Nach Attacke mit Hundekot: Marco Goecke rudert zurück
Nach dem Hundekot-Eklat in der Staatsoper Hannover hat der Choreograph Marco Goecke mit dem NDR über seine Beweggründe gesprochen. Er sei "jahrelang mit Scheiße beworfen" worden. Am Tag danach lenkte er doch noch ein.
"Ich bitte um Verzeihung dafür, dass mir letztlich der Kragen geplatzt ist", sagte Goecke am Dienstag. Er bitte aber auch um Verständnis, hieß es weiter in einer Stellungnahme, die Goecke von seiner Management-Agentur verbreiten ließ. Am Samstagabend war es hinter der Bühne in der Pause zu dem Vorfall zwischen Goecke und der Kritikerin Wiebke Hüster kekommen, die für die "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" schreibt. Während Hüster zur Polizei ging und Anzeige erstattete, lief der Premierenabend weiter. Die Polizei ermittelt mittlerweile wegen Beleidigung und Körperverletzung. Und es gibt weitere Konsequenzen für den 50-jährigen Goecke. Die Staatsoper hat ihn suspendiert, ihm zudem Hausverbot erteilt. Mit dem NDR sprach Goecke, ein renommierter und ausgezeichneter Choreograph, am Montag über den Vorfall.
Marco Goecke: "Ich kann mit schlechten Kritiken super leben"
So ganz leid tut ihm die Attacke seinen ersten Aussagen zufolge nicht. Er sei zwar etwas erschrocken, aber einzig die Wahl der Mittel war "sicherlich nicht super", sagte Goecke. Den Angriff aber begründet er mit jahrelanger "Vernichtungskritik", wie er es nennt, durch Hüster. "Wenn man in der Öffentlichkeit steht und über Jahre sein Werk durch eine Journalistin beschmutzt sieht, dann heißt es, das sei der Preis, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist. Aber ab einem gewissen Punkt bin ich da anderer Meinung", so Goecke. Viele andere Journalisten aus anderen Bereichen, die er kenne, teilten seine Sicht, dass diese Art der Kritik zeige, dass sich Hüster für Tanz nicht interessiere, das Theater nicht liebe. Er betont, dass er viele schlechte Kritiken über sich gelesen habe. "Da kann ich super mit leben", betonte Goecke. Doch die Kritiken der Journalisten Hüster seien persönlich, und das seit 20 Jahren. Und er will nicht der einzige sein, der so denke. "Ich weiß von 99 Prozent der Tanzschaffenden in diesem Land, dass sie sich von dieser Frau über Jahre extrem verletzt gefühlt haben."
Staatsoper Hannover: Begegnung mit Wiebke Hüster eskaliert
Am besagten Samstagabend schließlich sei er Wiebke Hüster zum ersten Mal begegnet. Er sei zu ihr gegangen, habe mit ihr, der Kritikerin, über ihre Kritiken sprechen wollen. Er habe ihr gesagt: "Ich bin ein Mensch." Ihre Reaktion: "Aggressiv, arrogant, herablassend", sagte Goecke. Da habe er die Tüte mit dem Kot seines Dackels, die er gerade habe entsorgen wollen, Hüster ins Gesicht geschmiert. Und beschrieb die Tat als Reaktion auf jahrelange Verletzungen, die über das normale Maß hinausgegangen seien. "Sie hat mich auch jahrelang mit Scheiße beworfen", sagte er - und fragt: "Wie würden andere Menschen, die hart arbeiten, damit umgehen, wenn sie so mit Schmutz beworfen werden würden?" Er selbst gibt die Antwort: "Kein hart arbeitender Mensch würde sich das auf Dauer gefallen lassen."
Scharfe Kritik an Goeckes Verhalten
Der Vorfall hatte nach Bekanntwerden großes Entsetzen ausgelöst. Die Redaktion der FAZ hatte die Attacke am Sonntag in einer öffentlichen Erklärung als "ungeheuerlichen Vorfall" und "demütigen Akt" bezeichnet. Man werte dies auch als einen Einschüchterungsversuch gegenüber unserer freien, kritischen Kunstbetrachtung, so die Zeitung. Zahlreiche Politiker verurteilten die Tat. Jeder müsse sich mit Kritik auseinandersetzen, dann aber derart übergriffig zu werden, sei inakzeptabel und nicht zu entschuldigen, sagte Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs (SPD) dem NDR. Über die Beurlaubung Goeckes hinaus müsse nun über weitere Konsequenzen entschieden werden. Dies solle gemeinsam mit dem Staatstheater erfolgen. Der Deutsche Journalisten-Verband Niedersachsen hatte zuvor den Angriff auf die Pressefreiheit verurteilt. "Wer auf Kritik mit Gewalt reagiert, der ist nicht tragbar", schrieb der Landesvorsitzende Frank Rieger auf Twitter.