Plastikfrei leben: Wie geht das?
Plastikmüll ist mittlerweile zu einem globalen Umweltproblem geworden. Plastik verschmutzt nicht nur Ozeane und Landschaften, sondern gelangt über die Nahrungskette als Microplastik auf unsere Teller. Das Material ist in unserem Alltag allgegenwärtig. Was können Verbraucher gegen die Plastikflut machen?
"Mama, warum kaufen wir so viel Plastik?" Vor zweieinhalb Jahren gibt diese Frage ihrer Kinder der Radiojournalistin Dagmar Penzlin den Anstoß, den Familienalltag plastikfreier zu gestalten - Schritt für Schritt. Vor einem Jahr schließlich gründet sie zusammen mit Kirsten Ahsendorf einen Plastikfrei-Stammtisch: "Gut leben ohne Plastik Nordheide". Bereits zum ersten Treffen in Hanstedt kommen überraschenderweise 30 Menschen aus dem ganzen Landkreis Harburg, um sich über die Möglichkeiten eines Alltagslebens mit weniger Plastik zu informieren und Erfahrungen auszutauschen.
Offen für alle: Plastikfrei-Stammtisch
Dagmar Penzlin erfährt von Plastikfrei-Stammtischen in Süddeutschland und lässt sich inspirieren. Perfektion ist beim plastikfreien Leben nicht das Ziel. Die Idee ist, dass besser viele Leute anfangen, plastikfreier zu leben, als dass nur wenige es perfekt schaffen. Auch beim Plastikfrei-Stammtisch in der Nordheide ist das Motto von Dagmar Penzlin: "Jeder Beitrag ist wertvoll. Jedes Plastik-Sparen hilft." Und Kirsten Ahsendorf ergänzt: "Die reine Lehre zu verbreiten, das geht nicht. Man muss Toleranz mitbringen."
Die Treffen des Stammtischs sind kostenlos. Jeder soll sich problemlos die Teilnahme leisten können. Deswegen finden sie nicht in einem Café statt, sondern im Hanstedter Küsterhaus - finanziell unterstützt von der Bürgerstiftung Hanstedt. Bei den Treffen setzen die Organisatorinnen Schwerpunkte - etwa plastikfrei Waschen oder Gärtnern. Auf großes Interesse stoßen Rezepte etwa für selbst hergestelltes Waschmittel.
Tipps zum plastikfreien Leben:
- Plastikfasten: Um in ein plastikfreieres Leben zu starten, kann man bewusst Plastik fasten. Über sechs, sieben Wochen versucht man, möglichst keine neuen Plastikverpackungen zu kaufen und nach und nach Alternativen zu Plastik im Haushalt zu finden. Dabei kann man sich jede Woche ein neues Thema vornehmen: zum Beispiel Einkaufen, Waschen oder Putzen.
- Alternativen zu plastikverpackten Produkten finden: Plastikfrei Haare waschen geht mit Haarseifen aus biologisch angebauten Zutaten. Geschirrspülpulver kann aus Zutaten wie Natron, Zitronensäure und Waschsoda selbst hergestellt werden, ebenso Vollwaschmittel aus Kernseife und Waschsoda. Statt Flüssigseife zu nutzen, besteht die Möglichkeit, feste Seifenstücke zu verwenden oder Flüssigseife aus Kernseife selbst zu machen. Auch Deos lassen sich selbst herstellen.
- Einkaufen: Obst und Gemüse kann im Supermarkt oder auf dem Markt in wiederverwendbare Netze aus Kunststoff oder Stoff verpackt werden. Möglichst viel in Mehrweg-Verpackungen kaufen - etwa Getränke, Milch oder Joghurt. In Unverpackt-Läden gibt es etwa Kosmetik- und Nahrungsmittel wie Reis oder Müsli zum Selbstabfüllen. Bei manchen Supermärkten und Marktständen kann man auch eigene Behälter für Käse, Aufschnitt oder Salat von der Frischetheke mitbringen. Fragen lohnt sich.
Gerade das Abfüllen in eigene Behälter ist immer wieder ein viel diskutiertes Thema. Deswegen erkundigt sich Dagmar Penzlin beim Niedersächsischen Verbraucherschutzministerium, ob die Kunden Lebensmittel in Läden oder auf dem Markt in eigene Gefäße füllen dürfen. Die Antwort: Es ist erlaubt.
Plastikmüll: Weniger und bessere Kunststoffe nötig
Aktuell werden Hunderte Millionen Tonnen Kunststoff im Jahr neu produziert, nur wenige Tonnen durchlaufen wirklich einen Recycling-Prozess. Wenn Plastikmüll im Ökosystem Meer landet, verursacht das große Schäden. Am Ende gelangt das Plastik in die Nahrungskette und so mit dem Fisch auf unseren Tellern. Wolfgang Rommel, Professor für Umwelt- und Verfahrenstechnik in Augsburg, fordert deswegen ein Umdenken hin zu weniger und besseren Kunststoffen, hin zu mehr Kreislaufwirtschaft. Plastikfreier zu leben sei ein Ansatz. Stammtische könnten dabei helfen, sagt der Umweltexperte, da sie Bewusstsein schaffen und emotionalisieren: "Man kann Menschen viel besser auf einer emotionalen Ebene ansprechen als auf einer rationalen." Die Bevölkerung müsse der Politik stärker signalisieren, was sie wolle, glaubt Rommel.
Plastikfrei und Spaß dabei
Innerhalb eines Jahres nach der Gründung des ersten Plastikfrei-Stammtisches in Hanstedt gibt es vier weitere Stammtische im Landkreis Harburg. Auch der Klimaschutzmanager des Landkreises Harburg, Oliver Waltenrath, freut sich über diese wachsende Plastikfrei-Bewegung quasi vor seiner Bürotür. Er finde es toll, dass Klima- und Umweltschutz nicht allein von den Behörden betrieben werde, sondern dass es von der Basis komme.
Der Stammtisch in Hanstedt kann sich nicht über nachlassendes Interesse beklagen. Zu den Treffen mit Themen wie "Sommer, Sonne - plastikfrei!" oder "Mehr Mehrweg wagen" kommen nach wie vor rund 25 Menschen. Die beiden Gründerinnen Dagmar Penzlin und Kirsten Ahsendorf sind überzeugt vom Stammtisch-Konzept. Kirsten Ahsendorf findet, dass man gut Erfahrungen austauschen könne und Ideen bekomme, wenn man Leute treffe, die in der gleichen Region leben und die gleichen Einkaufsgegebenheiten hätten. "Dann ist man motivierter, dabei zu bleiben."