Diskriminierung von People of Colour in der Medizin
Viele Symptome sind für das ungeschulte Auge auf dunkler Hautfarbe schwer zu erkennen. Das gilt zum Beispiel für einen Hautausschlag, Neurodermitis oder Borreliose. Lehrbücher beziehen sich fast ausschließlich auf weiße Patienten.
Ob in Arztpraxen, Krankenhäusern oder Therapiezentren: Rassismus im deutschen Gesundheitssystem ist keine Seltenheit. Er geschieht sowohl bewusst als auch unbewusst. Unbedachte Kommentare, falsche Stereotype, die im Kopf verankert sind oder eine medizinisch mangelhafte Behandlung - es gibt rassistische Muster, die häufig besonders dem antischwarzen Rassismus zugrunde liegen. Zu diesem Ergebnis kommt der Afrozensus, die erste große Befragung unter Tausenden Schwarzen, afrikanischen und afrodiasporischen Menschen in Deutschland zu verschiedenen Lebensbereichen. Rassistische Stereotype äußern sich ganz unterschiedlich:
- Fast alle Teilnehmenden des Afrozensus gaben zum Beispiel an, dass sie - obwohl für die Situation nicht relevant - beim Arzt nach ihrer Herkunft befragt wurden oder Fragen dazu gestellt wurden.
- Schmerzen werden oft nicht ernst genommen. Hartnäckig hält sich die Annahme, dass Schwarze Menschen Schmerzen besser aushalten können. Ebenfalls weit verbreitet: das sogenannte Südländersyndrom (morbus bosporus). Dabei wird Patienten und Patientinnen, deren Herkunft aus dem mediterranen Raum vermutet wird, eine überhöhte Schmerzempfindlichkeit und überhöhter Schmerzausdruck zugeschrieben. Die Folge kann bei falschen Annahmen eine unzureichende Behandlung sein. Dabei ist schon lange bekannt, dass das Schmerzempfinden individuell ist - unabhängig von Herkunft und Geschlecht.
- Aufgrund des Aussehens oder Namens von Patientinnen und Patienten wird davon ausgegangen, dass die Menschen kein Deutsch sprechen. In den Unterlagen wird der Hinweis auf eine Sprachbarriere vermerkt. Ohne die Sachlage persönlich zu überprüfen, wird mit den Patientinnen und Patienten automatisch lauter und künstlich "vereinfachtes" Deutsch gesprochen.
- Sprachbarrieren können eine längere Wartezeit bedeuten und insgesamt weniger Aufmerksamkeit und Gründlichkeit bei der Behandlung die Konsequenzen sein.
Ärzteschaft kennt sich oft mit skin of colour nicht aus
Kommt es zu solchen Erfahrungen, leidet darunter vor allem die Gesundheit. Die Patientinnen und Patienten verlieren das Vertrauen. Auch, weil sich Ärztinnen und Ärzte nicht mit skin of colour auskennen. Die meisten medizinischen Lehrbücher beziehen sich fast ausschließlich auf weiße Menschen und zeigen, wie Erkrankungen auf weißer Haut aussehen. Der Großteil der Weltbevölkerung hat aber keine helle Haut.
Erst vor Kurzem hat ein schwarzer Medizinstudent in Großbritannien auf Diskriminierung in der Diagnose aufmerksam gemacht und ein Fachbuch veröffentlicht, in dem Symptome auf unterschiedlichen Hautfarben gezeigt werden. Denn viele Symptome sind für das ungeschulte Auge auf dunkler Hautfarbe schwer zu erkennen. Das gilt für einen einfachen Hautausschlag, aber auch Neurodermitis äußert sich ganz anders. Gefährlich wird es, wenn eine Erkrankung wie Borreliose nicht erkannt wird. Während auf weißer Haut dabei typischerweise rote Ringe zu sehen sind, sind sie auf schwarzer Haut bläulich-grau. Wird eine Borreliose nicht erkannt und behandelt, kann es zu Spätfolgen wie einer Entzündung von Nerven kommen.
Aufklärung über unterbewusst rassistische Strukturen
Betroffene und Expertinnen und Experten fordern mehr Aufklärung und Schulungen. Im Studium für angehende Medizinerinnen und Mediziner müsse skin of colour mit berücksichtigt werden. Aber auch Personal in Kliniken, Praxen und Reha-Einrichtungen müsse aufgeklärt und sensibilisiert werden für unterbewusst rassistische Strukturen.
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