Zell-Check: Abzocke in Apotheken und Arztpraxen
Mit einem sogenannten Zell-Check wollen einige Apotheker, Ärzte und Heilpraktiker Mangelerscheinungen an Vitaminen oder Spurenelementen feststellen. Doch nach Ansicht von Experten sind die Messungen unseriös: Die Geräte, die unter dem Namen "Zell-Check", "SO-Check" oder "Oligoscan" vermarktet werden, hätten in Apotheken und Arztpraxen nichts zu suchen.
So funktioniert der Zell-Check
Zu Beginn jeder Messung werden fünf Angaben zum Patienten in ein Computerprogramm eingegeben:
- Geschlecht
- Geburtsdatum
- Größe
- Gewicht
- Blutgruppe
Dann startet der Messvorgang, bei dem die Handinnenfläche an vier Punkten mit dem Zell-Check-Gerät abgetastet wird. Das Gerät selbst ist an einen tragbaren Computer angeschlossen. Kurze Zeit später erscheint auf dem Monitor die Auswertung.
Tabelle zeigt Messergebnisse
Das Programm erstellt daraufhin eine kurze Auswertung ("Vitalstoffcheck") oder ein ausführliches Analyse-Protokoll ("Medcheck"). Die mit "Bilanz" überschriebenen Tabellen in den Protokollen enthalten neben Werten zu Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen auch Angaben etwa zu Stoffwechsel, Verdauung, Entgiftung und "oxidativem Stress".
Spektralphotometrie wissenschaftlich nicht belegt
Die Zell-Check-Geräte arbeiten nach Angaben der Vermarktungsfirmen auf Basis einer Technologie mit dem Namen Spektralphotometrie. Die Behauptungen seien jedoch nach Ansicht von Experten aus dem Bereich physikalische Chemie wissenschaftlich nicht haltbar, da die meisten der vermeintlich gemessenen Substanzen in dem angegebenen Spektralbereich kein Licht absorbierten. Folglich könnten die Messwerte somit nicht mit Methoden der Spektralphotometrie bestimmt werden.
Stichprobe: Falsche Empfehlungen in Apotheken und Arztpraxis
Trotz der wissenschaftlich nicht belegten Messmethode werden Zell-Check-Geräte in manchen Apotheken und Arztpraxen eingesetzt. In einer Stichprobe in zwei Apotheken und einer Arztpraxis erhielt Markt nach einer Messung konkrete Therapie-Empfehlungen auf Grundlage der Ergebnisse:
- In einer Apotheke wurde dem Reporter wegen eines angeblichen Vitamin-D-Mangels die hochdosierte Einnahme von Vitamin-D-Tropfen empfohlen. Eine Blutanalyse zeigte jedoch, dass kein Vitamin-D-Mangel bestand.
- In der Arztpraxis erhielt der Reporter ein Rezept unter anderem für die hochdosierte Einnahme von verschiedenen B-Vitaminen. Laut Blutanalyse besteht bei diesen Vitaminen ebenfalls kein Mangelzustand.
Auf die Bitte um Stellungnahme reagiert eine der Apotheken mit einem Anwaltsschreiben und droht im Falle einer Berichterstattung mit rechtlichen Schritten. Die andere Apotheke verteidigt die Zell-Check-Methode und schreibt, der Zell-Check sei als Medizinprodukt zertifiziert, deshalb sei es "vertretbar und verantwortbar, das Gerät einzusetzen".
Die Vermarktungsfirma des Zell-Check, die Projekt Gesundheit Consulting GmbH, reagiert auf die Bitte um Stellungnahme ebenfalls mit einem Anwaltsschreiben, räumt darin aber ein: "Die Zell-Check-Analyse stellt keine direkte Messung dar." Und weiter: "Der Abgleich mit der Datenbank ist der entscheidende Faktor." Auch handelt es sich bei den im Analyse-Protokoll genannten Werten "nicht um die tatsächlichen Vitaminwerte im Körper".
Lukratives Geschäft für Ärzte, Apotheker und Hersteller
Die Messungen mit den Zell-Check-Geräten dienten in den Apotheken in der Stichprobe von Markt vor allem dazu vermeintliche Defizite an Nährstoffen aufzuzeigen, um den Patienten Nahrungsergänzungsmittel zu verkaufen.
Eine der von Markt aufgesuchten Apotheken wirbt auf ihrer Homepage bei anderen Apotheken für einen sogenannten
"Zell-Check-Aktionstag". Apotheken können dazu einen "Zell-Check-Profi" bestellen, der vor Ort Messungen durchführt. Der Nutzen für die Apotheke wird in einer Broschüre klar und deutlich beschrieben: "Generierung von Zusatzverkauf in der Apotheke. Natürlich erhalten Sie von uns vorab eine Empfehlungsliste für Artikel, die häufig nach einem Zell-Check vom Kunden gekauft werden."