Als die Schweden Altona niederbrannten
Die Flammen schlagen meterhoch aus allen Häusern. Menschen fliehen verzweifelt vor dem Inferno. Der Nachthimmel färbt sich feuerrot über Altona. Kaum jemand wagt, sich den Flammen entgegenzustellen. Doch nicht aus Angst vor dem Feuer - die Menschen werden mit Gewalt am Löschen gehindert! Überall sind fremde Soldaten, die das Flammenmeer bewachen. Ihr Anführer, der schwedische General Graf Magnus Stenbock, hat den Befehl gegeben, Altona zu vernichten. 24 Stunden später liegen 70 Prozent der Gebäude in Schutt und Asche. Die schreckliche Nacht vom 8. auf den 9. Januar 1713 geht als "Schwedenbrand" in die Stadtgeschichte ein.
Von 1.800 Gebäuden bleiben 500
"Es ist nichts mehr übrig vom damaligen Altona, nichts." Wolfgang Vacano kennt sich bestens aus in dem Hamburger Stadtteil, der früher zu Dänemark gehörte. Vacano leitet das Altonaer Stadtarchiv. In der Vereinszeitschrift "Mien leeves Altona" sind zwei alte Zeichnungen abgedruckt, die Altona vor und nach dem "Schwedenbrand" zeigen. Rund 1.800 Häuser und Hütten umfasst die Stadt Anfang 1713. Altona ist mit etwa 12.000 Einwohnern nach Kopenhagen die zweitgrößte dänische Stadt. Als das Feuer vorüber ist, stehen nur noch 500 Gebäude. Heute - im Jahr 2013 - erinnert in Altona fast nichts mehr an die verhängnisvolle Nacht. "Es gibt kein Denkmal", sagt Vacano. Lediglich ein Gemälde im Kollegiensaal des Altonaer Rathauses zeugt vom "Schwedenbrand".
Ein Schachzug im Machtspiel der Königshäuser
Das Feuer, das Tausenden Menschen mitten im Winter die Wohnung raubt, ist im Spiel der Mächtigen nur ein Schachzug. Und es geht um Rache, Feigheit und die Erpressung der Nachbarstadt Hamburg: Anfang des 18. Jahrhunderts tobt in Nordeuropa ein furchtbares Kräftemessen der Königshäuser - der Große Nordische Krieg. Schweden und Dänen ringen um die Vorherrschaft im Ostseeraum. Ende 1712 hat der schwedische General Stenbock für sein Land eine große Schlacht gewonnen. Nach dem Gemetzel von Wakenstädt in Mecklenburg zieht er mit seinen Truppen marodierend übers Land. Als sich die Schweden auf Altona zu bewegen, bricht dort Angst aus. Zwar lässt Stenbock verbreiten, dass es keine Plünderungen geben soll. Doch erst vor kurzem haben dänische Truppen das schwedisch regierte Stade verwüstet. Wollen die Schweden Vergeltung?
Die Stadtoberen bringen sich in Sicherheit
Altonas reiche Magistraten retten ihr Hab und Gut - sie fliehen, statt sich den heranrückenden Schweden zu ergeben. Und damit tun sie genau das Gegenteil von dem, was Stenbock fordert. Kevin Axt, Leiter des Altonaer Hafenarchivs, zeigt eine Kopie der Schrift, die der Schweden-General damals verbreiten lässt. Darin verlangt Stenbock, sich keinesfalls mit den von seinen Truppen benötigten Gütern aus dem Staube zu machen: "Widrigen Falles wird Niemanden befremden / wann die ledig gelassenen Häuser und Höfe / nach üblichem Gebrauch in dergleichen Fällen / verbrannt / verwüstet und verheeret werden."
Unfähige Unterhändler
Am 7. Januar dringen die Schweden in Altona ein. Die Bürger bestimmen vier Männer, die sie an Stelle der getürmten Stadtoberen vertreten sollen. Doch sie sind offensichtlich nicht in der Lage, dem siegreichen Feldherren einen befriedigenden Empfang zu bereiten. Die Schweden bekommen kein ausreichendes Quartier, Essen und Futter für ihre Pferde. Am 8. Januar hält Graf Stenbock selbst Einzug. Als seine Kutsche an einer vereisten Stelle zum Halt kommt, nutzt der Pastor der Dreifaltigkeitskirche die Gelegenheit, Stenbock um Gnade für Altona zu bitten: "Und also denen Einwohnern und ihren späten Nachkommen Gelegenheit geben / mehr dero Clemence [französ. Gnade] zu preisen als Ihr. Strenge zu beklagen." Statt darauf einzugehen, fordert der General erneut Lebensmittel für seine Soldaten. Dazu kann wiederum der Pastor nichts sagen, obwohl er zur Verhandlungskommission gehört. Stenbocks Laune wird immer schlechter.
- Teil 1: Von 1.800 Gebäuden bleiben 500
- Teil 2: Ein folgenschwerer Abstecher nach Hamburg