Hyperparathyreoidismus schwächt die Knochen
Bei einem Hyperparathyreoidismus produzieren die Nebenschilddrüsen zu viel Parathormon. Das holt Kalzium aus den Knochen, es kann zu Osteoporose kommen. Mehr über Symptome, Diagnose und Therapie.
Die vier Nebenschilddrüsen des Menschen sind jeweils nicht viel größer als ein Reiskorn, aber trotzdem lebenswichtig: Sie produzieren ein Hormon, das zusammen mit Vitamin D den Kalziumhaushalt des Körpers regelt - das sogenannte Parathormon (PTH).
Ist der Kalziumspiegel im Blut zu niedrig, reagieren die Nebenschilddrüsen und geben mehr Parathormon ab. Es sorgt an verschiedenen Stellen im Körper dafür, dass das Kalziumdefizit im Blut ausgeglichen wird. Das Parathormon steuert die Kalziumausscheidung über die Nieren, fördert die Kalziumaufnahme im Verdauungstrakt und kann bei Bedarf Kalzium aus den Knochen freisetzen.
Hyperparathyreoidismus: Ursachen und Formen
Schüttet die Nebenschilddrüse zu viel Parathormon aus, spricht man von einem Hyperparathyreoidismus (HPT). Je nach Ursache werden drei Formen der Überproduktion unterschieden:
- Der primäre Hyperparathyreoidismus (pHPT) ist auf eine Erkrankung der Nebenschilddrüsen selbst zurückzuführen. Durch gutartige Geschwülste (Adenome) oder selten durch bösartige Tumore produziert die Drüse jetzt vermehrt Parathormon. Die Folge: Es kommt zu einer Fehlverteilung des Kalziums im Körper. Durch den Überschuss an Parathormon wird der Kalziumspiegel im Blut unabhängig vom Bedarf erhöht - und zwar mit Kalzium aus den Knochen. Die Knochensubstanz wird geschwächt.
- Beim sekundären Hyperparathyreoidismus (sHPT) reagieren die Nebenschilddrüsen auf andere Grunderkrankungen, die zu einem Kalziummangel im Blut führen - etwa chronische Nierenerkrankungen. Um gegenzusteuern, kurbeln sie die Parathormonproduktion an und sorgen so dafür, dass ausreichend Kalzium aus den Knochen ins Blut freigesetzt wird - auch wenn die Knochen dadurch immer brüchiger werden.
- Ein tertiärer Hyperparathyreoidismus (sHPT) kann entstehen, wenn die Nebenschilddrüsen durch einen über Jahre bestehenden sekundären Hyperparathyreoidismus überstimuliert werden. Unabhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung produzieren sie jetzt unkontrolliert Hormone. Häufig ist das bei langjährigen Dialysepatientinnen und -patienten der Fall.
Symptome des primären Hyperparathyreoidismus
Die Symptome des primären Hyperparathyreoidismus werden vor allem durch den Kalziumüberschuss im Blut (Hyperkalzämie) hervorgerufen. Auch der Kalziummangel in den Knochen kann Probleme bereiten. Je nach Schweregrad und Dauer verläuft die Erkrankung unauffällig oder kann zu verschiedenen, unspezifischen Beschwerden führen:
- Übelkeit, Erbrechen
- Verstopfung
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
- gesteigertes Durstgefühl (Polydipsie)
- häufiges Wasserlassen (Polyurie)
- Nierensteine
- Müdigkeit und Abgeschlagenheit
- Muskelschwäche
- Konzentrationsstörungen
- Psychische Veränderungen wie Depressionen
- Gliederschmerzen
- Knochenschmerzen
- Knochenbrüche
Ein extrem erhöhter Kalziumspiegel kann lebensbedrohlich sein. Er kann unter anderem akutes Nierenversagen oder Hirnfunktionsstörungen nach sich ziehen.
Symptome des sekundären Hyperparathyreoidismus
Beim sekundären Hyperparathyreoidismus wird das Krankheitsbild der Patientinnen und Patienten in erster Linie durch die auslösende Grunderkrankung bestimmt. Doch auch die reaktive Nebenschilddrüsenüberfunktion hat Folgen: Wird dauerhaft Kalzium aus den Knochen gezogen, nehmen Dichte und Qualität der Knochen ab - eine Osteoporose entwickelt sich. Betroffene leiden unter Knochenschmerzen und Knochenbrüchen, die auch ohne große Krafteinwirkung entstehen.
Diagnose: Kalzium- und Parathormonwerte im Blut geben Aufschluss
Die Diagnose Hyperparathyreoidismus erfolgt über Blutwerte, Eine primäre Nebenschilddrüsenüberfunktion zeigt sich durch einen erhöhten Kalziumwert, einen niedrigen Phosphatwert und einen hohen Parathormonspiegel im Blut. Beim sekundären Hyperparathyreoidismus ist der Kalziumspiegel normal oder niedrig, der Parathormonspiegel sehr hoch.
In weiteren Untersuchungen gilt es, die Ursache für den Hyperparathyreoidismus genauer abzugrenzen und die Schwere der Störung sowie eventuelle Schädigungen festzustellen. Dazu erfolgt etwa eine Ultraschalluntersuchung und eine Szintigrafie der Nebenschilddrüsen, eine Prüfung der Nierenfunktion, sowie eine Untersuchung der Knochenstruktur, zum Beispiel durch Röntgen und Knochendichtemessung.
Therapie: Operation bei primärem Hyperparathyreoidismus
Die Therapie des Hyperparathyreoidismus ist abhängig von der auslösenden Ursache. Beim primären Hyperparathyreoidismus führt die Entfernung der krankhaft veränderten Nebenschilddrüse - meist ist nur eine der vier betroffen - zur Heilung. Haben Patientinnen oder Patienten keinerlei Beschwerden durch ihre Erkrankung, ist auch eine Verlaufskontrolle denkbar. Gegebenenfalls verordnen Arzt oder Ärztin Medikamente, die den Parathormonspiegel senken, sogenannte Kalzimimetika.
Sekundärer Hyperparathyreoidismus: Behandlung der Grunderkrankung
Beim sekundären Hyperparathyreoidismus wird die Grunderkrankung therapiert, die für den Kalziummangel im Blut verantwortlich ist. Liegt der Kalziumspiegel wieder im normalen Bereich, gibt es für die Nebenschilddrüsen keinen Grund mehr einzugreifen. Der Parathormonspiegel sinkt wieder, die Knochen werden nicht weiter durch Kalziumentzug geschwächt.
Frühzeitige Therapie verhindert Folgeschäden
Grundsätzlich gilt für alle Formen des Hyperparathyreoidismus: Durch eine frühzeitige Therapie lassen sich Folgeschäden, etwa an Knochen oder Organen, vermeiden. Wird die Ursache für die Nebenschilddrüsenüberfunktion behandelt, gehen auch die Symptome zurück.
Hungry-Bone-Syndrom: Komplikation nach Nebenschilddrüsen-Operation
In seltenen Fällen kann es durch die Behandlung einer stark ausgeprägten primären Nebenschilddrüsenüberfunktion zu einer weiteren, diesmal sekundären Form der Überproduktion kommen. Lange Zeit hat die erkrankte Nebenschilddrüse für jede Menge Parathormon und Kalzium im Blut gesorgt. Nachdem sie operativ entfernt wurde, fällt der Parathormonspiegel stark ab - genau wie der Kalziumspiegel.
Jetzt versuchen die verbliebenen Drüsen, mit allen Mitteln gegenzusteuern und auch das letzte bisschen Kalzium aus den Knochen freizusetzen. Mit geringem Erfolg. Da in den Knochen nur noch eine kleine Menge an Kalzium vorhanden ist, steigt auch der Kalziumspiegel im Blut nur minimal an. Und wieder reagieren die Nebenschilddrüsen mit der Produktion von Parathormon. Es beginnt ein Teufelskreis, der unter Medizinerinnen und Medizinern den Namen Hungry-Bone-Syndrom (HBS) trägt.
Hungry-Bone-Syndrom: Therapie mit Kalzium und Vitamin D
Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, muss hochdosiertes Kalzium eingenommen werden. Außerdem benötigt der Körper Vitamin D, um Kalzium aus dem Darm aufnehmen und in den Knochen speichern zu können. Darüber hinaus werden Osteoporose-Medikamente wie Calzitriol (eine besondere Form von Vitamin D) verschrieben.
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