Paula Modersohn-Becker: Kurze Schaffenszeit, große Wirkung
"Wie schade." - Mit diesen Worten starb die erst 31-jährige expressionistische Malerin Paula Modersohn-Becker am 20. November 1907 Jahren in Worpswede bei Bremen. Wie bedeutend ihr Werk war, hat zu der Zeit noch kaum jemand verstanden.
Sie war eine Wegbereiterin des Expressionismus und die erste Künstlerin der Welt, der ein ganzes Museum gewidmet wurde: die früh verstorbene Malerin Paula Modersohn-Becker (1876-1907). Seit 1927 erinnert das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen an sie. Ihre Wahlheimat war die Künstlerkolonie Worpswede. Dort in der Provinz - und inspiriert von vielen Reisen nach Paris - entwickelte sie ihren richtungsweisenden Stil.
Als Frau keinen Zutritt zur Kunstakademie
Geboren wird Paula Becker am 8. Februar 1876 in Dresden. Ihr Vater ist ein weit gereister Ingenieur, ihre Mutter entstammt einer Adelsfamilie. 1888 zieht die Familie nach Bremen, der Vater ist dort Baurat geworden. Die Mutter hat viele Freunde in künstlerischen Kreisen - und bald erhält Paula Kunstunterricht. Als junge Frau schließt sie eine Ausbildung im Lehrerinnenseminar ab, besucht dann aber in Berlin eine Malschule für Künstlerinnen. An einer Kunstakademie darf sie allerdings nicht studieren: Frauen haben dort zu dieser Zeit noch keinen Zutritt.
Zauber von Worpswede beeindruckt Paula Modersohn-Becker
Im Sommer 1897 kommt Paula Becker zum ersten Mal nach Worpswede - und ist von der Landschaft und dem Zauber des Ortes tief beeindruckt. Auch die Künstlergemeinschaft, die dort lebt und arbeitet, gefällt ihr. Schon ein Jahr später gehört sie dazu. Unter anderem arbeitet Fritz Mackensen dort, bei dem die junge Frau zunächst Unterricht nimmt, aber auch Otto Modersohn, Hans am Ende und Heinrich Vogeler. Unterbrochen von längeren Aufenthalten in der Künstlerwelt von Paris bleibt sie bis zu ihrem Tod in Worpswede. Sie ist mit Malern und Bildhauern befreundet und auch mit den Dichtern Gerhart Hauptmann und Rainer Maria Rilke. Doch bis auf Modersohn bemerken damals nur wenige, dass sie es mit einer wirklich großen Künstlerin zu tun haben.
Künstler-Ehe mit Otto Modersohn
Im Mai 1901 heiratet die damals 25-jährige Paula Becker in Worpswede den kurz zuvor verwitweten Maler Otto Modersohn. Die Ehe bewahrt sie davor, sich ihren Lebensunterhalt in einem der wenigen Frauenberufe der Zeit verdienen zu müssen. Paula Modersohn-Becker versucht nun, ihre Pflichten als Hausfrau und Stiefmutter eines Mädchens mit ihrer künstlerischen Arbeit zu vereinen. Sie malt aber nicht zu Hause, sondern in einem eigenen Atelier im Ort, dem "Lilienatelier" im Brünjes-Hof. Hier kann sie ungestört arbeiten, lesen, nachdenken. In dem kleinen Atelier entstehen zahlreiche Bilder, die Freunde und Verwandte erst nach ihrem Tod finden werden - und die dann große Bewunderung auslösen.
Von Worpswede nach Paris
Bald orientierte sich Paula eher an den Pariser Künstlern, an Paul Cézanne und Paul Gauguin, während der bodenständige Otto Modersohn die Traditionen des 19. Jahrhunderts fortsetzt. Paula beginnt, sich in der Ehe einsam zu fühlen. Worpswede wird ihr zu eng. 1906 verlässt sie Modersohn und geht nach Paris. Sie hatte gehofft, ihren Mann lieben und sowohl als Künstlerin anerkannt und Mutter werden zu können. Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt. Auch in Paris ergeht es ihr seelisch kaum besser. In dieser Lebenskrise malt Paula Modersohn-Becker ihre heute berühmten, richtungsweisenden Bilder - versinkt jedoch in tiefer innerer Not. Finanziell unterstützt Modersohn sie weiter.
Erste Akt-Selbstbildnisse der Geschichte
Im Jahr 1906, als Modersohn-Becker versucht, unabhängig zu werden, entstehen Selbstbildnisse, die als die ersten Akt-Selbstdarstellungen der Kunstgeschichte gelten. In ihrer Zeit verstoßen sie gegen jede Konvention. 1907 kehrt Paula nach Worpswede zurück. Das Ehepaar Modersohn-Becker versöhnt sich, am 2. November kommt die gemeinsame Tochter Mathilde zur Welt. Doch das Glück nach der schwierigen Geburt ist nur von kurzer Dauer. Am 20. November 1907 stirbt die Künstlerin an einer Embolie. "Wie schade" sollen laut Überlieferung durch Otto Modersohn ihre letzten Worte gewesen sein.
Unromantisch, aber nicht anklagend
In ihrem Leben hat Paula Modersohn-Becker nur fünf ihrer etwa 750 Gemälde verkauft. Nach ihrem Tod von sorgten Otto Modersohn und Heinrich Vogeler dafür, dass ihre Werke in Ausstellungen gezeigt wurden. Nun wurden die ersten Sammler auf sie aufmerksam und kauften ihre Bilder. Dazu gehörte der Kaffee-HAG-Unternehmer Ludwig Roselius, auf dessen Initiative das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen entstand und im Jahr 1927 eröffnet wurde.
Paula Modersohn-Beckers Werk besteht aus Porträts, Kinderbildnissen, Landschaften, Stillleben und immer wieder Selbstporträts. Ihre bäuerlichen Szenen sind nicht romantisch, aber auch nicht anklagend. Sie mochte die einfachen Menschen, die sie malte, und war zudem an Form, Fläche und Konstruktion interessiert. Ihre Werke waren völlig anders als die der damals üblichen Malerei. Erst später erkannten Kunsthistoriker Ähnlichkeiten zu den Bildern des jungen Pablo Picasso (1881 - 1973) aus der gleichen Zeit.