Antidepressiva: Wirkung und Nebenwirkungen
Die Wirkung von Antidepressiva ist sehr unterschiedlich. Gemeinsam ist ihnen: Wer die Medikamente gegen Depression abrupt absetzt, muss mit Problemen rechnen. Wann ist ihr Einsatz wirklich sinnvoll?
Jährlich erkranken rund fünf Millionen Menschen in Deutschland an einer Depression. Je früher die Krankheit erkannt wird, umso besser sind nach aktuellem Wissensstand die Heilungschancen. Medikamente (Antidepressiva) gelten neben Psychotherapie als wichtiger Baustein der Behandlung, vor allem bei mittelschweren bis schweren Depressionen. Sie werden millionenfach verschrieben - und die Verordnungszahlen steigen.
Wirkung von Antidepressiva
Antidepressiva sollen die Stimmung aufhellen und können antriebssteigernd oder dämpfend wirken. Sie kommen teils auch bei Angst-, Ess- oder Zwangsstörungen zum Einsatz. Die Medikamente gehören zu den sogenannten Psychopharmaka: Das sind Substanzen, die die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen im Gehirn beeinflussen. Es gibt verschiedene Arten mit unterschiedlichen Wirkungen. Am häufigsten eingesetzt werden hierzulande:
- Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) - sie führen die Verschreibungsliste an, auch weil sie deutlich weniger Nebenwirkungen haben als frühere Antidepressiva
- Selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) - sie erhöhen die Motivation und steigern die Aufmerksamkeit
- Trizyklische Antidepressiva (TZA) - sie zählen zu den ältesten bekannten Substanzen, finden wegen stärkerer Nebenwirkungen aber mittlerweile seltener Verwendung.
Klassische Antidepressiva und rezeptfreie pflanzliche Antidepressiva
Neben den genannten Arzneien gibt es sogenannte pflanzliche Stimmungsaufheller: Das sind rezeptfreie, niedrig dosierte Präparate mit Johanniskraut, Melisse oder Lavendel, die antidepressive Wirkungen entfalten sollen, was wissenschaftlich jedoch nicht belegt ist. Johanniskraut in höherer Dosierung und synthetische Antidepressiva sind nur auf Rezept erhältlich. Sie sind verschreibungspflichtig, denn sie können erhebliche unerwünschte Wirkungen mit sich bringen. Auch bei verschreibungspflichtigen Antidepressiva ist nicht immer sicher, dass sie die eigentlich gewünschte Wirkung erzielen. Neuere Studien zeigen: Bei leichter bis mittelschwerer Depression bringen die Tabletten selten mehr als ein Placebo. Auch tauchte der Verdacht auf, dass SSRI möglicherweise Suizidgedanken hervorrufen können - dies ist nicht abschließend erforscht.
Tipps zu Anwendung, Einnahme, Kombinationen und Wechselwirkungen
- Die Wirkung von Antidepressiva setzt niemals sofort ein. Bis zur vollen Wirksamkeit können zwei bis vier Wochen vergehen.
- Nebenwirkungen treten dagegen meist sofort auf, manche lassen aber nach einigen Tagen oder Wochen nach.
- Antidepressiva sollten regelmäßig und in der verordneten Dosierung eingenommen werden. Wird eine Einnahme vergessen, darf die folgende Dosis nicht zum Ausgleich erhöht werden.
- Antidepressiva nicht mit Alkohol kombinieren.
- Auch in Kombination mit Nahrungsergänzungsmitteln kann es zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen.
- Johanniskrautpräparate beeinflussen die Wirkung bestimmter Antidepressiva und dürfen nicht parallel verwendet werden.
Absetzen von Antidepressiva: nach Absprache ausschleichen
Es lohnt sich, den Einsatz von Antidepressiva von Anfang an wohl abzuwägen, denn nach längerer Einnahme können beim Absetzen der Medikamente Probleme auftreten. Der Körper kann auf den Wegfall eines Antidepressivums mit einer Gegenregulation reagieren, die Betroffene noch anfälliger für die Entwicklung einer Depression macht. Deshalb ist es wichtig, das Medikament nicht abrupt wegzulassen, sondern es ganz langsam "auszuschleichen". Als sinnvoll gilt die schrittweise Reduzierung - insbesondere im niedrigen und sehr niedrigen Dosierungsbereich.
Betreuung beim Absetzen von Antidepressiva
Mit begleitender psychotherapeutischer Unterstützung lassen sich schwere Krisen durch das Absetzen der Medikamente vermeiden. Eine solche systematische Betreuung wird derzeit im Rahmen einer Studie am Universitätsklinikum Hamburg angeboten. Insgesamt gibt es aber erst wenige spezielle Angebote für eine fachkundige Begleitung beim Absetzen von Antidepressiva. Möglich wären beispielsweise angeleitete Gruppenangebote, auch im Rahmen der Selbsthilfe. Ansprechpartner für eine individuelle Begleitung können die behandelnden Psychiater und Psychiaterinnen, Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen sein.
Symptome beim Absetzen von Antidepressiva
Das Absetzen von Antidepressiva soll frühestens vier Monate nach Stabilisierung der psychischen Situation versucht werden - und niemals auf eigene Faust, ohne Absprache mit der Ärztin oder dem Arzt. Wer Antidepressiva dann nach einer mindestens halbjährigen, manchmal mehrjährigen Einnahmedauer absetzt, muss je nach Präparat und individueller Situation mit diesen Symptomen rechnen:
- Wenige Tage nach dem Absetzen können grippeähnliche Beschwerden, Unruhe, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Schlaflosigkeit, Albträume, Schwindel, Kopfschmerzen, Gefühlsstörungen (Gefühl wie Blitzschläge), Übelkeit oder Durchfälle auftreten. Meist sind diese Beschwerden vorübergehend: Dann verschwinden sie nach zwei bis sechs Wochen.
- Manchmal treten frühere depressive Symptome, teils verstärkt, wieder auf (Relapse-Syndrom oder Rebound-Syndrom).
- Ein dauerhaftes (persistierendes) Entzugssyndrom kann neue und alte Symptome umfassen und Monate bis Jahre anhalten. Oft ist es schwer von einem Rückfall zu unterscheiden. Nicht selten werden die Entzugserscheinungen mit einem Wiederauftreten der Depression verwechselt und wiederum mit Antidepressiva - in höherer Dosierung - behandelt.
Was genau sich im Gehirn unter dem Einfluss der Antidepressiva abspielt, ist bislang ungeklärt - doch dass sich der Körper an die Substanzen gewöhnt, ist sicher.
Antidepressiva-Liste: Namen, Wirkungen und Nebenwirkungen
Expertinnen und Experten zum Thema
Hilfe für Betroffene: Telefonnummern und Kontaktadressen
Sollten Sie sich aktuell in einer psychischen Krise befinden, können Sie:
- zu Ihrem Arzt gehen oder ihn anrufen.
- Kontakt mit einer Klinik mit psychiatrischer Abteilung aufnehmen.
- Kontakt mit dem ärztlichen (psychiatrischen) Bereitschaftsdienst (bundesweite Tel.: 116 117) aufnehmen.
- sich an ein Hilfs- bzw. Beratungsangebot für akute Krisensituationen wenden.