Depression im Alter erkennen und behandeln
Viele Menschen sind depressiv im Alter, doch oft wird die Erkrankung verkannt. Dabei ist eine Behandlung wichtig. Was sind die Symptome einer Altersdepression? Was hilft dagegen?
Neben Demenz gehören Depressionen zu den häufigsten psychischen Erkrankungen bei älteren Menschen. Laut Stiftung Deutsche Depressionshilfe sind schwere Depressionen nicht stärker verbreitet als in jüngeren Altersgruppen, allerdings treten leichtere Depressionen im Alter zwei- bis dreimal so häufig auf.
Eine Depression im Alter bedeutet nicht nur einen Verlust an Lebensqualität, sondern bringt auch größere Risiken mit sich. Betroffene ziehen sich aufgrund einer Depression ins Bett zurück oder essen und trinken zu wenig. Zudem wirkt sich eine Depression negativ etwa auf vorhandene Herz-Kreislauf-Krankheiten aus. Außerdem erhöht sich das Suizidrisiko mit zunehmendem Alter, vor allem bei Männern.
Depressionen im Alter werden oft übersehen
Grundsätzlich ähnelt eine Depression im Alter der Erkrankung in jüngeren Jahren. Neben den klassischen Symptomen treten aber alterstypische Besonderheiten auf, die dazu führen, dass eine Altersdepression nicht oder erst spät erkannt wird. Oft ist unklar, inwieweit Erkrankungen, die häufig im Alter auftreten, zu Depressionen führen. So können typische Symptome einer Depression, wie Schlaf- oder Antriebsstörungen, auch im Zusammenhang mit einer körperlichen Erkrankung stehen, ohne dass eine Depression vorliegt. Genauso können körperliche oder psychosomatische Beschwerden depressive Symptome überlagern.
Lebensumstände spielen keine große Rolle
Eine Depression zu erkennen, wird auch dadurch erschwert, dass Betroffene und Angehörige häufig die Lebensumstände im Alter - den Verlust des Partners, fehlende Anerkennung oder körperliche Erkrankungen - als Auslöser für depressive Symptome sehen. Dabei spielen nicht die äußeren Faktoren eine große Rolle, sondern in erster Linie die Veranlagung, so Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention. Wird eine Depression aber nicht als eigenständige Erkrankung erkannt, kann sie auch nicht behandelt werden.
Symptome: Wie äußert sich Depression im Alter?
Eine Depression ist typischerweise von Hoffnungslosigkeit, Antriebslosigkeit oder Gefühllosigkeit gekennzeichnet. Ältere Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, neigen außerdem dazu, körperliche Beschwerden als bedrohlicher wahrzunehmen als sie sind. So richten sie ihre Aufmerksamkeit und Sorge auf bestehende Probleme wie Schmerzen, Ohrgeräusche oder Schlafstörungen und empfinden diese zunehmend als unerträglich.
Haben sie etwa Konzentrations- und Auffassungsstörungen, die Folge einer Depression sind, fürchten viele, an einer Alzheimer Demenz erkrankt zu sein. Anders als Demenzerkrankte sind depressive Menschen in der Regel aber nicht desorientiert und können auf Nachfragen zum Beispiel Datum und Uhrzeit richtig angeben.
Depression im Alter: Test für Betroffene und Hilfe für Angehörige
Eine erste Einschätzung, um das eigene Erkrankungsrisiko anhand von Anzeichen einschätzen zu können, kann ein Online-Selbsttest etwa der Stiftung Deutsche Depressionshilfe bieten. Wichtig: Er ersetzt nicht den Besuch beim Arzt oder Therapeuten. Nur sie können eine sichere medizinische Diagnose stellen. Für pflegende Angehörige und Pflegekräfte gibt es ein E-Learning-Tool zur Altersdepression. Die kostenlose 90-minütige Online-Schulung informiert darüber, wie sich erkennen lässt, dass Pflegebedürftige an einer Depression erkrankt sind. Außerdem gibt es Antworten auf Fragen, wie: Wie spreche ich die Pflegebedürftigen darauf an? Wen muss ich informieren, wenn Hilfe nötig ist?
Wer ist besonders gefährdet, an Depression im Alter zu erkranken?
Eine Altersdepression kann durch verschiedene Faktoren ausgelöst werden. Ursachen können eine genetische Veranlagung sein, aber auch Traumatisierungen oder frühe Missbrauchserlebnisse. Zudem können sich bestimmte Ereignisse negativ auswirken und zu einer Depression führen. Dazu zählen das Ausscheiden aus dem Berufsleben, weniger finanzielle Mittel bei Renteneintritt, Verlusterfahrungen wie der Tod eines nahestehenden Menschen, die räumliche Trennung von Kindern und Enkelkindern, der Umzug in ein Senioren- oder Pflegeheim oder der Verlust sozialer Kontakte.
Laut Prof. Hegerl ist es eher selten, dass jemand erstmalig im Alter eine Depression hat. "Wenn man eine Depression hat, hat man in der Regel eine Veranlagung dazu, sonst rutscht man da nicht rein, auch wenn das Leben sehr schwer und bitter ist. Die meisten Menschen haben schon früher depressive Episoden gehabt."
Depression im Alter behandeln
Bei älteren Menschen ist die Behandlung einer Depression genauso wichtig wie bei jüngeren Menschen. Und auch im Alter sind Depressionen gut mit Medikamenten und Psychotherapie zu behandeln. Wichtig ist eine sorgfältige Auswahl des Antidepressivums durch den Arzt, weil die medikamentöse Therapie bei älteren Menschen komplizierter ist. Denn häufig werden mehrere Medikamente eingenommen, wodurch es zu Wechselwirkungen und Unverträglichkeiten kommen kann.
Auch die Wirksamkeit insbesondere der kognitiven Verhaltenstherapie ist belegt, allerdings wird älteren Menschen Psychotherapie nur selten angeboten. Laut Deutscher Depressionshilfe ist der Anteil der über 60-Jährigen in Psychotherapie mit sechs Prozent sehr gering.
Was können Angehörige und Freunde tun?
Dem sozialen Umfeld von Menschen mit Depression, vor allem Angehörigen und Freunden, kommt häufig eine wichtige Rolle zu. Sie können dem Betroffenen helfen, etwa indem sie die Initiative ergreifen und einen Termin beim Arzt vereinbaren. "Als Erkrankter in der Depression gibt man sich selber die Schuld und hat gar nicht den Mut, die Energie und die Hoffnung, den Weg in die professionelle Behandlung zu finden. Da sind die Angehörigen unglaublich wichtig, den Erkrankten zu motivieren und zu unterstützen", so Hegerl.
In der Depression wichtige Entscheidungen verschieben
Wichtig ist auch, dass Erkrankte während einer Depression keine wichtigen Lebensentscheidungen treffen, rät Hegerl. Denn sie sehen die Realität verzerrt und bewerten Dinge nach der Erkrankung womöglich anders und treffen andere Entscheidungen. "Viele Menschen fühlen sich sehr erschöpft in der Depression und denken, die Arbeit ist schuld. Sie gehen dann in Frührente oder wechseln die Arbeit. Doch dann ist es das gar nicht gewesen, die Erschöpfung kam gar nicht von der Arbeit, sondern von der Erkrankung. Dann fühlt man sich auch als Rentner erschöpft."