Stand: 01.09.2020 22:24 Uhr

Chat-Protokoll: Reha nach Corona-Infektion

Sie lagen im Krankenhaus oder haben die Infektion zu Hause überstanden - doch die Krankheit hat Spuren hinterlassen. Viele Menschen sind nach einer Covid-19-Erkrankung noch sehr schwach und erschöpft. Sie benötigen viel Zeit und eine gezielte Rehabilitation, um wieder auf die Beine zu kommen. In Heiligendamm wird eine spezielle Reha angeboten, die Covid-19-Patienten hilft, zurück in ihren Alltag zu kommen.

Am Dienstag, den 1. September, war die Internistin Dr. med. Jördis Frommhold von der Median Klinik Heiligendamm zu Gast bei Visite und hat anschließend Fragen im Chat beantwortet. Das Protokoll zum Nachlesen.

Doreen: Ich war selbst an Covid erkrankt, mit Krankenhaus-Aufenthalt. Ich wurde nicht beatmet, habe aber Vorerkrankungen. Seit der Erkrankung fühle ich mich ausgelaugt und bin ständig müde und kraftlos. Ich wollte anfragen: Wäre auch für mich eine Reha möglich?

Dr. med. Jördis Frommhold: Die Symptome, die Sie beschreiben, haben wir bei unseren Post-Covid-Patienten häufig auch so beobachtet. Ich denke, dass Sie da durchaus einen Ansatz finden können und eine pneumologische Post-Corona-Reha beantragen können. Wir haben bisher gute Erfolge bei den Post-Covid-Patienten mit Leistungsminderung erreichen können, sodass dies sicherlich ein lohnenswerter Ansatz ist.

Conny: Welche Voraussetzungen sind nötig, um eine Reha nach Corona möglichst genehmigt zu bekommen, und ist es möglich, eine Reha wegen Corona zu bekommen, auch wenn die Vierjahresfrist noch nicht abgelaufen ist seit der letzten Reha?

Frommhold: Die Vierjahresfrist bei einer Reha bezieht sich auf die ehemalige Hauptdiagnose. Da die Covid-Infektion eine Neuerkrankung ist, die es vor vier Jahren noch gar nicht gab, ist es jetzt durchaus möglich, eine Post-Corona-Reha zu beantragen. Tipp: Die Covid-Diagnose sollte dann als Hauptdiagnose aufgeführt werden und gerne alle weiteren Befunde, die sich daraus ergeben, also zum Beispiel Erschöpfungszustände oder neurologische Problematiken, als Nebendiagnose.

Stefan: Wie erklären Sie sich die neurologischen Schäden und wie werden sie behandelt? Bessern auch diese sich oder bleiben sie?

Frommhold: Letztendlich sind uns die Ursachen der neurologischen Schäden noch nicht hinlänglich bekannt. Wir wissen, dass sich in der Akutphase auch bereits Geschmacks- und Geruchssinn verändern und haben so die Vermutung, dass eine neurologische Beteiligung bei Covid realistisch ist. Wir nehmen an, dass die jetzt beschriebenen Schäden auch durch Covid bedingt sind. Aus der Erfahrung kann ich berichten, dass neurologische Beschwerden sich durchaus bessern, aber zögerlicher als die Stabilisierung der Leistungsfähigkeit. Hier kann sicherlich noch keine komplett zufriedenstellende Langzeitprognose gegeben werden.

Nine: Was kann man als Vorsorge und Kräftigung oder auch zur "Reinigung" nach Rauchstopp für seine Lunge machen?

Frommhold: Gute und einfache Atemübungen, die jeder zu Hause machen kann, finden Sie in diesem Video.

Unbekannt: Haben Sie auch Patienten, die über Kribbeln in den Beinen abends berichten? So, wie wenn jede Menge Ameisen laufen.

Frommhold: Das ist tatsächlich ein sehr häufiges Symptom, was sehr viele der bisher schon behandelten Post-Covid-Patienten berichten.

Corona: Im Beitrag kam die O2-Sättigung des Bluts zur Sprache. Wäre es nach Ansicht von Dr. Frommhold sinnvoll, sich ein Pulsoxymeter zuzulegen und im Falle einer SARS-COV-2-Infektion die O2-Sättigung zu monitoren, um die für Covid-19 nicht untypische "Silent hypoxia" nicht zu verpassen und so einen schwereren Krankheitsverlauf inklusive Hospitalisierung zu vermeiden?

Frommhold: Die Anschaffung eines Pulsoxymeters ist sicherlich sinnvoll. In dem Beitrag war allerdings nicht von der peripheren Sättigung die Rede, die man per Pulsoxymeter misst, sondern es ging um die Sauerstoffaufnahmekapazität/Diffusionskapazität. Diese misst man in aufwendiger pulmonorischer Diagnostik.

Christian Wa.: Ich (52) hatte Covid-19 im Mai. Es war ein recht milder Verlauf, allerdings habe ich noch immer keinen Geruchssinn und einen eingeschränkten Geschmackssinn. Mein HNO-Arzt behandelt mich mit Kortison-Tabletten ohne Erfolg, was raten Sie mir noch?

Frommhold: Bei den von mir behandelten Patienten hatten auch eine Großzahl Geruchs- und Geschmackssinnsverlust. Dieses besserte sich nach langer Zeit, allerdings nicht bei allen. Ich denke, hier kann man leider keine seriöse Antwort zum Verlauf geben.

Unbekannt: Was bedeutet "bestes internistisches Alter"?

Frommhold: 35 bis 65 - das ist aber mit Humor zu sehen.

Unbekannt: Gibt es Hilfe für Patienten, die weder einen positiven Corona-Test noch einen positiven Antikörpertest haben, aber trotzdem alle Symptome, die in dem Beitrag beschrieben wurden?

Frommhold: Es gibt sehr viele Patienten, die diese Frage an mich richten. Hier kommt es darauf an, ob es eine klinische Wahrscheinlich gibt, dass Sie an einer Covid-Infektion erkrankt waren. Wenn ja, und wenn dieses auch nachvollziehbar ist, dann besteht die Möglichkeit, dass man einen Reha-Antrag stellt mit der Diagnose "Erschöpfungssyndrom mit Verdacht auf stattgehabte Covid-Infektion". Es ist aber nicht gesagt, dass die Kostenträger für diese Reha aufkommen.

Elisabeth: Ich bin im März an Corona erkrankt. Festgestellt wurde es, nachdem ich ohnmächtig wurde und mit schlimmen Verletzungen im Mund, Gesicht und Kiefer in die Notaufnahme kam. Diese Nachwirkungen sind immer noch schlimm - Zähne gelockert etc. Aber auch die Corona-Nachwehen sind heftig. Geschmacksstörungen, Atemnot, neurologische Einschränkungen. Ich bin zu Hause "genesen", brauche aber dringend Unterstützung, eine Auszeit - auch vom Alltag. Ich musste mich mit schlimmen Vorwürfen im Büro quälen. Bin auch psychisch am Ende. Hab ich eine Chance auf eine Reha?

Frommhold: Sie haben praktisch alle Post-Covid-Symptome. Ihre Erfahrungen spiegeln auch die von meinen bisherigen Patienten wider. Auf jeden Fall könnte Ihnen eine spezifische Reha-Maßnahme helfen.

Unbekannt: Ist es möglich, dass durch das viele Tragen der Maske die genannte Schonatmung auftritt? Ich habe keine Covid-Erkrankung durchgemacht, aber bin seit Wochen nicht mehr leistungsfähig. Beim Sport bleibt mir häufig die Luft weg.

Frommhold: Die Schonatmung kommt durch eine erschöpfte Atemmuskulatur. Das Tragen einer Maske hat damit nichts zu tun.

Martina: Ich habe jetzt erst erfahren, dass ich Corona wohl hatte, da ich jede Menge Antikörper habe. Ich war Anfang März nach einem Urlaub auf Mallorca erkältet. Ich wurde aber damals nicht getestet. Mir geht es schon seit Längerem psychisch nicht gut. Bin sehr erschöpft und habe extreme Schlafstörungen und bekomme meine Gedanken nicht beruhigt, sodass ich mich seit März schon zweimal krank melden musste. Ich wäre dankbar über einen Rat.

Frommhold: Es kann gut sein, dass die von Ihnen wahrgenommene Erschöpfung und auch die Schlafstörungen durchaus mit einer erlernten Schonatmung zusammenhängen. Dieses berichten viele unserer Covid-Patienten, auch dass sie psychisch belastet sind. Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn Sie, zum Beispiel über Ihren Hausarzt, eine Post-Corona-Reha beantragen würden. Wir können natürlich keine einhundertprozentige Besserung versprechen, aber es wäre sicherlich möglich, wenigstens einen Teil der Symptome zu lindern.

Unbekannt: Kann ich auch als COPD 4 "Gold" eine Reha bei Ihnen machen? Ich bin 65 Jahre alt.

Frommhold: Das können Sie sehr gerne.

Timmi: Ich wurde im März 2020 positiv getestet. Nach sechs Wochen häuslicher Quarantäne wurde ich symptomfrei entlassen. Seit Juni treten massive Schlafstörungen, Erschöpfung und Konzentrationsschwächen auf. Gibt es bereits Erkenntnisse darüber und gibt es auch dafür eine Reha-Maßnahme?

Frommhold: Das passt sehr gut zu den Beschreibungen unserer anderen Patienten - auch dass die Beschwerden weiter anhalten und gerade dann auftreten, wenn Sie jetzt wieder versuchen, sich zu belasten. Ich denke, wir könnten Sie sehr gut mit einer Reha-Maßnahme unterstützen.

Sabine: Ich scheine an einem post-viralen Erschöpfungssyndrom (nicht Covid-19) zu leiden. Meine Problematik ist starke Erschöpfung, durchaus auch flache Atmung bedingt durch starke Schmerzen über längere Zeit. Wären Sie auch für so einen Fall eine Anlaufstation?

Frommhold: Ja, sehr gerne.

Unbekannt: Wir sind leider seit einer sehr schweren Erkältung im letzten Dezember mit diesen Symptomen, die eben beschrieben wurden, gebeutelt. Unsere Ärzte stehen auch auf dem Schlauch und wissen nicht weiter. Nach dieser Sendung liegt uns der Verdacht nahe, dieses Covid-19 im Dezember gehabt zu haben. Wo bekommen wir und unser Arzt Hilfe?

Frommhold: Es ist nicht auszuschließen, dass Ihre Vermutungen richtig sind. Sie könnten gegebenenfalls einen Antikörpertest machen lassen, wobei ein negatives Ergebnis nicht zwingend eine durchgemachte Covid-Infektion ausschließt.

Unbekannt: Ich hatte Covid im März und war 20 Tage im künstlichen Koma in Bauchlage. Seither habe ich Schmerzen in der rechten Schulter und im Oberarm. Daumen und Zeigefinger sind seither immer taub und fühlen sich pelzig an. Es wurde ein CT der Halswirbelsäule (HWS) gemacht - alles ok. Erholen sich die Nerven auch wieder?

Frommhold: Wir haben viele Patienten mit Lungenversagen und Beatmung in Bauchlage behandelt. Nahezu alle beschreiben die Beschwerden, die Sie angeben. Hier ist es sehr wichtig, physiotherapeutisch und zum Beispiel durch manuelle Therapie anzusetzen, um der muskuloskeletalen Beeinträchtigung, die durch erzwungene Bauchlagerung entsteht, Herr zu werden.

Anna: Meine Mutter und ich waren im April an Covid-19 erkrankt. Ich habe Multiple Sklerose (MS). Nun bin auch ich dauerschlapp, ich habe plötzlich auftretende Gliederschmerzen, die nach ein paar Minuten wieder verschwinden, einfach so Schüttelfrostattacken (meist nach einem stressigen Tag) und auch Konzentrationsstörungen. Ich bin täglich kurzatmig, wenn ich zum Beispiel länger rede. Nun ist mein MS-Medikament "Lemtrada"; seit der ersten Gabe bin ich immer mal wieder kurzatmig. Warum, konnte mir noch niemand erklären. Nun sagen Hausarzt und Neurologin, diese ganzen Symptome könnten von Covid kommen, könnten von der MS kommen, oder sie seien ein Zusammenspiel von beidem. Wäre eine Reha sinnvoll? Hatten Sie schon andere MS-plus-Covid-Patienten?

Frommhold: Ich habe bereits Patienten mit MS und Post-Covid-Symptomen behandelt. Auch diese konnten durchaus gut von den Reha-Maßnahmen profitieren. Wobei wir natürlich durch die MS immer etwas eingeschränkt sind, aber wie gesagt, auch diese Patienten haben von der Reha profitiert.

Karen: Treten die neurologischen Beschwerden wie Konzentrationsschwäche sowie der Haarausfall vor allem bei Patienten auf, die antivirale Medikamente bekamen oder auch bei Patienten, die diese nicht bekamen?

Frommhold: Diese Beschwerden traten auch bei den Patienten auf, die keine antivirale Medikation bekommen haben und auch unabhängig vom Schweregrad des akuten Verlaufes. Also gleichermaßen bei schwerst erkrankten Patienten und bei Patienten mit vermeintlich milden Symptomen.

Unbekannt: Ich hatte Covid-19 und habe eine Vaskulitis-Erkrankung. Ich hatte einen milden Verlauf. Seit der Covid-Erkrankung bin ich kurzatmig und habe Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis. Wie und wo kann ich eine Reha beantragen?

Frommhold: Der erste Weg, eine Reha zu beantragen, läuft in den meisten Fällen über den Hausarzt oder den Facharzt. Dieser füllt einen Antrag aus und reicht ihn bei dem entsprechenden Kostenträger ein. Wer verantwortlich ist, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: Das können die Kranken- oder die Rentenversicherung sein. Sie können sich auch direkt bei der für Sie zuständigen Versicherung erkundigen.

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Visite | 01.09.2020 | 20:15 Uhr

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