Künstliche Befruchtung: Unterstützung beim Kinderwunsch
Jedes sechste Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Die Reproduktionsmedizin verspricht Hilfe dank künstlicher Befruchtung. Wie läuft eine Behandlung ab? Wie groß sind die Chancen? Wer trägt die Kosten?
Ein Paar wünscht sich ein Kind, doch auf natürlichem Wege wird die Frau nicht schwanger. In diesem Fall führt der erste Weg zum Gynäkologen. Manchmal reichen schon eine Anpassung der Lebensgewohnheiten oder ein wenig medikamentöse Unterstützung, die den Zyklus reguliert. Führt dies nicht zum gewünschten Erfolg, verweisen Frauenarzt oder -ärztin oft an spezialisierte Kinderwunsch-Praxen.
Seit 1997 ist die Zahl der durch künstliche Befruchtung gezeugten Kindern rasant gestiegen, von 6.577 Kinder im Jahr 1997 auf 22.209 im Jahr 2020, so ein Bericht des Deutschen IVF-Registers (DIR) von 2022. Was genau passiert in einer Kinderwunsch-Praxis? Welche Möglichkeiten bieten sich Paaren mit Kinderwunsch? Und zahlt die Krankenkasse die Behandlung?
Unerfüllter Kinderwunsch: Diagnose in der Kinderwunsch-Praxis
Beim ersten Termin in der Kinderwunsch-Praxis wird zunächst eine genaue Anamnese durchgeführt. Im Gespräch und durch Laboruntersuchungen ermittelt der behandelnde Arzt oder die Ärztin mögliche Ursachen für die ungewollte Kinderlosigkeit. Zu den häufigsten Gründen für Unfruchtbarkeit gehören laut Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (BMFSFJ) Infektionskrankheiten, die die Fruchtbarkeit schädigen (wie etwa Chlamydien). Doch auch hormonelle Störungen und organische Defekte können die Familienplanung erschweren. Dazu gehört zum Beispiel eine zu geringe Spermienzahl oder -qualität beim Mann oder eine Zyklusstörung bei der Frau, beispielsweise verursacht durch das PCO-Syndrom oder eine Endometriose.
Künstliche Befruchtung: Wege zum Wunschkind
Je nach Diagnose können unterschiedliche Behandlungen durchgeführt werden. In manchen Fällen ist eine künstliche Befruchtung der einzige Weg, einem Paar zu einem Baby zu verhelfen. Doch auch bei nicht eindeutigen Diagnosen raten Reproduktionsmediziner oft zu Formen der assistierten Befruchtung.
Das Alter des Paares, insbesondere der Frau, spielt bei der Wahl der Behandlung eine wichtige Rolle. Statistisch sinkt sowohl die Anzahl als auch die Qualität der Eizellen ab einem Alter von 35 Jahren schnell ab. Zumindest die Menge der verbleibenden Eizellen kann per Blutuntersuchung festgestellt werden. Ist eine Frau über 35 und ihre Eizellmenge ist bereits reduziert, wird oft ebenfalls eine künstliche Befruchtung empfohlen. Auch gleichgeschlechtliche Paare oder alleinstehende Frauen können eine künstliche Befruchtung nutzen, um ihren Kinderwunsch zu erfüllen.
Die künstliche Befruchtung ist ein Oberbegriff für verschiedene Formen der assistierten Befruchtung. Die Verfahren sind unterschiedlich aufwendig und kostenintensiv. Drei Methoden sind die bekanntesten: die Intrauterine Insemination (IUI), die In-Vitro-Fertilisation (IVF) und die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Die Intrauterine Insemination (IUI)
Bei der Intrauterinen Insemination (IUI) werden Spermien gewonnen und im Labor aufbereitet, das heißt, nur die gesunden Samenzellen bleiben übrig. Diese werden mit einem Katheter in die Gebärmutter der Frau geleitet. Hier spielt das richtige Timing eine entscheidende Rolle. Deswegen wird in der ersten Zyklushälfte mehrfach der Aufbau der Gebärmutterschleimhaut und das Heranreifen der Eizellen per Ultraschall überprüft.
In manchen Fällen wird zur Unterstützung dieses Prozesses eine hormonelle Stimulation durchgeführt: Die Frau setzt sich über ein bis zwei Wochen Spritzen, die die Eizellreifung fördern. Hat ein heranreifender Follikel im Eierstock die optimale Größe erreicht, wird der Eisprung medikamentös ausgelöst. Anschließend werden die aufbereiteten Spermien in die Gebärmutter oder den Eileiter eingebracht.
Die In-Vitro-Fertilisation (IVF)
Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) wird im ersten Schritt durch eine hormonelle Stimulation der Eierstöcke in der ersten Zyklushälfte die Zahl der heranreifenden Eizellen künstlich erhöht. Die Hormongabe ist hier höher dosiert als bei der Insemination. Im zweiten Schritt werden die Eizellen vaginal abgesaugt. Dies wird in der Regel unter Narkose durchgeführt, um den Vorgang für die Frau schmerzlos zu gestalten und möglichst viele Eizellen gewinnen zu können.
Im dritten Schritt werden Eizellen und Spermien im Labor zusammengebracht. Die Befruchtung erfolgt ohne weitere Eingriffe. Anschließend wird die Entwicklung der befruchteten Eizellen, die sich in einer Nährlösung befinden, beobachtet. Im Idealfall teilen sie sich bis zum Stadium der Blastozyste - ein Vorgang, der so auch im Körper nach der Befruchtung stattfindet - , bevor sich eine befruchtete Eizelle einnistet.
Entwickelt sich eine Blastozyste, sind die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft am größten. Die Zelle wird in diesem Fall spätestens am fünften Tag nach der Befruchtung mit einem Katheter in die Gebärmutter der Frau eingesetzt. In Deutschland dürfenmaximal drei befruchtete Eizellen auf einmal eingesetzt werden, um das Risiko für Mehrlingsschwangerschaften zu reduzieren. Dann heißt es warten, ob der Embryo oder die Embryos sich weiterentwickeln.
Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI)
Die Vorbereitung einer Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) verläuft ähnlich wie bei einer IVF. Der Unterschied ist, dass für eine ICSI ein optimales Spermium ausgewählt und direkt in die Eizelle injiziert wird. Dies ist zum Beispiel bei einer ungenügenden Spermienqualität oft der einzige Weg, um ein Verschmelzen von Spermium und Eizelle zu erreichen. Inzwischen wird die ICSI in Deutschland häufiger durchgeführt als die IVF. Bei der letzten Erhebung für das Jahr 2021 waren es laut Deutschem IVF-Register insgesamt 49.181 ICSI-Behandlungen (IVF: 21.066).
Kinderwunsch auf Eis: Social Freezing und Onkofreezing
Ursprünglich wurde die Kryokonservierung, also das Einfrieren und Lagern von Eizellen oder Spermien, für Krebspatientinnen und -patienten entwickelt. Das sogenannte Medical- oder Onkofreezing soll jungen Frauen und Männern nach einer Chemotherapie die Chance auf eigene Kinder bieten.
Inzwischen wird das Verfahren auch aus sozialen Gründen genutzt, insbesondere von Frauen. Meist sind es weniger Karriereambitionen, sondern ein fehlender Partner oder die Sorge um fehlende soziale Absicherung, die sie dazu bewegen, sich für das Einfrieren ihrer Eizellen und das Vertagen des Kinderwunsches zu entscheiden.
Das Verfahren beim Einfrieren von Eizellen wird ebenfalls in Kinderwunsch-Praxen angeboten und läuft zunächst wie bei einer künstlichen Befruchtung ab. Anstelle der Befruchtung nach der Entnahme werden die Eizellen in flüssigem Stickstoff bei minus 196 Grad Celsius eingefroren. So können sie über mehrere Jahre gelagert werden. Durch das Schockfrosten entstehen keine Eiskristalle, die die Eizellen beschädigen könnten, sodass die erfolgreiche Auftaurate laut Reproduktionsmedizinern mit 95 bis 97 Prozent recht hoch ist. Anschließend werden die Eizellen in vitro befruchtet und eingesetzt.
Die Kryokonservierung ist auch im Rahmen einer normalen Kinderwunschbehandlung möglich, um bereits befruchtete Eizellen für weitere Versuche zu konservieren.
Künstliche Befruchtung: Die Kosten
Ein zentraler Faktor bei der Entscheidung für eine Kinderwunschbehandlung oder das Social Freezing sind die Kosten. Eine Übersicht:
- Intrauterine Insemination (IUI): zwischen 300 und 900 Euro pro Zyklus
- In-Vitro-Fertilisation (IVF): etwa 2.000 bis 3.000 Euro pro Zyklus
- Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): ab etwa 4.000 Euro pro Zyklus
Zu den Kosten einer Krykonservierung kommen weitere für den Prozess der Eizellentnahme und der künstlichen Befruchtung. Hier muss auch die Miete für die eingelagerten EIzellen einkalkuliert werden, in der Regel etwa 300 Euro pro Jahr. Die Gesamtkosten für das Social Freezing variieren je nach Kinderwunsch-Praxis, liegen aber insgesamt bei rund 4.000 bis 6.000 Euro pro Zyklus.
Während das Medical- oder Onkofreezing von der Krankenkasse unterstützt wird, müssen die Kosten für das Einfrieren von Eizellen aus sozialen Gründen privat bezahlt werden. Auch gleichgeschlechtliche Paare oder unverheiratete Frauen müssen die Kosten für eine künstliche Befruchtung privat zahlen, die gesetzlichen Regelungen schließen eine Kostenübernahme für sie bislang aus.
Was zahlt die Krankenkasse?
Von den gesetzlichen Krankenkassen (GKV) werden die Kosten für die Untersuchung der Gründe einer Unfruchtbarkeit vollständig übernommen. Auch reine Hormonbehandlungen sind Teil des gesetzlichen Leistungskatalogs. Die Kosten der künstlichen Befruchtung erstattet die GKV zu 50 Prozent, das ist gesetzlich festgelegt. Einige Krankenkassen und Private Krankenversicherungen übernehmen auch mehr, hier ist es sinnvoll, die Leistungen vorher zu prüfen und zu vergleichen.
Für die Kostenübernahme für gesetzlich Versicherte sind folgende Voraussetzungen wichtig, so das Informationsportal Kinderwunsch des Bundesfamilienministeriums:
- das Paar muss miteinander verheiratet sein
- die Frau muss älter als 25 Jahre und jünger als 40 Jahre sein
- der Mann muss älter als 25 Jahre und jünger als 50 Jahre sein (hier ist zu beachten, dass damit nicht der 40. und 50. Geburtstag, sondern das begonnene Lebensjahr gemeint ist, also der 39. Geburtstag und 49. Geburtstag)
- die Unfruchtbarkeit muss ärztlich festgestellt worden sein
- die Erfolgsaussicht der Kinderwunschbehandlung muss attestiert sein
- ausschließlich die Ei- und Samenzellen dieses Paares dürfen verwendet werden - in Deutschland ist eine Eizellspende derzeit verboten, die Samenspende dagegen ist erlaubt
- vor der Behandlung muss eine medizinische oder psychosoziale Beratung stattgefunden haben
Vor Beginn der Behandlung muss der Krankenkasse ein Behandlungsplan vorgelegt werden, der die geplante Behandlung und die anfallenden Kosten enthält. Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt dann die Hälfte der Behandlungs- und Medikamentenkosten für insgesamt:
- 8 Zyklen einer Insemination ohne vorherige hormonelle Stimulation und
- 3 Zyklen einer Insemination mit hormoneller Stimulation und
- 3 Zyklen einer IVF oder einer ICSI-Behandlung
In manchen Bundesländern gibt es Förderprogramme, die Paaren mit Kinderwunsch finanzielle Hilfen anbieten. Hier gibt es zum Teil Sonderregelungen, die auch gleichgeschlechtliche Paare unterstützen. Das Bundesfamilienministerium bietet auf dem Informationsportal Kinderwunsch eine Übersicht über Fördermöglichkeiten und weitere Informationen rund um das Thema Kinderwunsch und künstliche Befruchtung.
Künstliche Befruchtung: Wie sind die Erfolgsaussichten?
Wie hoch die individuelle Chance auf eine erfolgreiche Befruchtung und die Geburt eines gesunden Kindes ist, hängt von zahlreichen Faktoren ab. Für die einzelnen Verfahren gibt das Beratungsportal Familienplanung des Bundeszentrums für gesundheitliche Aufklärung pro Behandlungszyklus im Allgemeinen folgende durchschnittliche Geburtenraten an:
- IVF: 15 bis 20 Prozent
- ICSI: 15 bis 20 Prozent
- Kryotransfer befruchteter Eizellen im Vorkernstadium: 8 bis 12 Prozent
Bei einer IUI, also einer Insemination, führen 5 bis 10 Prozent der Behandlungen zu einer Schwangerschaft. Mit jedem weiteren Versuch steigt die Wahrscheinlichkeit, sodass sich nach mehreren Versuchen in 10 bis 30 Prozent der Fälle eine Schwangerschaft einstellt.
Doch auch hier spielt das Alter der Frau eine Rolle. Im 2023 erschienenen Bericht des Deutschen IVF-Registers wird für IVF und ICSI festgestellt: "Patientinnen unter 34 Jahren haben mit vier Transfers Chancen von nahezu 80 Prozent schwanger zu werden. Bei Patientinnen zwischen 35 und 39 Jahren wird mit vier Transfers bei zwei von drei Patientinnen eine Schwangerschaft erzielt. Bei Patientinnen ab 40 steigen die Chancen auf 'nur noch' ein Drittel". Anzumerken ist hier: Da die Krankenkassen nur drei Zyklen zahlen, muss mindestens ein Zyklus privat gezahlt werden, um die hier genannten Wahrscheinlichkeiten zu erreichen.
Wie hoch die Erfolgschancen einer künstlichen Befruchtung sind, hängt bei allen Methoden der assistierten Befruchtung von den persönlichen Ausgangsbedingungen des jeweiligen Paares ab. Statistische Wahrscheinlichkeiten können einen Richtwert liefern, eine individuelle medizinische Beratung jedoch nicht ersetzen.
Psychische Belastung: Hilfe suchen und Alternativen ins Auge fassen
Eine Kinderwunschbehandlung kann sowohl körperlich als auch psychisch sehr belastend sein. Neben der medizinischen Behandlung kann eine psychosoziale Betreuung das Paar unterstützen. Auch das Einbeziehen von Alternativen zur Erfüllung des Kinderwunsches kann helfen, den Druck für die Betroffenen zu reduzieren, wie zum Beispiel eine Adoption oder die Möglichkeit, für ein Dauerpflegekind zu sorgen.