Grippe-Impfung auch für Kinder?
Viele Menschen leiden derzeit unter Atemwegserkrankungen. Vor allem die Influenza, die saisonale Grippe, ist auf dem Vormarsch. Wie sinnvoll ist es, Kinder impfen zu lassen und was empfiehlt die Stiko?
Typische Grippesymptome sind - ähnlich wie bei Erwachsenen - auch bei Kindern Fieber, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen. Häufig dauert die Erkrankung bei ihnen acht bis neun Tage. Circa zwei Drittel aller Kinder, die sich mit dem Influenzavirus anstecken, erkranken ein bis zwei Tage später. Ein Drittel entwickelt keine Symptome, ist aber trotzdem ansteckend.
Kinder stecken häufig die Eltern an
Das sei auch deshalb problematisch, weil es dadurch bei Eltern vermehrt zu Erkrankungen und Arbeitsausfällen komme, sagt die Vorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Hamburg, Claudia Haupt. Außerdem seien die Arztpraxen auf Grund von saisonalen Krankheiten wie Bronchitis und Mittelohrentzündung bereits überlastet. Die Influenza komme nun für die Praxen erschwerend hinzu.
Grippewelle: 2022 besonders früh
Normalerweise beginnt die Influenza-Welle erst im Januar, dieses Jahr startete sie bereits im Oktober. Dass diese Welle anders verläuft als die Wellen vor der Pandemie, zeigen auch Beobachtungen aus Ländern, die den Winter in diesem Jahr schon hinter sich haben, zum Beispiel Australien. Dort begann die Grippewelle ebenfalls früher als in den Jahren zuvor, sie verlief stärker, war aber auch früher beendet.
Immunitätslücke durch Corona-Pandemie?
Dass die Influenza-Wellen während der Pandemie weniger heftig ausfielen, liegt wahrscheinlich an den Anti-Corona-Maßnahmen wie Maske tragen und Abstand halten, vermuten Expertinnen und Experten. Während der Covid-Pandemie hat sich so auch die Influenza weniger verbreitet, vermutlich ist es dadurch zu einer Immunitätslücke gekommen. Das Immunsystem habe in dieser Zeit weniger Kontakt zu Influenzaviren gehabt, erklärt Martin Terhardt, Stiko-Mitglied und Kinderarzt aus Berlin. Vor allem jüngere Kinder scheinen darunter zu leiden. Allerdings werde bei gesunden Kindern nur sehr selten ein schwerer Verlauf beobachtet, so Terhardt.
Stiko: Kinder-Impfung nur bei Vorerkrankungen
Gefährdet sind dagegen Kinder mit Vorerkrankungen. Häufig seien diese Kinder aber geimpft, erklärt Kinderärztin Haupt. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Impfung allen Menschen, also auch Kindern, mit Grundleiden wie zum Beispiel chronischen Krankheiten der Atmungsorgane, Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes.
Claudia Haupt empfiehlt im Moment, auch Kinder ohne Vorerkrankung zu impfen. Und auch Terhardt rät Eltern eher zu als ab. Dabei gehe es nicht nur um den Schutz der Kinder und Eltern, sondern auch darum, ältere Personen und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen. Denn je mehr Menschen geimpft sind, desto weniger verbreitet sich das Virus. Am sinnvollsten sei es, möglichst viele Menschen gegen das Virus zu impfen, damit eine Herdenimmunität entstehe und das Virus sich nicht weiter verbreiten könne.
Keine allgemeine Grippe-Impfempfehlung für Kinder
Bisher hat die Stiko noch keine allgemeine Grippe-Impfempfehlung ausgesprochen. Da die Impfung im Herbst erfolgen sollte, käme eine solche Empfehlung für diese Saison auch bereits zu spät. Die Stiko hat bereits vor einigen Jahren über eine allgemeine Impfempfehlung für die Influenza beraten. Das Gremium entscheidet dabei anhand der Studienlage. Diese ist bei der Influenza schwer zu beurteilen, weil die Wirksamkeit der Impfstoffe in jeder Saison unterschiedlich ist und auch die Schwere der Erkrankung je nach Virusvariante schwankt.
Derzeit keine Beratungen über Kinder-Impfung
Trotz der aktuellen Grippewelle berät die Stiko derzeit nicht über eine allgemeine Influenza-Impfung, erklärt Fred Zepp, Professor für Kinder- und Jugendmedizin in Mainz und ebenfalls Stiko-Mitglied. Denn obwohl aktuell mehr Fälle auftreten als zwischen 2009 und 2019: Kinder und Jugendliche litten nicht häufiger unter schweren Verläufen, so Zepp. Insofern ergebe sich für die Stiko hinsichtlich einer allgemeinen Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche keine grundsätzliche Veränderung der Situation. Hinzu komme die schwankende Wirksamkeit der Impfstoffe von Saison zu Saison.
Stiko: Schwangere sollten sich gegen Grippe impfen lassen
Die Stiko spricht sich aber dafür aus, dass schwangere Frauen sich im zweiten oder dritten Schwangerschafts-Drittel impfen lassen - zum einen als Selbstschutz, zum anderen, damit Säuglinge so den Nestschutz erhalten. Denn Kinder sind laut Robert-Koch-Institut im ersten Lebensjahr stärker gefährdet, unter einem schweren Verlauf zu leiden.
Grippe-Impfstoffe für Kinder
Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Impfung mit dem Totimpfstoff auch bei Kindern. Kinder bis etwa neun Jahre, die zuvor noch nicht gegen die Grippe geimpft wurden, sollten damit zweimal im Abstand von vier Wochen geimpft werden, so die Empfehlung. Um den unangenehmen Piks zu vermeiden, können Kinder auch mit einem Spray geimpft werden. Dabei handelt es sich um einen Lebendimpfstoff, der durch die Nase verabreicht wird. Er ist geeignet für Kinder und Jugendliche zwischen zwei und 17 Jahren: Allerdings bezahlt die Krankenkasse diese Impfung nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei einer Blutgerinnungsstörung.