Eine Frau sitzt auf dem Sofa und hält sich mit beiden Händen den Rücken. © IMAGO / Panthermedia

Stiff-Person-Syndrom: Symptome, Verlauf, Auslöser und Behandlung

Stand: 03.03.2025 10:10 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Schmerzhafte Anfälle von Muskelsteifheit und -krämpfen in Beinen und Rücken sind typische Symptome beim Stiff-Person-Syndrom. Auslöser, Verlauf und Behandlung der Autoimmunerkrankung.

von Dagmar Lüdke-Bonnet

Frauen sind von der Autoimmunerkrankung Stiff-Person-Syndrom etwa doppelt so häufig betroffen wie Männer - ein berühmtes Beispiel ist die Sängerin Céline Dion, die seit Jahren an der Krankheit leidet. Bei einem Anfall können sich Betroffene nicht mehr normal bewegen und erstarren sogar manchmal kurzfristig.

Symptome beim Stiff-Person-Syndrom: Muskelsteifigkeit, Gangstörung, Schmerzen

Die Muskeln am Rücken und Bauch sind meist zuerst betroffen: Sie werden immer steifer und fester, krampfen sich zusammen, so dass es zu Rückenschmerzen und Verbiegungen der Wirbelsäule kommt, bis hin zum extremen Hohlkreuz. Darüber hinaus entwickeln die Muskeln der Hüften und Beine ebenfalls eine Muskelsteifheit und erhöhte Anspannung. Dann wird der Gang langsamer und stockend, es kommt zu Stürzen.

Die schmerzhaften Muskelspannungen können anfallsweise zunehmen. Vor allem bei plötzlichen Reizen wie Geräuschen, Berührung, Schreck oder Stress ziehen sich die Muskeln blitzartig zusammen und werden steif wie ein Brett. Bei solchen Muskelkrämpfen erstarren Betroffene kurzfristig zur Bewegungslosigkeit. Langfristig kann es zu Gelenk-Fehlstellungen kommen. Außerdem kommen beim Stiff-Person-Syndrom auch Symptome wie Herzrasen, Bluthochdruck und übermäßiges Schwitzen hinzu. Betroffene sind oft besonders schreckhaft, manche leiden an Angstzuständen.

Ursachen und Auslöser: Immunsystem greift Enzym im Gehirn an

Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine chronische Autoimmunerkrankung. Häufig bestehen bei Betroffenen gleichzeitig weitere Autoimmunerkrankungen wie zum Beispiel Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Diabetes mellitus Typ I. Auslöser sind Antikörper, die ein wichtiges Enzym im Gehirn angreifen: die Glutamatdecarboxylase (GAD). Das Enzym spielt eine entscheidende Rolle bei der Kontrolle der Nervenzellen. Fällt es aus, spielt das Nervensystem verrückt. Die Muskeln werden übererregt, sodass Muskelkrämpfe entstehen.

Seltene Erkrankung: Stiff-Person-Syndrom spät erkannt

Das Stiff-Person-Syndrom wird oft nicht gleich erkannt und die Diagnose erst spät gestellt, denn das Stiff-Person-Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung. Sie beginnt oft im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, kann aber in jedem Lebensalter auftreten. Die vielfältigen Beschwerden werden oft erst als Funktionsstörungen, neurologische oder psychiatrische Probleme verkannt. Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie Multiple Sklerose, Parkinson oder neurologische Bewegungsstörungen (Dystonie) müssen ausgeschlossen werden.

Diagnose: GAD-Antikörper im Blut erhöht

Für die Diagnose sind neurologische Tests und elektrophysiologische Untersuchungen wichtig. Bei einer Elektromyographie (EMG) wird mit feinen Untersuchungsnadeln die andauernde elektrische Aktivität in den betroffenen Muskeln gemessen. Die Untersuchung von Nervenwasser kann weitere wichtige Hinweise auf die Erkrankung geben. Zusätzlich erfolgt eine Blutuntersuchung auf bestimmte Antikörper, die typischerweise bei dieser Autoimmunkrankheit vorkommen, unter anderem erhöhte GAD-Antikörper, die bei etwa 70 Prozent der Erkrankten nachweisbar sind.

Behandlung, aber keine Heilung: Medikamente, Physio- und Immuntherapie

Das Stiff-Person-Syndrom lässt sich nicht heilen - mit einer dauerhaften Behandlung können aber stabile Phasen über Monate oder Jahre erreicht werden. Basis ist die symptomatische Therapie mit Physiotherapie und muskelentspannenden Maßnahmen. Zusätzlich gibt es Medikamente, die das überaktive Immunsystem beruhigen (kausale Therapie).

  • Symptomatische Therapie: Physiotherapie, Krankengymnastik und Muskelentspannung können die Muskeln lockern und die Bewegungsfähigkeit verbessern. Außerdem sollen auslösende Reize wie Lärm oder Stress bestmöglich vermieden werden, um Anfälle zu verhindern. Zusätzlich helfen muskelentspannende Medikamente (zum Beispiel Baclofen, Tizanidin und Diazepam). In Einzelfällen kann Botox (Botulinumtoxin) in die besonders betroffene Muskulatur gespritzt werden, um das Verkrampfen zu vermeiden.
  • Kausale Therapie: Gegen das Stiff-Person-Syndrom helfen Medikamente, die das fehlgeleitete Immunsystem dämpfen. Zum Einsatz kommen Kortisonpräparate (zum Beispiel Prednisolon, Methylprednisolon). In akuten Fällen können auch Antikörper (intravenöse Immunglobuline) gespritzt oder per Infusion verabreicht oder eine Blutwäschebehandlung (Plasmapherese) durchgeführt werden. Als Langzeitbehandlung werden Immunsuppressiva eingesetzt (zum Beispiel Azathioprin, Mycophenolatmofetil und Rituximab).

Verlauf: Wie hoch ist die Lebenserwartung mit Stiff-Person-Syndrom?

Die Krankheit verläuft oft chronisch, Rückfälle und eine schleichende Verschlechterung der Symptome sind auch unter Therapie möglich. Bei eingeschränkter Bewegungs- oder Gehfähigkeit verwenden Erkrankte häufig Gehhilfen oder einen Rollstuhl. Die Lebenserwartung ist nicht zwangsläufig verkürzt, allerdings können schwere Stürze oder Krankheitskrisen das Risiko erhöhen, früher zu versterben.

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