Dialyse: So funktioniert die lebensrettende Blutwäsche

Stand: 26.09.2024 11:48 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Die Dialyse hilft Menschen, bei denen die Nieren versagen, das Blut zu reinigen. Wie oft muss eine Dialyse durchgeführt werden? Was ist ein Shunt bei der Dialyse? Welche Lebenserwartung haben Betroffene?

von Ursula Stamm

Eine Dialyse wird dann notwendig, wenn die Nierenfunktion auf zehn bis 15 Prozent abgesunken ist. Menschen mit Niereninsuffizienz (Nierenschwäche) und Menschen deren Nieren missgebildet sind oder entfernt werden mussten, etwa aufgrund einer Krebserkrankung oder einer Entzündung der Nieren, brauchen eine Dialyse. Die Nieren filtern Giftstoffe aus dem Blut. Ohne funktionierende Nieren und ohne Dialyse würden diese Menschen innerhalb von acht bis zehn Tagen versterben.

Dialyse: Die wichtigsten Fakten

Mit der Hämodialyse kann die Blutwäsche-Funktion der Nieren ersetzt werden - auch wenn die Nieren überhaupt nicht mehr arbeiten. Dazu müssen Betroffene dreimal in der Woche für vier bis fünf Stunden in ein Dialysezentrum gehen.

So funktioniert die Dialyse

Bei der Dialyse - auch Hämodialyse genannt - wird Blut gereinigt. Die Hämodialyse (Vorsilbe "Hämo" bedeutet Blut) wird auch als Blutwäsche bezeichnet, weil sie Giftstoffe aus dem Blut der Patienten "herauswäscht". Das geschieht außerhalb des Körpers mithilfe eines sogenannten Dialysegeräts. Schadstoffe werden herausgefiltert und gleichzeitig wichtige Nährstoffe wie Salze dem Blut wieder zugeführt. In der Regel findet die Behandlung in einem Dialysezentrum statt.

Über einen Gefäßzugang - meist am Unterarm - wird das Blut in das Dialysegerät und von dort wieder zurück in den Körper geleitet. Im Dialysegerät fließt das Blut durch kleine Schläuche. Sie bestehen aus einer halbdurchlässigen Membran und werden außen von Dialyseflüssigkeit umspült, einer wässrigen Lösung, die neben Elektrolyten auch Glukose enthält. Da im Blut die Konzentration winziger Partikel größer ist als in der Dialyseflüssigkeit, wandern die Partikel und somit die Schadstoffe aus dem Blut über die halbdurchlässige Membran in die Dialyseflüssigkeit (Diffusion). Auf diese Weise können Schadstoffe, Abfallprodukte sowie überschüssiges Wasser aus dem Blut entfernt und mit der Dialyseflüssigkeit abtransportiert werden.

Überschüssiges Wasser kann bei manchen Dialyse-Verfahren auch durch Druck aus dem Blut "herausgepresst" werden. Mit dem Wasser werden auch die darin gelösten Schadstoffe entfernt (Konvektion). Die Konvektion wird bei einigen Hämodialyse-Geräten zusätzlich zur Diffusion genutzt. Grund für den Wasserüberschuss ist, dass Menschen, deren Nieren nicht mehr arbeiten, kaum noch Urin produzieren. Dadurch sammelt sich Wasser im Körper an.

Dialyse: Dauer und Häufigkeit

Wie lange die Blutwäsche dauert und wie oft sie durchgeführt werden muss, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von der Körpergröße ab - und wie gut die Nieren noch funktionieren. In der Regel dauert die Hämodialyse aber vier bis fünf Stunden. Dabei wird das gesamte Blut der Patientin oder des Patienten mehrfach durch das Dialysegerät gepumpt. Das Blut ist danach ausreichend gereinigt. Eine Hämodialyse wird in Deutschland in der Regel dreimal pro Woche gemacht. Die Dialyse kann in bestimmten Dialysezentren oder an einem Gerät zu Hause (Heimdialyse) durchgeführt werden. Auch Feriendialysen sind mit entsprechendem Vorlauf an vielen klassischen Urlaubsorten inzwischen möglich.

Shunt: Dialyse mit künstlichem Blutgefäß

Shunt Dialyse: Schwester punktiert den Shunt für die Blutwäsche © imago images Foto: Oliver Ring
Die durch den Shunt verdickten Gefäße sind unter der Haut gut zu erkennen.

Wer regelmäßig zur Hämodialyse muss, bekommt meist einen sogenannten Shunt gelegt. Ein Shunt ist ein gut zugängliches und stabiles Blutgefäß, das künstlich durch eine Operation geschaffen wird. Dabei verbindet der Operateur ein arterielles Blutgefäß mit einer Vene, meist am Unterarm. Da in arteriellen Blutgefäßen das Blut mit einem höheren Druck fließt als in venösen Gefäßen, erweitert und verdickt sich die angeschlossene Vene mit der Zeit und kann für die Dialyse immer wieder genutzt werden. Bis sich die Wand der Vene ausreichend verdickt hat, erfolgt die Hämodialyse meist über einen Katheter am Hals des Patienten (zentraler Venenkatheter). Ohne Shunt müsste bei jeder Dialyse immer erneut in ein Gefäß gestochen werden, was die Gefäßwände stark belasten würde, die durch die chronische Nierenschwäche ohnehin dünner und verletzlicher sind.

Die durch den Shunt verdickten Gefäße sind unter der Haut gut zu erkennen und Menschen mit einem Shunt am Handgelenk müssen vorsichtig damit sein. Betroffene sollten auf Armbanduhren am Handgelenk verzichten, den Arm nicht ungeschützt der Sonne aussetzen, vermeiden, auf dem Arm zu schlafen, oder mit dem Shunt-Arm schwere Lasten zu tragen. Ein Shunt kann sich durch Blutgerinnsel verschließen oder auch entzünden. Bei einer Infektion muss der Shunt entfernt werden, um eine Blutvergiftung zu vermeiden.

Kreatininwert gibt Aufschluss über Nierenleistung

Um festzustellen, ob eine Dialyse notwendig ist, lassen Arzt oder Ärztin im Labor die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) bestimmen. Dabei spielt der Kreatininwert eine entscheidende Rolle. Er wird aus einer Kombination von Blutproben und Urinproben bestimmt und lässt eine Aussage darüber zu, wie gut die Entgiftungsleistung der Nieren (Clearance) unter Einbeziehung individueller Faktoren wie Alter, Geschlecht und Muskelmasse ist. Kreatinin ist ein Abfallprodukt aus dem Muskelstoffwechsel, das über die Nieren ausgeschieden wird.

Die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) ist ein Laborwert, mit dem die chronische Nierenschwäche in fünf Stadien eingeteilt wird. Bei nierengesunden Menschen liegt die GFR bei 90 bis 130 Milliliter pro Minute. Das heißt, eine gesunde Niere reinigt pro Minute mindestens 90 Milliliter Blut von Giftstoffen und scheidet diese über den Urin aus. Sinkt dieser Wert auf unter 15 Milliliter pro Minute ab (GFR Stadium V), sprechen Ärzte von einer terminalen Niereninsuffizienz, die nur noch mit der Dialyse oder mit einer Nierentransplantation behandelt werden kann.

Nebenwirkungen der Dialyse

Die Dialyse ersetzt nicht komplett die Funktion des Organs, da nicht alle Giftstoffe vollständig aus dem Blut entfernt werden können. Deshalb sammeln sich im Laufe der Jahre Stoffe im Körper an, die zu verschiedenen Nebenwirkungen und Erkrankungen führen können. Dazu gehören:

  • Knochenbrüche und Knochenschmerzen
  • Juckreiz
  • empfindliche Haut
  • Herzschwäche
  • Muskelschwäche
  • Impotenz
  • depressive Verstimmungen
  • Nervenstörungen

Da die Nieren an der Regulation des Blutdrucks beteiligt sind, kommt es bei vielen Betroffenen auch zu starken Blutdruckschwankungen, die mit Medikamenten nur schwer reguliert werden können.

Können sich Nieren durch die Dialyse wieder erholen?

Handelt es sich um eine akute Nierenschwäche, etwa durch eine Entzündung der Nieren, die mit Medikamenten behandelt werden kann, dient die Dialyse oft nur zur Überbrückung, bis die Nieren sich wieder erholt haben.

Handelt es sich aber um eine chronische Nierenschwäche, können sich die Nieren in der Regel nicht erholen. Wer dann einmal an der Dialyse "hängt", kommt davon nicht wieder los - außer die Betroffenen bekommen eine neue Niere transplantiert. Vielmehr müssen Menschen, die regelmäßig zur Blutwäsche gehen, zusätzlich Medikamente einnehmen, die zum Beispiel den Blutdruck regulieren, das Blut verdünnen (Heparin), die Blutarmut lindern (Erythropoetin) oder die Knochen stärken (Vitamin D).

Wie lange ist ein Leben mit Dialyse möglich?

Die Frage, wie lange ein Leben mit Dialyse möglich ist, kann nicht generell beantwortet werden. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab:

  • Lebensalter zu Beginn der Dialyse
  • Schweregrad der Nierenschwäche
  • Vorhandensein von weiteren Erkrankungen wie Diabetes oder Herzerkrankungen
  • körperliche Fitness
  • Lebensstil in puncto Ernährung und Bewegung
  • soziales Umfeld (Begleitung und Unterstützung bei der Therapie)
  • Einhaltung von Regeln (Compliance) wie Medikamenteneinnahme und Trinkmenge

Vor allem ältere Menschen haben eine verringerte Lebenserwartung, wenn sie dialysepflichtig werden.

Wie funktioniert die Bauchfelldialyse?

Bauchfelldialyse: Patient füllt Dialyseflüssigkeit über einen Katheter in die Bauchhöhle ein. © IMAGO Foto: Frank Müller
Bei der Bauchfelldialyse füllt sich der Patient selbst die Dialyseflüssigkeit über einen Katheter in die Bauchhöhle ein.

Bei einer Bauchfelldialyse (Peritonealdialyse) findet die Blutreinigung nicht außerhalb des Körpers, sondern in der Bauchhöhle statt. Das gut durchblutete Bauchfell (lateinisch: Peritoneum) dient hier als Membran, die Bauchhöhle ist der "Behälter" für die Spülflüssigkeit. Aus den Blutgefäßen des Bauchfells wandern die Giftstoffe aus dem Blut in die Dialyseflüssigkeit. Die Dialyseflüssigkeit füllt sich der Patient oder die Patientin selbst über einen Katheter in die Bauchhöhle ein. Dafür werden jeweils zwei bis zweieinhalb Liter Spülflüssigkeit gebraucht, die viermal bis fünfmal pro Tag gewechselt werden muss.

Es gibt auch die Möglichkeit, die Dialyseflüssigkeit kontinuierlich über ein Gerät (Cycler) wechseln zu lassen, was nachts geschieht. Insgesamt werden dabei etwa zwölf bis 15 Liter Spülflüssigkeit in der Bauchhöhle ausgetauscht. Viele Patienten schätzen die Bauchfelldialyse, weil sie nicht mehrmals die Woche für mehrere Stunden zur Behandlung in ein Dialysezentrum gehen müssen. Sie hat zudem den Vorteil, dass die Giftstoffe gleichmäßiger aus dem Blut entfernt werden als bei der Hämodialyse und dass kein Blut verloren geht. Bei vielen Patientinnen und Patienten kann die eigene Nieren-Restfunktion länger erhalten werden als bei der Hämodialyse. Die nächtliche Bauchfelldialyse mithilfe des Cyclers hat den Vorteil, dass die Patienten tagsüber durch ihre Nierenkrankheit kaum beeinträchtigt sind. Sie eignet sich daher gut für Berufstätige.

Disziplin und Eigenverantwortung notwendig

Wer sich für eine Bauchfelldialyse entscheidet, muss sich darüber im Klaren sein, dass dieses Verfahren ein hohes Maß an Disziplin und Eigenverantwortung erfordert. Deshalb wird jeder Patient vor der Bauchfelldialyse intensiv geschult. Hinzu kommt: Nicht jedes Bauchfell ist für eine Peritonealdialyse geeignet, es dürfen zum Beispiel keine Verwachsungen im Bauchraum vorhanden sein und es darf auch keine chronisch-entzündliche Darmerkrankung vorliegen. Die Peritonealdialyse ist auch nicht ganz so effektiv wie die Hämodialyse, weshalb sie bei einer schweren Nierenschwäche oft nicht ausreicht.

Über den Katheter in der Bauchdecke können Keime ins Bauchfell gelangen und zu einer Bauchfellentzündung führen. Deshalb müssen zum Beispiel alle für die Dialyse benötigten Utensilien steril gehalten werden. Im Laufe der Zeit kann es auch zu Veränderungen des Bauchfells kommen, weshalb eine Bauchfelldialyse nicht lebenslang durchgeführt werden kann - bis zu zehn Jahre sind aber durchaus möglich. Danach kann immer noch auf die Hämodialyse umgestellt werden.

Bauchfelldialyse: In Deutschland wenig verbreitet

Nur rund fünf Prozent der Dialysepatienten in Deutschland nutzen die Bauchfelldialyse, obwohl es deutlich mehr sein könnten. Ein Grund ist, dass sich die Hämodialyse wirtschaftlich für die Dialysezenten "besser rechnet". Zwar wurde die sogenannte Wochenpauschale für die Bauchfelldialyse inzwischen angehoben, aber "unterm Strich" bliebe für die Praxen weniger übrig als bei der Hämodialyse, sagt Prof. Martin Kuhlmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie. Auch in die Ausbildung von Medizinstudierenden müsste das Thema verstärkt aufgenommen werden, damit zukünftig mehr Ärzte dieses Verfahren kennen und anbieten können. Ein Modellprojekt in Schleswig Holstein soll die genannten Punkte verbessern, um mehr Menschen Zugang zur Bauchfelldialyse zu ermöglichen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 01.10.2024 | 20:15 Uhr

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