Ingwer: Welche gesunde Wirkung hat die Heilpflanze?

Stand: 30.05.2024 15:43 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Ingwer ist gesund und verdauungsanregend. Seine Wirkung gegen Entzündungen, Schmerzen, Übelkeit und mehr macht ihn zu einer beliebten Heilpflanze - frisch wie getrocknet, als Tee, Shot oder Kapsel.

von Britta Probol

Ingwer (Zingiber officinale) ist populär in der Küche, aber auch als natürliches Arzneimittel und Heilpflanze. Als aromatischer Tee oder Shot, eingenommen als Tablette oder Tropfen oder auch äußerlich angewendet als Wickel soll die gelbe Wurzel unter anderem gegen Übelkeit wirken, bei Erkältungen und Verdauungs- oder Menstruationsbeschwerden helfen, den Stoffwechsel anregen sowie Schmerzen und Erschöpfungszustände lindern. Seit Jahrhunderten wird Ingwer in der traditionellen Medizin verwendet. Doch was ist Mythos, was ist erwiesen? Welche Inhaltsstoffe der tropischen Gewürzpflanze sind für die gesundheitliche Wirkung verantwortlich? Gibt es auch Nebenwirkungen - und kann man Ingwer überdosieren?

Inhaltsstoffe: Was Ingwer so wirksam macht

Die gesundheitsfördernden Wirkungen des Ingwers gehen nach aktuellem Forschungsstand auf seine sekundären Pflanzenstoffe zurück. Die Ingwerwurzel enthält im rohen Zustand verschiedene ätherische Öle - vor allem Zingiberen, das Ingwer die typisch fruchtige Geschmacksnote verleiht. Für die feurige Schärfe sind die beiden gelben Flüssigkeiten Gingerol und Shogaol verantwortlich, eng verwandte Scharfstoffe. Beim Erhitzen oder Trocknen des Ingwers verändern sich ihre Anteile: Aus Gingerol bildet sich dann vermehrt Shogaol, welches deutlich schärfer ist. Außerdem entsteht dabei das süßlich-scharfe Zingeron (Vanillylaceton), ein Stoff mit entzündungshemmendem Potenzial, wie Laborstudien gezeigt haben.

Tee, Kapseln, Pulver: Wie entfaltet Ingwer am besten seine Wirkung?

Die Scharfstoffe wie auch die ätherischen Öle des Ingwers wirken nicht nur auf der Zunge, sondern im gesamten Verdauungstrakt und auch durch die Haut hindurch. Das macht Ingwer zu einer sehr vielseitigen Heilpflanze. Seine gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe sind in der frischen Wurzel wie auch im Gewürzpulver enthalten - frisch hat er mehr ätherische Öle, getrocknet mehr Scharfstoffe. Wer die gesundheitlichen Vorteile für sich nutzen möchte, kann Ingwer in Speisen und Getränken genießen, anstatt Pillen zu schlucken, die eventuell nutzlose weitere Inhaltsstoffe enthalten. Vom Aroma her ist die frische Wurzel kaum zu überbieten - das Gewürzpulver allerdings ist lange haltbar und ohne Schälen und Zerkleinern gebrauchsfertig, was seine Anwendung im Alltag erleichtert. Ingwerpräparate wie Kapseln können eine Alternative sein für Menschen, die den Ingwergeschmack nicht mögen.

Ingwer wirkt gut gegen Reiseübelkeit und Brechreiz

Lange bekannt ist Ingwer für seine Wirkung gegen die Reisekrankheit, also gegen Übelkeit (Brechreiz), die manche Menschen auf See, im Flugzeug oder bei einer Autofahrt verspüren. Zahlreiche Studien bescheinigen dem Ingwer hier positive Effekte. Kurz vor oder spätestens unmittelbar bei Reiseantritt sollten Betroffene mit der Ingwertherapie beginnen. Wer ihn roh mag und verträgt, kann ein bis zwei Scheiben (etwa 2 Gramm) frischen Ingwer kauen. Alternativ funktioniert auch ein Aufguss: Ingwerscheibchen entweder mindestens sechs Minuten in heißem oder über Nacht in kaltem Wasser ziehen lassen, den Aufguss über die Reisezeit verteilt trinken. Eine andere Möglichkeit ist die Einnahme von Ingwerpulver als Arznei (Tagesdosis: 1 bis 1,5 Gramm). Manchmal hilft auch schon das Lutschen von Ingwer-Bonbons.

Ingwer gegen Übelkeit in Schwangerschaft oder bei Chemo?

Manche Studien deuten auf positive Effekte des Ingwers auch bei Schwangerschaftsübelkeit und Brechreiz nach Medikamentengabe (etwa nach OPs oder im Rahmen einer Chemotherapie) hin. Andererseits ist bisher nicht geklärt, ob hoch dosierter Ingwer sich möglicherweise negativ auf die Schwangere oder das Ungeborene auswirken kann. Daher empfehlen Experten Schwangeren allenfalls Ingwertee (in Maßen) und keine stärkeren Präparate. Auch die Studienlage zur Wirksamkeit von Ingwer gegen medikamentös verursachte Übelkeit ist uneinheitlich. Einige Studien deuten darauf hin, dass Ingwerpräparate bei Übelkeit durch eine starke Chemotherapie lindernd wirken können, der Nutzen ist jedoch nicht ausreichend erwiesen.

Ingwerpräparate sollten aber nicht mit sogenannten 5HT3-Antagonisten wie dem Anti-Brechmittel Ondansetron kombiniert werden. In der Forschung wird vermutet, dass sich die Ingwer-Scharfstoffe an dieselben Rezeptoren binden und damit nicht nur die gewünschten Effekte, sondern auch die unerwünschten Nebenwirkungen verstärken können. 

Hemmt Entzündungen und stärkt das Immunsystem bei Erkältungen

Gerade in der kalten Jahreszeit greifen viele Menschen zu Ingwer als Tee oder zu einem Ingwer-Shot, also Fruchtsaft mit Ingwerauszug. Den aromatisch-scharfen Getränken wird eine vorbeugende Wirkung bei Erkältungen zugesprochen. Tatsächlich ist nachgewiesen, dass Gingerole und Shogaole stark antioxidativ und entzündungshemmend wirken. Die Ingwer-Scharfstoffe stimulieren das Immunsystem: In Laborversuchen konnte ein Team vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie zeigen, dass schon geringe Mengen Gingerol weiße Blutkörperchen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen, sodass die Immunzellen verstärkt auf eine bakterielle Infektion reagieren können.

Immunstärkendes Vitamin C enthält Ingwer zwar auch, aber nicht besonders viel. Zur noch besseren Aktivierung der Abwehrkräfte lässt sich Ingwer in Shots oder als Anti-Erkältungs-Tee daher gut mit Zitrusfrüchten kombinieren. Vorsicht: Gekaufte Ingwer-Shots enthalten oft nur wenig gesunde Scharfstoffe aus dem Ingwer, dafür viel Zucker, warnt Stiftung Warentest.

Gelenke, Muskeln, Menstruation: Ingwer kann Schmerzen linden

Ingwer hat nachgewiesen schmerzlindernde (analgetische) Eigenschaften. Ingwertee oder -pastillen werden oft als wohltuend bei Halsschmerzen empfunden. Darüber hinaus kamen verschiedene klinische Studien zu dem Schluss, dass der Verzehr von Ingwer die Intensität von Gelenkschmerzen, etwa bei Arthrose, und von Muskelschmerzen nach intensiver körperlicher Aktivität reduzieren kann. In anderen Untersuchungen zeigte sich, dass die Scharfstoffe aus dem Ingwer Regelschmerzen und -krämpfe lindern helfen. In vielen dieser Studien reichte bereits weniger als 1 Gramm Ingwerextrakt oder -pulver, um einen Effekt zu erzielen - eine Dosierung, die sich auch mit frischem Ingwer in einem Gericht oder Getränk leicht erreichen lässt.

Ingwer gegen Erschöpfung und zur Vitalisierung

Scharfstoffe reizen die Wärmerezeptoren - im Mund-Nasen-Rachenraum genauso wie beim Kontakt mit der Haut. Der Körper reagiert darauf mit einer Erhöhung der Durchblutung und einer Erwärmung des Gewebes. Diese anregende und durchblutungsfördernde Wirkung entfaltet Ingwer bei innerlicher wie bei äußerer Anwendung. So kann man sie sich auch für Wickel zunutze machen. Ein Ingwer-Nierenwickel eignet sich besonders für Menschen mit Erschöpfungszuständen, etwa durch Krebserkrankungen oder Post Covid. In der Naturheilkunde findet der Nierenwickel auch bei Stress und seelischer Unausgewogenheit Anwendung.

So wird ein Ingwer-Nierenwickel hergestellt:

  • Kompressen (zum Beispiel Mulltücher) mit warmem Wasser anfeuchten
  • Ingwerpulver darauf verteilen (Fläche je etwa handtellergroß)
  • Wickel in der Nierenregion platzieren, gut mit einem Handtuch abdecken und fixieren
  • in ein Tuch eingewickelt etwa 20 bis 30 Minuten ruhen
  • anschließend die Haut mit einer reichhaltigen Creme pflegen, da die Scharfstoffe des Ingwers sie reizen können

Mythos: Abnehmen mit Ingwer

Es stimmt zwar, dass Ingwer im Körper eine wärmende Wirkung entfaltet. Aber beschleunigen die Scharfstoffe damit spürbar den Stoffwechsel und die Fettverbrennung, wie manche Meldungen versprechen? Aussagekräftige Studien dazu gibt es bisher nicht. In keiner der wenigen kleinen Untersuchungen erreichten die Teilnehmer einen nennenswerten Gewichtsverlust.

Ingwer gegen Krebs, Diabetes, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen?

Zwar haben schon einige Laborstudien gezeigt, dass das im Ingwer enthaltene Shogaol krebshemmende Eigenschaften besitzt. Dennoch ist die Beweislage für die Wirksamkeit bei der Prävention und Behandlung von Krebs nicht ausreichend, es fehlen groß angelegte klinische Studien.

Einige Studien legen nahe, dass Ingwer helfen kann, den Blutzuckerspiegel zu senken und die Insulinempfindlichkeit zu verbessern, was für Diabetiker von Vorteil sein könnte. Auch zeigen Untersuchungen, dass Ingwer potenziell den Blutdruck senken und den Cholesterinspiegel verbessern kann. Die Effekte und die Wirkmechanismen sind allerdings noch nicht ausreichend erforscht. Da offenbar aber Zusammenhänge zwischen Ingweraufnahme und Blutzuckerregulierung bestehen, sollten sich Menschen mit Diabetes, die Ingwer schon regelmäßig mit der Nahrung zu sich nehmen, lieber vorsichtshalber von hochdosierten Ingwerpräparaten fernhalten, um Nebenwirkungen zu vermeiden.

Fazit: Für wen ist Ingwer gut, für wen nicht?

Ingwer hat viele positive Wirkungen. In normalen Mengen - etwa in asiatischen Gerichten - ist er für die meisten Menschen gut verträglich. Mit seiner immunstimulierenden Wirkung leistet Ingwer einen wichtigen Beitrag zu einer entzündungshemmenden Ernährung. Ingwer fördert die Magenentleerung und regt offenbar die Gallensaftbildung an. Tee ist die mildeste Form, auf viele Menschen wirkt Ingwertee anregend und verdauungsfördernd. Magenempfindliche Personen sollten bei der Ingwer-Dosierung vorsichtig sein, um die Schleimhaut nicht zu reizen. Bei akutem Sodbrennen ist es besser, auf Ingwer zu verzichten.

Höhere Dosen, beispielsweise in Nahrungsergänzungsmitteln, könnten möglicherweise das Blutungsrisiko erhöhen. Die Studienlage ist nicht eindeutig, aber Menschen, die Gerinnungshemmer nehmen (Blutverdünner wie Warfarin, Aspirin), und auch Menschen mit Diabetes sollten vorsichtig sein und vor der dauerhaften Einnahme von Ingwerpräparaten ärztlichen Rat einzuholen.

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NDR Fernsehen | Visite | 04.06.2024 | 20:15 Uhr

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