Max Brauer im Ersten Weltkrieg an der Hand verletzt und kommt zurück nach Altona. Ein Jahr später heiratet er Erna Pehmöller, mit der er eine Tochter und zwei Söhne hat, von denen einer noch als Kleinkind stirbt.
Im November 1918 zieht er für die Sozialdemokraten in die Stadtverordnetenversammlung von Altona ein, das damals noch zu Preußen gehört - er ist dort der jüngste Senator. 1919 übernimmt er das Amt des zweiten Bürgermeisters und des Stadtkämmerers.
Max Brauer steigt zum Bürgermeister von Altona auf
Am 17. Mai 1924 wird Max Brauer nach dem Tod des bisherigen Amtsinhabers zum Oberbürgermeister von Altona gewählt. Während seiner Regierungszeit vergrößert sich Altona erheblich: Mit dem Groß-Altona-Gesetz werden zahlreiche umliegende Dörfer eingemeindet, darunter Eidelstedt, Blankenese und Rissen. Die Steuern der reichen Elbdörfer fließen nun nach Altona. Max Brauer stößt auch die städtebauliche Entwicklung Altonas an: Die Stadt lässt Arbeitersiedlungen bauen, vor allem durch die 1922 auf Initiative Brauers gegründete Siedlungs-Aktiengesellschaft Altona (SAGA). Es entstehen zudem wichtige öffentliche Bauten wie ein neues Arbeitsamt, eine Stadthalle und ein neues Stadion - der Vorgängerbau der heutigen Fußball-Arena in Bahrenfeld. Mit der Stadt Hamburg handelt Brauer eine Hafengemeinschaft aus - der Altonaer Elbhafen war für die Unternehmen zu klein geworden.
SPD-Politiker Brauer muss vor den Nazis ins Ausland fliehen
Mit der weltweiten Wirtschaftskrise ab 1929 und der folgenden Massenarbeitslosigkeit gewinnen die Nationalsozialisten auch in Altona an Zulauf. Immer offener provozieren sie auch in traditionell "roten" Stadtteilen. Ihre Provokationen gipfeln am 17. Juli 1932 im Altonaer Blutsonntag, bei dem 18 Menschen sterben.
Nach der Machtübernahme der Nazis 1933 gerät Max Brauer als führender Politiker der Sozialdemokraten schnell in die Schusslinie der Nationalsozialisten: Sie bezichtigen ihn der Korruption. In einem Gerichtsverfahren wird Brauer freigesprochen, doch die Repressionen gehen weiter. Nur knapp entgeht Max Brauer einer Verhaftung und flieht über Österreich und die Schweiz nach Paris.
Über China und Frankreich in die USA
Über alte sozialdemokratische Kontakte erhält Max Brauer einen Auftrag des Völkerbundes. Er soll ins chinesische Nanking reisen, dem Sitz der Regierung Chiang Kai-shek. In China erarbeitet er Vorschläge für den Aufbau der Verwaltung sowie für Hilfsmaßnahmen im schulischen und sozialfürsorgerischen Bereich. Ein Jahr später ist er zurück in Frankreich. Dort droht ihm nun die Auslieferung nach Deutschland - die deutschen Behörden haben ein entsprechendes Ersuchen gestellt. Max Brauer entschließt sich, mit seinem Sohn in die USA überzusiedeln. Frau und Tochter folgen ihnen. 1943 nimmt Max Brauer die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an.
Rückkehr aus dem Exil ins zerstörte Hamburg
Nach dem Krieg reist Max Brauer 1946 als Abgesandter des amerikanischen Gewerkschaftbundes (AFL) nach Hamburg. Die Stadt ist durch Bombenangriffe und Feuersturm in weiten Teilen zerstört. "Da standen wir nach langen Jahren der Emigration vor unserer Vaterstadt und sahen das erschütternde Bild unüberschaubarer Ruinen", erinnerte sich Max Brauer später an die ersten Eindrücke. Für den energischen Sozialdemokraten dennoch kein Grund zum Verzweifeln, sondern zum Handeln.
Wahl zum Ersten Bürgermeister Hamburgs
Schnell hat er Kontakte zur Hamburger SPD geknüpft und wird wenig später als Kandidat für die Bürgermeisterwahl 1946 nominiert. Um den Weg zum Amt freizuräumen, nimmt er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft an und gibt die amerikanische auf. Am 22. Oktober 1946 wählt ihn die Bürgerschaft zum Ersten Bürgermeister der Hansestadt.
Kultur im Tausch gegen Kohle
Mit seinem zupackenden, mitunter autoritären Führungsstil ist Max Brauer genau der richtige Mann für die schwierigen Nachkriegsjahre. Mit aller Kraft treibt er den Wiederaufbau der Stadt voran. Bis zu 15.000 Wohnungen werden jährlich errichtet, unter anderem entstehen die bekannten Grindelhochhäuser. Um die Versorgung der Bevölkerung mit Kohle zum Heizen im Winter 1946/47 sicherzustellen, handelt er gemeinsam mit Hamburger Theater-Intendanten eine Art Tauschgeschäft mit dem Ruhrgebiet aus: Die Hamburger erhalten Waggons voller Kohle, dafür fahren Hamburger Künstler im Sommer ins Ruhrgebiet und geben Theateraufführungen. Auch die Hamburger Wirtschaft kommt wieder in Gang. 1949 erreicht Max Brauer von den USA die völlige Freigabe des Schiffbaus und der Schifffahrt in Deutschland.
Zwangspause vom Bürgermeisteramt
Trotz weithin sichtbarer Erfolge wächst innerhalb der SPD der Widerstand gegen den Bürgermeister. Er gilt vielen als stur, selbstherrlich und zu dominant. Bei den Bürgerschaftswahlen 1953 unterliegen die Sozialdemokraten knapp einem Mehrparteienbündnis aus CDU, FDP und weiteren Parteien. Der sogenannte Hamburg-Block kommt auf genau 50 Prozent der Stimmen. Brauer, der sich seiner Wiederwahl sicher war, weigert sich zunächst, zurückzutreten, und beugt sich erst einem konstruktiven Misstrauensvotum.
Doch schon vier Jahre später ist Max Brauer wieder im Amt, die SPD erhält bei den Bürgerschaftswahlen 1957 die absolute Mehrheit. Es ist verabredet, dass er nach der Hälfte der Regierungszeit das Amt des Ersten Bürgermeisters an seinen Nachfolger Paul Nevermann abgibt. Doch es dauert etwas länger, bis sich Brauer von der Macht trennen kann. Erst im Dezember 1960 gibt er sein Amt an Paul Nevermann ab. Bei seinem Abschied verleiht ihm die Universität Hamburg die Ehrendoktorwürde, die Bürgerschaft ernennt ihn zum Ehrenbürger.
Einzug in den Bundestag
Nach seinem Rückzug aus dem Hamburger Rathaus bleibt Brauer politisch aktiv. Bereits ab 1958 macht er sich überregional einen Namen als Sprecher der Bewegung "Kampf gegen den Atomtod", die sich gegen eine atomare Bewaffnung der Bundesrepublik einsetzt. 1961 zieht Brauer als Abgeordneter in den Bundestag ein. Bei den darauf folgenden Bundestagswahlen 1965 erhält er keinen aussichtsreichen Listenplatz mehr - enttäuscht zieht sich der mittlerweile 78-Jährige aus der Politik zurück. Am 2. Februar 1973 stirbt Max Brauer im Alter von 85 Jahren. Seine letzte Ruhestätte findet er auf dem Hauptfriedhof Altona.