Wie Schlachthöfe Arbeiter aus Osteuropa ausbeuten
Der Preisdruck in der Fleisch-Produktion hat nicht nur Auswirkungen auf die Tiere, sondern auch auf die Arbeiter in der Schlachtung und Zerlegung. Die meisten sind nicht direkt bei den Schlachthofbetreibern angestellt, sondern über sogenannte Werkverträge bei einem Subunternehmer. Betroffen sind vor allem Arbeiter aus Osteuropa.
So funktioniert das System der Werkverträge
Der Schlachthofbetreiber schließt mit dem Subunternehmer einen Werkvertrag ab, zum Beispiel über das Schlachten einer bestimmten Anzahl von Schweinen. Dafür bekommt der Subunternehmer eine festgelegte Summe. Auf welche Weise und mit wie vielen Mitarbeitern der Auftrag erledigt wird, bleibt dem Subunternehmer überlassen. Je weniger Arbeiter er beschäftigt, desto mehr bleibt ihm selbst von der festgelegten Summe übrig.
Schlechte Arbeitsbedingungen durch Werkverträge?
An einigen Schlachthöfen führt das System der Werkverträge offenbar zu sehr langen Arbeitszeiten und gefährlich schnellem Arbeitstempo. Das beschreiben Arbeiter, meist anonym, in Presse-Interviews. Auch die Berater von "Faire Mobilität", einem Projekt des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit Unterstützung des Bundesministeriums für Arbeit, berichten immer wieder von zahlreichen Missständen. Die Branche hat die Kritik in der Vergangenheit meist zurückgewiesen und von bedauerlichen Einzelfällen gesprochen.
Verstöße bei Arbeitszeit und Arbeitssicherheit
Die Arbeitsschutzverwaltung in Nordrhein-Westfalen hat 2019 die Einhaltung von Arbeitsschutzvorschriften in 30 Großbetrieben aus den Bereichen Schlachtung und Fleischverarbeitung überprüft. In den Betrieben arbeiteten insgesamt etwa 17.000 Beschäftigte. Bei der Kontrolle wurden 8.752 Verstöße festgestellt, davon allein 5.863 Arbeitszeitverstöße.
Häufige Arbeitszeitverstöße:
- Schichten von über 16 Stunden
- das Fehlen von Pausen
- das Fehlen der Ruhezeit von elf Stunden zwischen zwei Schichten
Verantwortlich dafür sind die Subunternehmer.
Außerdem wurden rund 300 technische Arbeitsschutzmängel mit teilweise hohem Gefährdungspotenzial festgestellt, zum Beispiel entfernte Schutzeinrichtungen an Werkzeugen, um schneller arbeiten zu können. Die festgestellten Mängel umfassten auch:
- zugestellte Fluchtwege
- verriegelte Notausgänge
- gefährlich abgenutzte Werkzeuge
Für diese Mängel sind die Schlachthofbetreiber größtenteils selbst verantwortlich.
Als problematisch erwies sich auch die Tatsache, dass es in fast keinem der kontrollierten Betrieb eine elektronische Zeiterfassung gab. Dadurch ist es unmöglich zu überprüfen, ob der Mindestlohn korrekt gezahlt wurde.
Freiwillige Selbstverpflichtung bringt kaum Verbesserung
Bereits 2015 versprachen die großen Betriebe der Fleischindustrie in einer freiwilligen Selbstverpflichtung, den Anteil der Stammbelegschaft - eigene festangestellte Mitarbeiter - zu erhöhen. Doch 2018 wurden nur 924 ehemalige Werkvertragstätige in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen. Bei einer Gesamtbeschäftigung von 46.371 Mitarbeitern bei den beteiligten Unternehmen waren immer noch 21.923 Werkvertragsarbeiter tätig, vor allem in den Kernbereichen Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung.
Festanstellung statt Werkvertrag bei Böseler Goldschmaus
Das Unternehmen Böseler Goldschmaus hat 2017 nach und nach alle zumeist osteuropäischen Werkvertragstätigen übernommen. Die Mitarbeiter der Personalabteilung haben etwas Rumänisch gelernt, um sich mit den Arbeitskräften verständigen zu können. Sie helfen ihnen bei Behördengängen und bei der Kommunikation mit Krankenkassen. Das Unternehmen organisierte außerdem den Bau von Werkswohnungen.
Die meisten Werkvertragstätigen nahmen das Angebot zur Festanstellung an. Das Modell sprach sich herum und es kamen noch mehr Arbeiter dazu. Offenbar ist das Angebot einer Festanstellung auch deshalb so beliebt, weil sich Böseler Goldschmaus bemüht, auch den Familien der Arbeiter ein Leben in Deutschland zu ermöglichen. Denn viele Werkvertragstätige leiden unter der Trennung von ihren Familien in Osteuropa.