Howard Carpendale: Depressiv im Ruhestand
Der Sänger Howard Carpendale spricht auf NDR Info mit Entertainer Harald Schmidt über seine Depression, die er nach dem Ende seiner Karriere Mitte der 2000er-Jahre entwickelte. Zunächst sei es ihm sehr schwer gefallen, sich die Erkrankung einzugestehen.
"Ich kannte das Wort Depression kaum. Ich war ein Alpha-Tier in meinem Leben. Das konnte mir nicht passieren", sagt Carpendale in der aktuellen Ausgabe des NDR Info Podcasts "Raus aus der Depression".
Sein Sohn Wayne Carpendale habe an einem Heiligabend dafür gesorgt, dass er in die Klinik ging: "Meine Frau war nicht da, mein Sohn Cass war 17 Jahre. An der Tür klopfte es. Und da stand mein erster Sohn Wayne. Er war extra aus Deutschland zu mir geflogen. Er war damals in einer Beziehung und sehr verliebt und trotzdem zu mir gekommen. Wir haben an diesem Heiligabend viel gesprochen und er sagte: 'Ich gehe hier nicht weg, bis du mitkommst.' Ein unglaublicher Moment für mich. Es war unfassbar, was mein Sohn Wayne da getan hat."
Drei Monate verbrachte Carpendale in der Klinik und sagt über diese Zeit: "Die Gespräche in der Klinik mit vielen Menschen haben mir sehr geholfen, die Stimme in meinem Kopf ein bisschen zur Ruhe zu bringen."
Ikone des Schlagers fällt in Loch nach Karriereende
Der deutsch-südafrikanische Sänger ist eine Ikone des deutschen Showgeschäfts. Mit seinen Coverversionen von "Ti Amo" oder "Tür an Tür mit Alice" landete er große Hits. Auf der Bühne und in Interviews wirkte Carpendale immer gut gelaunt und voller Energie - ganz, wie man es von einem erfolgreichen Musiker erwartet. Doch als er sich aus dem Showbusiness zurückgezogen hatte, fiel er in ein Loch. Das hatte der Musiker so nicht erwartet.
Eigentlich wollte er sich im Jahr 2003 als ganz normaler Mensch in den USA ein neues Leben aufbauen, sagt er heute. Doch der neue Alltag ohne konkrete Aufgaben und Pflichten erfüllte den Schlagersänger nur für kurze Zeit. Dazu kam die Suchtkrankheit seiner Frau und eine große Enttäuschung seines besten Freundes. "Eigentlich habe ich mich nur gefragt: Was ist mit mir los, warum habe ich keine Energie, wieso habe ich keine Ziele, wieso habe ich zu nichts besonders Lust?", sagt Carpendale.
In neuer Heimat USA nicht angekommen
Er sucht in dieser Zeit Rat bei seiner Familie in Deutschland. In seiner neuen Heimat kommt er nicht richtig an - und fühlt sich oft einsam. "Wir haben viel telefoniert. Meine Ex-Frau ist sehr psychologisch veranlagt und hat mir immer wieder gesagt: 'Du bist vielleicht in einer Depression.' Ich sagte nein. Ich muss nur etwas suchen, was mir wieder Freude macht. Aber sie hatte unbedingt recht."
Sein ältester Sohn Wayne erkannte, in welcher Krise sich sein Vater befand, reiste zu ihm nach Amerika und führte mit ihm das Gespräch an Heiligabend. In Deutschland hatte er bereits alles vorbereitet und sich um einen Therapieplatz für seinen Vater in einer Klinik in Bayern gekümmert. "Als Wayne mich da abgeladen hat, habe ich da gesessen und gedacht, jetzt denken andere wieder 'Oh je, was ist das für ein Softie'". Er habe stark geweint und gedacht, was er nur aus seinem Leben gemacht habe.
Drei Monate in deutscher Klinik
Drei Monate verbrachte Carpendale in der Klinik. Rückblickend sagt er heute, dass der Aufenthalt zwar viel zu kurz war, aber ihm die Gespräche in der Klinik sehr geholfen haben, die Stimme in seinem Kopf zur Ruhe zu bringen.
Dass Angehörige den Weg für eine psychotherapeutische Behandlung ebnen, sei oft der Fall, bestätigt auch Prof. Ulrich Hegerl. Er ist Psychiater und Vorsitzender der Stiftung Deutscher Depressionshilfe. Betroffene hätten meist nicht die Kraft, sich selbst um die Organisation zu kümmern, so Hegerl. Außerdem sieht Hegerl gerade im Alter ein großes Problem bei depressiven Erkrankungen. "Wenn jemand eine schwere Erkrankung hat, einen Herzinfarkt, und vielleicht ein bisschen einsam ist, dann ist die Versuchung groß, zu sagen: 'Naja, dass der depressiv ist, ist klar.' Da wird nicht erkannt, dass es eine eigenständige Erkrankung ist", sagt Hegerl. "Wenn man das behandeln würde, dann hätte derjenige wieder die Energie zu seinem Seniorentreffen zu gehen, und plötzlich schmeckt das Essen wieder und das Leben nimmt seinen Gang."
Carpendale kehrt auf die Bühne zurück
Auch bei Howard Carpendale hat das Leben wieder seinen Gang genommen. Er musste wieder das tun, was ihn sein Leben lang erfüllte: auf der Bühne stehen und singen. 2007 wagte er sein Comeback - und zwar mit neuem Management und Team. Für Carpendale fühlte sich das wie ein Befreiungsschlag an. "Heute ist meine Motivation die Konzerte und die Beziehung zu den Menschen. Das ist für mich ein Moment, der gibt mir alles, um mich heute in diesem Beruf gut zu fühlen."