Leben mit Schmerzschrittmacher: Vor- und Nachteile
Ein Schmerzschrittmacher kann chronische Schmerzen erheblich lindern. Nebenwirkungen wie Kribbeln können auftreten, sind mittlerweile aber selten. Die Kosten übernimmt die Krankenkasse.
Zwölf Millionen Menschen in Deutschland leiden unter chronischen Schmerzen, die sich als Brennen, Stechen, Ziehen, Kribbeln oder Missempfindungen äußern können. Wenn konservative Optionen wie multimodale Schmerztherapien ausgereizt sind und die Patientinnen und Patienten als austherapiert gelten, kann die Implantation eines Rückenmarkstimulators - auch Schmerzschrittmacher oder Neurostimulator genannt - helfen.
Schmerzschrittmacher: Grad der Behinderung unerheblich
Ausschließlich Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen kommen für die Therapie durch Neurostimulation infrage - das können chronische Rücken-, Arm-, Nacken- oder Beinschmerzen sowie Phantomschmerzen und Nervenschäden sein. Auch bei der peripheren Verschlusskrankheit, der Schaufensterkrankheit, bei Neuralgie, Morbus Sudeck oder Polyneuropathie bietet sich das Einsetzen eines Rückenmarkstimulators an. Ob wegen eines Krankheitsbildes bereits ein Grad der Behinderung vorliegt oder nicht, spielt keine Rolle.
Bei den betroffenen Personen ist das Schmerzempfinden herabgesetzt - das komplexe System aus Reizen, deren Übertragung und Verarbeitung ist aus dem Takt. Die Schmerzen entstehen durch geschädigte Nerven, die zu viele Schmerzsignale ans Gehirn weiterleiten. Die Patientinnen und Patienten haben meist einen langen Weg hinter sich, auf dem sich keine Besserung eingestellt hat: weder durch Medikamente, Physiotherapie oder Operationen.
Das bewirkt ein Schmerzschrittmacher im Körper
Ein Schmerzschrittmacher ist ähnlich aufgebaut wie ein Herzschrittmacher: Er ist ein kleines Gerät, das an Elektroden gekoppelt ist, die bestimmte Nerven daran hindern, die Schmerzinformation an das Gehirn weiterzuleiten. Das Gerät erzeugt durch Strom Impulse, die von den Elektroden an die Nerven am Rückenmark übertragen werden. Die Elektroden befinden sich nicht im Rückenmark, sondern darauf, was das Risiko von Rückenmarkschäden ausschließt. Indem der Schrittmacher verhindert, dass die Schmerzinformation ins Gehirn gelangt, werden die Schmerzen abgeschwächt oder ganz unterbrochen. Eine sogenannte Neuromodulation findet statt.
Schmerzschrittmacher: So funktioniert die Operation
Bevor ein Neurostimulator eingesetzt werden kann, muss geklärt werden, ob das Verfahren für die interessierte Person infrage kommt. Dafür führt das Fachpersonal in der Neurochirurgie ausführliche Vorgespräche und Untersuchungen durch. Nur wer belegen kann, dass keine Therapie dauerhafte Schmerzlinderung gebracht hat und keine akute Ursache für die Schmerzen vorliegt, kommt für den Eingriff infrage.
Der Rückenmarkstimulator ist etwa so groß wie eine EC-Karte. Das Einsetzen des Geräts ist eine minimalinvasive Operation, die in zwei Etappen durchgeführt wird.
Bei der ersten Operation unter Vollnarkose werden zwei dünne Elektroden in den Spinalkanal implantiert - am Hinterstrang des Rückenmarks. Zunächst werden die Patientinnen und Patienten mit einem externen Schrittmacher verbunden, der sich noch außerhalb des Körpers befindet. Wenn sich die Schmerzen in der ein- bis zweiwöchigen Testphase um mindestens die Hälfte reduzieren, wird in einer zweiten Operation der Schrittmacher selbst unter Lokalanästhesie eingesetzt - an einer Stelle, die für die betroffene Person am angenehmsten ist.
Kosten und Modelle von Schmerzschrittmachern
Je nach Bedarf gibt es unterschiedliche Modelle. Welches ausgewählt wird, hängt vom jeweiligen Krankheitsbild ab. Technisch unterscheidet man vor allem zwischen zwei Modellen: den SCS-Systemen (englisch: spinal cord stimulation) und den DRG-Modellen (englisch: dorsal root ganglion). Im Gegensatz zum SCS-System, das breiter auf das Rückenmark wirkt, ist das DRG-System darauf ausgerichtet, sehr präzise und gezielt Schmerzsignale von spezifischen Nervenbahnen zu unterbinden. Stimmen die Ärzte einem Eingriff zu, übernehmen die Krankenkassen die Kosten.
Schmerzen um bis zu 90 Prozent verringert
Laut Studien verschwinden die Schmerzen beim Großteil der Patienten nicht komplett, verringern sich aber um 70 bis 90 Prozent, sodass deren Lebensqualität wieder erheblich steigt. Für viele Betroffene ist dank der geringeren Schmerzen ein Teilnehmen am Alltag nach langer Zeit wieder möglich.
Je nach Hersteller funktionieren die Schmerzschrittmacher etwas anders: Manche kann man aufladen, andere haben Batterien, die je nach Modell alle fünf bis 15 Jahre getauscht werden müssen. Einige Schmerzschrittmacher werden über eine Art Fernbedienung gesteuert, andere über eine App auf dem Handy, über die die Patienten selbst Programm und Stärke regulieren können.
Nebenwirkungen und Risiken eines Schmerzschrittmachers
Der Eingriff gilt als risikoarm: Das Rückenmark selbst wird nicht verletzt oder Nerven durchtrennt. Sind Patientinnen und Patienten mit dem Schmerzschrittmacher nicht zufrieden, kann das Einsetzen wieder rückgängig gemacht werden. Andere Organe, wie Nieren oder Leber, werden nicht beeinträchtigt. Jahrelanges Einnehmen von Schmerzmitteln hingegen kann hohe Nebenwirkungen mit sich bringen.
Wie bei jedem Eingriff kann es in seltenen Fällen zu Infektionen kommen. Die Elektroden können verrutschen oder zerbrechen, dann müssen sie neu fixiert werden. Bei älteren Geräten kam es häufig zu einem Kribbeln durch eine Unterstimulation. Mittlerweile wurden die Stimulatoren so weiterentwickelt, dass solche Effekte nicht mehr auftreten.
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