Stand: 21.08.2020 10:42 Uhr

"Einen seriösen Arzt finden Sie nicht auf Instagram"

Dr. Jan Pasel © NDR
Dr. Jan Pasel ist unter anderem Gutachter bei Kunstfehler-Prozessen.

In manchen Fällen kommt es im Zuge einer Schönheits-OP zu Komplikationen, die sogar weitere Operation erfordern können. Experten warnen, dass einige Schönheitschirurgen nicht hinreichend qualifiziert sind. Doch anhand welcher Kriterien erkennen Patienten einen seriösen und geeigneten Chirurgen? Und wer hilft bei Behandlungsfehlern? Dr. Jan Pasel ist Facharztprüfer, Mitglied des Weiterbildungsausschusses für die Plastische und Ästhetische Chirurgie sowie Gutachter am Landgericht Hamburg und Lüneburg für das Sozialgericht und für Kunstfehler-Prozesse. Im Interview erklärt der Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes der Plastischen und Ästhetischen Chirurgen, auf was Patienten achten sollten.

Immer wieder hört man von Schönheits-OPs, die schief gegangen sind. Sind das Einzelfälle?

Dr. Jan Pasel: Leider nein. Es gibt inzwischen viele Ärzte in diesem Bereich, die ohne Sinn und Verstand und ohne vernünftige Ausbildung drauflos operieren. Die halten keine Facharzt-Standards ein, sondern springen einfach auf den Zug auf und wollen das schnelle Geld machen. Es gibt immer mehr Fälle, wo zum Beispiel Lippen zu stark aufgespritzt werden, es gibt immer mehr Infektionen und entstellende Behandlungsfehler. Auf Social-Media-Plattformen wissen diese Ärzte, wie sie Kunden gewinnen können. Aber wenn man dann sieht, wie grobmotorisch sie zum Teil arbeiten, dann sind Verletzungen und auch Folgeschäden sehr wahrscheinlich.

Viele junge Menschen, die sich für eine Schönheits-OP interessieren, suchen im Internet und speziell auf Social-Media-Plattformen nach Ärzten. Was würden Sie ihnen raten? Wie kann man einen dubiosen Arzt von einem seriösen unterscheiden?

Pasel: Einen seriösen Arzt finden Sie sicherlich nicht auf Instagram. Jede anpreisende Form der Selbstdarstellung und das Werben mit OP- und Nacktbildern ist ein absolutes No-Go. Aber das wird nicht kontrolliert und damit stehen Schaumschlägern und Betrügern Tür und Tor offen. Deshalb ist es wichtig zu prüfen: Ist der behandelnde Arzt wirklich ein Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie? Ist er in einem der Dachverbände wie der Deutschen Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgen organisiert? Oder nennt er sich einfach "Schönheitschirurg"?

Was ist an diesem Begriff so problematisch?

Pasel: Die Bezeichnung ist nicht geschützt. Jeder kann sich Schönheitschirurg nennen, auch ein praktischer Arzt. Das wird auch von vielen bewusst irreführend genutzt, um neue Patienten zu gewinnen. Deshalb ist es ganz wichtig, nicht nach einem Schönheitschirurgen zu suchen, sondern nach einem Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie. Das sind dann Ärzte, die eine sechsjährige Facharzt-Ausbildung haben. Da haben Sie eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie jemand Seriöses finden.

Noch schwieriger wird es wohl, wenn man Angebote im Ausland checken möchte. Was ist da das Problem?

Pasel: Auslandstourismus bei Schönheitseingriffen ist deshalb so problematisch, weil man dort noch weniger abgesichert ist. Hier in Deutschland gibt es zumindest noch ein Justiz-System und Berufshaftpflichtversicherungen für Ärzte. Im Ausland sieht das oft anders aus. Und auch bei einem günstigen Angebot für eine Behandlung im Ausland kann sich der Patient nicht sicher sein: Wird der Preis vor Ort noch einmal nachverhandelt? Man ist ja erpressbar, wenn man die Reise schon angetreten hat. Außerdem müsste man bei eventuellen Nachbehandlungen nach dem Eingriff noch einmal dorthin fahren. Es gibt sicherlich sehr gute Kollegen im Ausland. Aber dort zu unterscheiden, ob jemand wirklich seriös ist, ist oftmals noch schwieriger als in Deutschland.

Sind es denn die günstigen Preise, die potenzielle Patienten ins Ausland locken?

Pasel: Ja, das ist oft ein Argument. Aber wenn jemand eine Herz-OP machen möchte, würde er doch auch niemals im Internet nach dem billigsten Herz-Operateur suchen oder ins vermeintlich günstigere Ausland fahren. Sondern er würde immer den qualitativ Besten suchen, weil jedem klar ist, dass Qualität bei einer Operation ganz entscheidend ist. In der plastischen Chirurgie gibt es dieses Bewusstsein scheinbar nicht. Die Leute gucken nach dem Preis und denken, sie bekommen überall das gleiche. Aber es gibt wahnsinnig große Qualitätsunterschiede und oft sind die Billig-Angebote am Ende teurer, weil etliche Nachoperationen folgen müssen.

Wie kommt es, dass sich gerade junge Menschen an vermeintlichen Schönheitsidealen orientieren?

Pasel: Das ist ein gesellschaftliches Problem. Die jungen Menschen sind sehr auf soziale Medien fixiert. Dort gibt es einen extremen Konkurrenzdruck und den Wunsch, immer noch perfektere Bilder zu produzieren und sich dadurch ein gewisses Image zu erarbeiten. Es wird durch Social Media ein sehr realitätsfremdes Schönheitsbild erzeugt, welches kaum noch erreichbar und auch nicht unbedingt erstrebenswert ist. Dies schafft einen hohen Bedarf an eigentlich vollkommen überflüssiger "Nachbesserung" - hier wird Nachfrage auf einen sehr expandierenden Markt geschaffen, welcher vollkommen überzogen ist.

Die Fragen stellten Jo Hiller und Jennie Radü, NDR Fernsehen.

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