Ostsee wird immer wärmer, Hering leidet stark
Seit Jahrzehnten wird die Ostsee immer wärmer. In den letzten 30 Jahren ist die Durchschnitttemperatur um 1,9 Grad gestiegen. Was das für die Fische unter Wasser bedeutet, damit befasst sich das Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock.
Christopher Zimmermann leitet das Institut. Er sorgt sich vor allem um den Hering der westlichen Ostsee, also dem Brotfisch der Fischer hierzulande. Der Experte geht auf wissenschaftliche Erkenntnisse ein, die seit vergangenem Jahr eindeutig und klar sind. "Durch die Temperaturerwärmung an bestimmten Stellen der Ostsee und zu bestimmten Zeiten gerät das Gesamtgefüge der Nachwuchsproduktion dieses Heringsbestandes aus dem Lot." Seit 15 Jahren produziert der Hering der westlichen Ostsee immer weniger Nachwuchs. Nun wissen die Forscher, woran das genau liegt, nämlich vor allem an den zunehmend milden Wintern. Der Hering der westlichen Ostsee laicht vor allem im Greifswalder Bodden. Christopher Zimmermann verdeutlicht das Problem: "Der Laich entwickelt sich schneller bei höheren Temperaturen als bei niedrigen Temperaturen. Am Ende schlüpfen deutlich früher kleine, hungrige Larven als das noch vor 30 Jahren der Fall war."
Heringslarven verhungern
Diese Heringslarven fressen wiederum Kleinkrebslarven. Und die wiederum werden nur gebildet, wenn ihre Eltern ausreichend Nahrung finden. Das sind einzellige Wasserpflanzen, genannt Phytoplankton. "Und das wird lichtgesteuert produziert. Das heißt: Die Produktion der Nahrung der Heringslarven ist immer noch an der gleichen Stelle. Aber die Heringslarven treten plötzlich früher auf. Und so kriegen am Ende die allerletzten Heringslarven die allerersten Nahrungsorganismen zu fressen. Und der große Teil der Heringslarven, der viel zu früh geschlüpft ist, verhungert."
Klimawandel kann nicht kurzfristig gestoppt werden
Den Klimawandel kurzfristig beeinflussen, geht nicht. Christopher Zimmermann hat trotzdem eine Idee, um dem Hering schnell helfen zu können. Er empfiehlt, dass viel weniger Nährstoffe in den Greifswalder Bodden gelangen. Denn eine überdüngte Ostsee sorgt dafür, dass sich kleine, fädige Algen explosionsartig vermehren. Das ist wissenschaftlich belegt. "Und diese Algen überwachsen die Laichkräuter, auf denen die Heringe eigentlich ihre Eier ablegen. Die Algen produzieren zudem eigiftige Stoffe. Und sie fördern gleichzeitig noch die Anwesenheit von Seestichlingen, die wiederrum Eiräuber sind."
Mecklenburg-Vorpommern braucht ein integriertes Küstenmanagement
Der Meeresbiologe schlägt als Lösung ein integriertes Küstenmanagement vor, dass die Landseite miteinschließt. Die Politik sei gefragt, so Zimmermann. Er zeigt auf, dass das Heringslaichgebiet im Inneren von Mecklenburg-Vorpommerns Gewässern liegt. "Und der wesentliche Nährstoffeintrag kommt auch aus Feldern in Mecklenburg-Vorpommern". Zimmermann blickt da auf das Landwirtschaftsministerium. "Es hätte die meisten Handlungsmöglichkeiten. Aber natürlich ist die Düngeverordnung eine Bundesverordnung, die europaweit abgestimmt ist. Also das Bundesministerium hat da genauso Anteil." Der Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei wünscht sich da mehr Mut für Maßnahmen, die bewirken, dass weniger Nährstoffe in die Ostsee gelangen. "Die Küstenfischerei ist Teil der kulturellen Identität, wir sollten alles tun um sie zu erhalten."