Ozempic: Für wen eignet sich die Abnehmspritze?
Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid ist ein hochwirksames Diabetes-Medikament. Weil es den Appetit zügelt, wird es immer häufiger auch als Diät-Mittel genutzt. Doch ist Ozempic zum Abnehmen überhaupt sinnvoll?
Ozempic ist ein sehr wirksames Medikament für Menschen mit schwer einstellbarem Diabetes Typ 2, die zusätzlich auch noch koronare Erkrankungen haben. Einmal wöchentlich muss Ozempic ins Unterhautfettgewebe von Oberarm, Bauch oder Oberschenkel gespritzt werden. Dies können Betroffene unproblematisch zuhause durchführen. Das Medikament wirkt dabei auf drei Ebenen:
- senkt den Blutzuckerspiegel
- hilft beim Abnehmen
- schützt die Gefäße
Ozempic sorgt für Sättigung und verlangsamt Magenentleerung
Der in Ozempic enthaltene Wirkstoff Semaglutid ahmt das Hormon GLP-1 nach, das im Zwölffingerdarm produziert wird. Es wirkt einmal im Gehirn und erzeugt das Gefühl der Sättigung. Außerdem verlangsamt es die Magenentleerung. Semaglutid dockt außerdem in der Bauchspeicheldrüse an bestimmte Rezeptoren an, die dafür sorgen, dass mehr Insulin ausgeschüttet wird. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel sinkt.
Selbst Diabetes-Erkrankte, die schon eine Insulinresistenz haben, können so teilweise ganz auf das Spritzen von Insulin verzichten. Die Insulinproduktion wird wieder angekurbelt und der Blutzuckerspiegel normalisiert sich - aber nur, solange das Medikament regelmäßig gespritzt wird.
Ozempic wird zum Lifestyle-Medikament - Gefahr von Engpässen
Problematisch wird es für Diabetes-Erkrankte, wenn das Medikament plötzlich abgesetzt wird, weil es - wie in letzter Zeit häufig geschehen - nicht verfügbar ist. Die Hersteller kommen aufgrund der großen Nachfrage mit der Produktion nicht hinterher. Denn seit der Wirkstoff Semaglutid auch zur Bekämpfung von Übergewicht zugelassen ist, gibt es weltweit einen regelrechten Run auf das Medikament. Auch, weil bei Hollywood-Stars Ozempic gerade Mode ist. Viele Menschen besorgen sich Ozempic zum Abnehmen auf eigene Kosten, mit Privatrezept. Der sogenannte Off-Label-Use - die Anwendung eines zugelassenen Arzneimittels zur Behandlung einer Erkrankung, für die es nicht zugelassen ist - ist für Ärztinnen und Ärzte legal.
Ozempic kein harmloser Appetitzügler
Personen, die Ozempic als harmlosen Appetitzügler begreifen und schnell ein paar Pfunde abnehmen wollen, gefährden sich selbst. Denn Ozempic kann erhebliche Nebenwirkungen verursachen. Außerdem bringen sie durch ihr Verhalten Menschen in Gefahr, die aufgrund ihrer Diabetes-Erkrankung dringend auf Ozempic angewiesen sind. Der Deutsche Apothekerverband schlägt Alarm, dass Lieferengpässe die Versorgung von Menschen mit Diabetes gefährden.
Medikament kann zu starkem Gewichtsverlust führen
Medikamente wie Ozempic mit dem Wirkstoff Semaglutid sind auch für Menschen, die unter krankhaftem Übergewicht, Adipositas, leiden, gut geeignet - wenn sie ausreichend zur Verfügung stünden, sagen Medizinerinnen und Mediziner. Bislang blieb vielen schwer übergewichtigen Menschen nur eine Operation, um ausreichend abzunehmen. Adipositas ist eine chronische Erkrankung. Wer einmal übergewichtig ist, hat einen Stoffwechsel entwickelt, der es sehr schwer macht, auf Dauer viel abzunehmen. Semaglutidpräparate wie Ozempic greifen genau an dieser Stelle an. Sie können zu einem massiven Gewichtsverlust führen.
Wirkung von Semaglutid beim Abnehmen
Im Gehirn, genauer im Hypothalamus, liegt das Zentrum für Appetitregulation. Das Medikament bewirkt, dass das Gehirn ein Sättigungssignal aussendet. Die Lust zu essen sinkt. Außerdem befiehlt das Hirn dem Magen nach Einnahme des Medikamentes, das Essen länger im Magen zu behalten. Auch das führt zu einem längeren Sättigungsgefühl. Deshalb verlieren Menschen durch Semaglutid im Durchschnitt knapp 17 Prozent ihres Körpergewichts. Semaglutid wirkt sich auch auf das Belohnungssystem aus: Die Lust auf Junkfood, also sehr fett- und kohlenhydratreiches Essen, nimmt ab.
Medikament mit Semaglutid muss dauerhaft genommen werden
Semaglutid muss allerdings dauerhaft gespritzt werden, denn wenn es abgesetzt wird, kehrt das verlorene Gewicht schnell wieder zurück. Deshalb muss die Therapie unbedingt einhergehen mit einer Lebensstiländerung: Mehr Bewegung und eine Ernährungsumstellung sind wichtige Bestandteile der Behandlung.
Starke Nebenwirkungen möglich
Semaglutid greift stark in die Körperfunktionen ein und es können verschiedene Nebenwirkungen auftreten:
- dauerhafte Übelkeit
- dauerhaftes Völlegefühl
- Erbrechen
- Verstopfungen
- Kopfschmerzen
- Durchfall
- Bauchspeicheldrüsenentzündung
Deshalb darf das Medikament ausschließlich unter ärztlicher Betreuung eingesetzt werden und keinesfalls auf eigene Faust, um mal schnell ein paar Kilos zu verlieren. Häufig treten die Nebenwirkungen nur eine begrenzte Zeit auf. Deshalb wird die Dosis meist langsam gesteigert.
Semaglutid senkt Risiko von Herz-und Gefäßerkrankungen
Übergewicht und Adipositas sind bekannte Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall. In der Studie "SELECT" zeigte sich, dass Erwachsene mit Adipositas, die mit dem Wirkstoff Semaglutid behandelt wurden, nach einer Anwendungsdauer von 33 Monaten ein um 20 Prozent geringeres Risiko schwerer Herz-Kreislauf-Ereignisse hatten. Untersucht wurden über 44 Jahre alte Patientinnen und Patienten, die sowohl eine Herz- oder Gefäßkrankheit (Myokardinfarkt, Schlaganfall, periphere arterielle Verschlusskrankheit) als auch einen Body-Mass-Index über 26, aber keinen Diabetes mellitus hatten. 8.803 Probanden erhielten einmal wöchentlich Semaglutid, 8.801 Probanden ein wirkstofffreies Placebo-Präparat. Nach einer durchschnittlichen Nachbeobachtungszeit von 39,8 Monaten zeigte sich, dass die Anwendung von Semaglutid im Vergleich zu dem Placebo das Risiko verringerte, einen nicht-tödlichen Myokardinfarkt oder einen nicht-tödlichen Schlaganfall zu erleiden oder aufgrund eines kardiovaskulären Problems zu versterben.
Schützen Abnehmspritzen auch vor weiteren Erkrankungen?
Bei einer Langzeitstudie, die mehr als 1,2 Millionen Menschen mit Diabetes 15 Jahren lang beobachtete, zeigte sich, dass Patientinnen und Patienten, die mit Liraglutid oder Semaglutid behandelt wurden, ein deutlich niedrigeres Risiko für Darmkrebs aufwiesen als diejenigen, die Insulin oder ein anderes Diabetesmedikament bekamen. Und es gibt sogar Hinweise darauf, dass Abnehmspritzen auch das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, verringern könnten.
Abnehmspritze für stark übergewichtige Kinder?
Bisher stehen Semaglutid und der ähnliche Wirkstoff Liraglutid (Handelsname Saxenda) für die Behandlung der Adipositas für Jugendliche ab einem Alter von zwölf Jahren zur Verfügung, sofern sie schwerer als 95 Prozent ihrer Altersgruppe sind und mehr als 60 Kilogramm wiegen. Künftig könnte Liraglutid auch für Kinder ab einem Alter von sechs Jahren eingesetzt werden, sofern andere Maßnahmen nicht ausreichend wirken.
In einer Studie mit 82 Kindern im Alter von sechs bis elf Jahren führte Liraglutid im Vergleich zu einem Placebo zu einer deutlichen Gewichtsabnahme. Die Spritze ist dabei Teil einer umfassenden Therapie mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung. Viele Experten sehen das positiv, da Liraglutid das Hungergefühl reduziert und so die Ernährungsänderungen im Alltag erleichtert. Noch ungeklärt sind die langfristigen Risiken für Kinder, die in ihrer Wachstumsphase diese Wirkstoffe gespritzt bekommen. Unklar ist ebenfalls, ob auch Kinder lebenslang auf das Medikament angewiesen sein werden, um nicht wieder ein starkes Übergewicht zu entwickeln.
Wegovy mittlerweile auch in Deutschland erhältlich
Seit 2022 ist der Wirkstoff Semaglutid in der EU von der Europäischen Arzneimittel-Agentur unter dem Handelsnamen Wegovy zur Behandlung von starkem Übergewicht zugelassen. Es ist mehr als doppelt so hoch dosiert wie Ozempic. Wegovy darf bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 verordnet werden, oder bei Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck ab einem BMI von 27. In Deutschland ist die Abnehmspritze des dänischen Herstellers Novo Nordisk seit Mitte Juli 2023 erhältlich.
Mittlerweile ist auch der noch wirksamere Wirkstoff Tirzepatid aus den USA unter dem Namen Mounjaro zur Behandlung der Adipositas zugelassen, allerdings erst für Betroffene ab 18 Jahren. Er kombiniert den Wirkansatz des Semaglutids mit einem weiteren Wirkprinzip und erreicht so etwa 50 Prozent mehr Gewichtsabnahme als Semaglutid. Zudem forscht die Pharmaindustrie an weiteren Medikamenten mit ähnlichen Wirkstoffen.
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