Phänomen Insta-Moms - Was steckt dahinter?
Viele junge Eltern nutzen die Social-Media-Plattform Instagram, um sich Erziehungstipps zu holen und um Erfahrungen auszutauschen. Aber: Wie realistisch bilden sogenannte "Insta-Moms" das Mutterleben ab?
Anna Novák ist Host des Instagram-Kanals "Matsch & Muse" von NDR Kultur - ein Kulturangebot für junge Eltern, das zeigen soll: Kultur trotz und mit Kindern, das geht. Sie weiß, dass auch bei den Hochglanz-Insta-Müttern mal Chaos herrscht. Ein Gespräch.
Anna, Du bist selbst Mutter, aber natürlich auch von Berufs wegen viel auf Instagram unterwegs. Und Elternschaft - besonders Mutterschaft - ist auf der Plattform ein wirklich großes Thema, oder?
Anna Novák: Auf jeden Fall. Instagram hat sich in den letzten Jahren wirklich zu einem Ort des Austauschs unter Eltern entwickelt. Ich würde sogar die steile These wagen: Für viele junge Eltern ist Instagram eine erste Anlaufstelle geworden, wenn man sich Rat holen möchte. Während man früher erstmal zu einem Erziehungsratgeber gegriffen hat, gucken Eltern heute: Hat da vielleicht irgendjemand schon mal Erfahrungen ausgetauscht, ein Video dazu gemacht oder Tipps in einem Posting zusammengefasst? Da findet man wirklich erstaunlich viel. Themen, die Mütter in allen Lebenslagen betreffen: Mütter von einem oder vielen Kindern, Mütter in der Stadt, Mütter auf dem Land. Thematisch fängt das bei "Erste Hilfe fürs Kind" an, geht über die wahrscheinlich akutesten Mütter-Themen "Mental Load" und "Vereinbarkeit" bis hin zu lustigen Erlebnissen aus dem Mütteralltag oder Einrichtungstipps fürs Kinderzimmer.
Instagram ist als Social-Media-Plattform aber dafür bekannt, eher das perfekte, glatte, aufgeräumte Leben von Menschen darzustellen. Und aufgeräumt ist es in den "echten" Kinderzimmern nicht unbedingt. Welches Bild von Mutterschaft wird denn auf Instagram vermittelt?
Novák: Das ist sehr unterschiedlich. Natürlich gibt es die Accounts, wo sich Mütter immer frisch geschminkt, toll angezogen, überhaupt nicht müde präsentieren und signalisieren: Schau her, ich habe alles bestens im Griff. Bei uns zuhause sieht's immer aus wie aus dem neuesten Einrichtungskatalog, alle Kinderklamotten passen farblich zu den Vorhängen und frische Blumen stehen immer auf dem Tisch. Da fragen sich viele Mütter wahrscheinlich automatisch: Was mache ich denn falsch, dass es bei mir nicht so aussieht? Bei mir liegt doch immer noch die Wäsche von vorgestern auf dem Fußboden rum und die Küche habe ich auch nicht mehr aufgeräumt, bevor ich heute morgen die Kinder in die Kita gebracht habe und dann zur Arbeit gehetzt bin.
Also eher einen Bogen um solche Accounts machen, um solche "Insta-Moms", wie man das Phänomen ja auch nennt?
Novák: Nicht unbedingt, aber ich glaube, man muss das alles in Maßen genießen: Ich habe auch Freude daran, hübsch eingerichtete Kinderzimmer anzuschauen, aber ich versuche mir dann bewusst zu machen: Das ist nicht die Realität, das ist eine Momentaufnahme. Und wenn man den Filter mal wegnimmt, dann ist bestimmt auch bei der Hochglanz-Insta-Mutter mal Chaos und auch diese Frau wird im Alltag ihre Zweifel haben, ob sie alles richtig macht.
Welche Seiten der Mutterschaft bekommt man denn noch auf Instagram zu sehen?
Novák: Für mich gibt es ein paar Frauen und Mütter, die sich auf Instagram besonders spannenden Mutterschafts-Themen annehmen. Das ist zum einen die Autorin Nora Imlau, die viel über Kindererziehung schreibt - über das liebevolle Grenzen-Setzen beispielsweise: den Kindern gerecht werden, ohne sich selbst zu verlieren. Oder die Journalistinnen Teresa Bücker und Alexandra Zykunov, die sich stark machen für Vereinbarkeit und Gleichberechtigung und immer wieder darauf aufmerksam machen, was getan werden muss, um Familie und Beruf für Frauen wirklich möglich zu machen.
Und dann gibt es noch die "Berliner Insta-Mom-Blase", so nenne ich das. Das sind sehr hippe junge Mütter rund um Schauspielerin Marie Nasemann, die Podcasterin Julia Knörnschild und Evelyn Weigert (die im vergangenen Jahr auch Protagonistin unserer NDR-Doku "Oh Baby" war). Die haben sich vorgenommen, ein sehr authentisches Elternleben zu zeigen. Die nehmen kein Blatt vor den Mund, sprechen auch darüber, dass es wahnsinnig langweilig sein kann, stundenlang auf dem Spielplatz abzuhängen, wie aufreibend schlaflose Nächte sind und dass man sich auch ab und zu mal nur Zeit für sich wünscht. Trotzdem sind auch die natürlich mittlerweile echte Influencerinnen - inklusive Rabattcodes und Werbung für Make Up und Periodenunterwäsche. Da ist also auch nicht alles echt. Aber die Intention ist - finde ich - eine gute.
Wie siehst Du das: Überwiegen die kritischen Aspekte oder hat das Mütter-Netzwerk auf Instagram mehr positive Seiten?
Novák: Wenn man sich das raussucht, was einem als Mutter selbst gut tut und sich nicht ständig vergleicht mit allen anderen Müttern da draußen, dann kann man meiner Meinung nach schon viel Positives rausziehen. Da finden sich auf den unterschiedlichsten Instagram-Accounts viele unterschiedliche Mütter wieder - können sich miteinander vernetzen und finden gemeinsam eine Stimme und gegenseitige Unterstützung. Das ist schon toll, dass man Gleichgesinnte finden kann, auch bei Themen, von denen man immer dachte: Ist das eigentlich nur bei mir so?
Und wer seine Mutterschaft oder sein Elternleben noch ein bisschen mit Kultur aufpeppen will - und wieder mehr Platz machen will für Kunst, Literatur und Musik, der kann bei Eurem Instagram-Account @matschundmuse vorbeischauen.
Novák: Ja, unbedingt! Wir versuchen in diesem Instagram-Kosmos ein bisschen Inspirierendes beizusteuern. Ich freue mich, wenn die Eltern da draußen mal vorbeischauen. Wir versuchen das ganz authentisch zu machen und vor allem mit dem nötigen Realitätscheck: Ist das etwas, das ich mir und meinem Kind gemeinsam zumuten kann?
Das Interview führte Jan Wiedemann.