Zöliakie: Gluten-Unverträglichkeit erkennen und behandeln
Nicht nur in Weizenbrot und Kuchen lauert für manche Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit eine Gefahr: Wer Zöliakie hat, für den sind schon kleinste Mengen Gluten gesundheitsschädlich.
Gluten, ein sogenanntes Klebereiweiß, steckt in vielen Getreidesorten, etwa Weizen, Gerste, Roggen oder Dinkel. Und Getreideextrakte wiederum sind Bestandteil von Backwaren, aber auch zahlreichen Fertigprodukten.
Bei Zöliakie produziert das Immunsystem Antikörper, die das Gluten im Dünndarm angreifen. Sie verursachen eine chronische Entzündung, die die empfindlichen Zellen der Darmschleimhaut und die Darmzotten zerstört. Die Krankheit kann in jedem Alter ausbrechen. Nach aktuellen Studien sind 5 bis 10 von 1.000 Deutschen betroffen, zwei Drittel davon Frauen. Nicht bei allen ist die Erkrankung im Vollbild ausgeprägt - manche bemerken kaum Symptome. Die Zöliakie, früher auch Sprue genannt, beruht auf einer bleibenden Unverträglichkeit gegenüber Gluten. Sie ist eine Autoimmunerkrankung und nicht zu verwechseln mit einer Weizenallergie oder Weizensensitivität.
Ursachen der Zöliakie
Die Ursachen für die Ausbildung einer Zöliakie sind bisher nicht eindeutig geklärt, doch spielt Vererbung eine Rolle: 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung haben offenbar genetisch bedingt ein etwa dreifach erhöhtes Erkrankungsrisiko. Infektionen, die Ernährung und Umweltfaktoren scheinen die Entwicklung der Krankheit zu beeinflussen. Nicht selten tritt eine Zöliakie zusammen mit anderen Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 1, Autoimmunerkrankungen der Haut oder der Schilddrüse sowie bei genetischen Auffälligkeiten wie dem Down-Syndrom auf.
Autoimmunreaktion durch Gluten
Bei Zöliakie-Erkrankten löst Gluten eine Autoimmunreaktion aus, die zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut und einer Rückbildung der Zotten führt. Dadurch können Erkrankte nicht mehr genügend Nährstoffe aufnehmen, denn der Dünndarm, wo der Nahrungsbrei in seine Bestandteile zerlegt wird, ist in seiner Funktion massiv gestört.
Zöliakie behindert die Nährstoffversorgung des Körpers
Normalerweise gelangen verwertbare Nahrungsbestandteile über die Darmschleimhaut in die dahinterliegenden kleinen Blutgefäße und damit in den ganzen Körper. Um eine möglichst große Oberfläche zur effektiven Nährstoffaufnahme zu erhalten, ist die Dünndarmwand mit Abermillionen von winzigen, haarähnlichen Ausstülpungen ausgekleidet - den sogenannten Zotten. Werden diese Zotten zerstört, verringert sich Oberfläche des Dünndarms.
Besonders bei Kindern kann die gestörte Dünndarmfunktion zu einer Mangelernährung und damit zu Wachstums- und Entwicklungsstörungen führen. Aufgrund der Mangelversorgung wird die Zöliakie als Systemerkrankung angesehen, die den gesamten Körper betrifft. Die Entzündung bleibt bestehen, solange der Betroffene glutenhaltige Lebensmittel isst. Sie geht zurück, sobald der Dünndarm nicht mehr mit Gluten konfrontiert wird.
Zöliakie-Symptome: Verdauungsprobleme und Minderung des Allgemeinbefindens
Nur bei 10 bis 20 Prozent der Betroffenen liegt das sogenannte Vollbild der Zöliakie vor - viele haben untypische oder gar keine Symptome und ahnen daher lange nichts von ihrer Erkrankung. Typische Anzeichen der Zöliakie sind Durchfall, Fettstühle, Übelkeit und Erbrechen sowie ein aufgeblähter Bauch. Allgemeinsymptome wie Müdigkeit, Gewichtsverlust und Appetitlosigkeit, Knochen- und Muskelschmerzen und Muskelschwäche können ebenfalls auftreten.
In vielen Fällen zeigt sich die Erkrankung aber auch nur indirekt durch die Folgen der Mangelernährung. So kann Eisenmangel eine Blutarmut bewirken oder unzureichende Kalziumaufnahme zu einer Osteoporose führen. Bleibt die Glutenunverträglichkeit unerkannt, kann es bei Kindern und Jugendlichen durch die Mangelversorgung zu Entwicklungsverzögerungen kommen. Bei Erwachsenen drohen als weitere Komplikationen unter anderem Unfruchtbarkeit und Darmkrebs.
Zöliakie-Diagnose durch Antikörper und Biopsie
Beim Verdacht auf Zöliakie kann zunächst das Blut auf spezielle Auto-Antikörper untersucht werden. Eine endgültige Absicherung der Diagnose erfolgt durch eine endoskopische Dünndarmbiopsie. Dabei führt der Arzt eine Kamerasonde über Mund, Speiseröhre und Magen in den Dünndarm ein und entnimmt Proben der Dünndarmschleimhaut, die mikroskopisch untersucht werden. Auf diese Weise lässt sich feststellen, ob es zu Veränderungen der Dünndarmzotten gekommen ist, die für Zöliakie typisch sind. Die Untersuchung wird in der Regel ambulant durchgeführt und dauert meist nur 10 bis 15 Minuten.
Von Stuhltests auf bestimmte Antikörper oder anderen Schnelltests rät die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft ab, weil sie keine sichere Diagnose ermöglichten. Zudem sollte die Diagnostik unbedingt vor einer Ernährungsumstellung erfolgen, um einen sicheren Befund zu erhalten.
Therapie bei Zöliakie
Zöliakie ist unheilbar. Die einzige Möglichkeit, eine Zöliakie zu behandeln, ist eine strikt glutenfreie Diät. Solange die Diät eingehalten wird, leben Zöliakie-Patienten in der Regel beschwerdefrei. Denn die glutenfreie Ernährung führt dazu, dass sich die entzündete und abgeflachte Dünndarmschleimhaut regeneriert und wieder ihre normale Form und Funktion einnimmt. Eine Besserung der Beschwerden tritt oft schon nach wenigen Tagen glutenfreier Ernährung auf. Die Veränderungen an der Dünndarmschleimhaut bilden sich innerhalb einiger Monate zurück. Schon bei winzigen Glutenmengen kommt es allerdings erneut zu einer Schädigung der Schleimhaut.
Glutenfreie Ernährung bei Zöliakie
Zöliakie-Patienten müssen daher ihre Ernährung und Lebensweise grundlegend umstellen und sämtliche Lebensmittel, die Gluten auch nur in Spuren enthalten, ihr Leben lang vermeiden. Glutenhaltige Getreidesorten sind Bestandteil vieler Lebensmittel wie Brot, Graupen, Nudeln, Bier, Malzkaffee, Kuchen, Schokolade, Ketchup und Müsli. Selbst viele "unverdächtige" industriell gefertigte Produkte und Fertiggerichte enthalten Gluten, etwa manche Wurstwaren. Das Klebereiweiß steckt auch in manchen Medikamenten. Auch Betroffene, die nur leichte oder gar keine Symptome haben, sollten sich strikt glutenfrei ernähren. Denn sonst besteht die Entzündung in der Dünndarmschleimhaut weiter, und es kann langfristig zu Komplikationen wie einem Nährstoffmangel kommen.
Glutenfreie Alternativen: Amarant, Buchweizen, Hirse, Mais, Reis, Kartoffeln, Kichererbsen
Für glutenfreie Beilagen, Müslis und Backwaren stehen zum Beispiel Amarant, Buchweizen, Hirse, Mais, Reis, Kartoffeln, Kichererbsen und nicht-kontaminierter Hafer zur Verfügung. Im Handel gibt es eine Reihe von Produkten, die mit einer durchgestrichenen Weizenähre als glutenfrei gekennzeichnet sind. Zudem muss laut Lebensmittelverordnung auf nahezu allen verpackten Lebensmitteln die Verwendung von Gluten ausgewiesen werden, auch wenn die Menge nur minimal ist. Bei loser Ware sollten Betroffene gezielt nachfragen.
Zöliakie-Patienten wird eine sehr nährstoffreiche, gemüsebasierte Ernährung empfohlen, mit gesundem Eiweiß, gesunden Fetten, Kartoffeln und Reis. Brot aus glutenfreien Getreidesorten kann nach Verträglichkeit gegessen werden. Zum Abbinden von Suppen und Soßen eignen sich Kartoffel- oder Maisstärke, Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl oder glutenfreie Soßenbinder. Zum Panieren gibt es glutenfreies Paniermehl oder Semmelbrösel aus glutenfreiem Brot. Beim Backen mit glutenfreien Mehlsorten lässt sich das fehlende Klebereiweiß beispielsweise durch Guarkernmehl ersetzten.
Weitere Unverträglichkeiten beachten
Einige Betroffene können aufgrund der Schädigung der Dünndarmschleimhaut Fett und Milchzucker (Laktose) nur eingeschränkt vertragen. Sie sollten auf Fett und laktosehaltige Milchprodukte verzichten, bis sich die Darmschleimhaut unter der glutenfreien Diät komplett regeneriert hat.
Betroffene müssen strikt auf Küchenhygiene achten
Mit einer glutenfreien Nahrungsmittelauswahl allein ist es allerdings nicht getan: Betroffene müssen penibel darauf achten, dass ihre Speisen weder bei der Lagerung noch bei der Zubereitung mit glutenhaltigen Lebensmitteln kontaminiert werden. Sie sollten zum Beispiel zu Hause einen eigenen Toaster, eigene Kochlöffel und eigene Backformen nutzen und ein Auge darauf haben, dass Arbeitsplatten und Geschirrhandtücher frei von Mehlspuren sind. Glutenfreie Lebensmittel dürfen auch nicht im gleichen Frittierfett wie glutenhaltige Lebensmittel zubereitet werden. Empfehlenswert sind eine ausgiebige Diätberatung und eine Einweisung durch einen Spezialisten.