Rückenschmerzen: OP vermeiden, Übungen als Geheimtipp

Stand: 02.09.2024 14:04 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Auch bei einem Bandscheibenvorfall gilt: Bewegung steht bei der Behandlung von Rückenschmerzen im Vordergrund. Mit Übungen und einem Geheimtipp in Sachen Muskeltraining lässt sich eine OP oft vermeiden.

von Levke Heed

Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit: Etwa jeder dritte Deutsche leidet daran. In den meisten Fällen sind einseitige Belastungen oder fehlende Bewegung die Ursachen. Manchmal sind Rückenschmerzen aber auch auf einen Bandscheibenvorfall zurückzuführen. Eine gute Nachricht: In den meisten Fällen muss ein Bandscheibenvorfall nicht operiert werden, sondern kann konservativ gut behandelt werden. Neben der Therapie von akuten Schmerzen sind dabei Physiotherapie und ein gezieltes Training entscheidend.

Die Behandlung von Rückenschmerzen nach einem Bandscheibenvorfall hat sich sehr stark gewandelt: Während Ärzte früher auf Ruhe und Schonung setzten, steht heutzutage Bewegung im Vordergrund - zum Beispiel aktivierende Krankengymnastik, Entspannungsverfahren und Übungen zum Muskeltraining - ein echter Geheimtipp gegen Rückenschmerzen. Verspannte Muskulatur wird gelockert, geschwächte Muskulatur gekräftigt. Die Behandlung soll verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden. Schonung hingegen bewirkt einen Muskelabbau und einen Kraftverlust, der Fehlhaltungen nach sich zieht und so zu noch größeren Rückenschmerzen führt.

Behandlung bei Bandscheibenvorfall: Bewegung und Physiotherapie

Entscheidend für die Auswahl der geeigneten Behandlung bei einem Bandscheibenvorfall sind die Beschwerden und die Belastbarkeit des Rückens - und nicht der Befund auf dem Röntgenbild. Die akute Phase bei einem Bandscheibenvorfall dauert etwa vier bis sechs Wochen. Bereits in dieser Zeit empfehlen Ärzte heute keine strikte Schonung mehr, sondern ein passendes Bewegungsprogramm mit Übungen und Physiotherapie. So sollen Kraft und Beweglichkeit erhalten bleiben, ohne allerdings die betroffene Nervenwurzeln zusätzlich zu reizen. Anschließend hat der Körper in der Regel das ausgetretene Gewebe aus der Bandscheibe so weit resorbiert, dass der Rücken wieder belastbar ist. Bei Schmerzen kann der Arzt Schmerzmittel verschreiben. Hilft eine konservative Behandlung mit Übungen zum Muskeltraining und Physiotherapie nicht, kann eine OP sinnvoll sein.

Vorbeugung und Behandlung: Funktionelles Rückentraining stabilisiert

Als eine effektive Maßnahme zur Vorbeugung und Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Statt einzelne Muskeln isoliert zu trainieren, werden dabei ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe mithilfe des eigenen Körpergewichtes trainiert, vor allem die tiefliegenden, die Wirbelsäule stabilisierenden Muskelgruppen. Ziel ist die Wiederherstellung eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen Beweglichkeit und Stabilität.

Geheimtipp 1: Übungen im Alltag bauen Muskulatur auf

Nach einem Bandscheibenvorfall hilft regelmäßiges Training und Bewegung, mit Übungen den Körper auszubalancieren, die Muskulatur zu stärken und die Bandscheiben zu entlasten. Das gelingt auch mit Alltagstätigkeiten:

  • Wer beim Wäscheaufhängen den Wäschekorb auf den Boden stellt und die Kleidungsstücke von dort zur Leine führt, macht die Wirbelsäule durch das Bücken und Dehnen flexibler.
  • Das Anheben von alltäglichen Lasten bringt einen Kraftzuwachs. Dabei darauf achten, aus den Knien heraus und mit geradem Rücken zu heben.
  • Gewichte nach Möglichkeit aufteilen, nicht zu viel auf einmal wollen. Wer morgens und abends einbeinig die Zähne putzt, macht aus der Zahnpflege eine effektive Übung der Koordination.

Geheimtipp 2: Übungen mit Wackelbrett

Im Rahmen des funktionellen Rückentrainings sind sogenannte Wackelbretter ein wichtiges Hilfsmittel und echter Geheimtipp: Damit lässt sich das Zusammenspiel von Bewegungssensoren, Muskeln, Gelenken und Gehirn üben. Durch die instabile Grundlage müssen viele verschiedene Muskeln und Tiefenmuskeln im Bereich des Rumpfes permanente Korrekturbewegungen durchführen, um das Gleichgewicht zu halten. Ziel der Trainings ist es, diese Muskulatur zu kräftigen und ihre Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern. Die dadurch gewonnene Stabilität der Rückenmuskulatur lindert die Schmerzen und beseitigt Rückenschmerzen in einigen Fällen sogar ganz.

Geheimtipp 3: Dehnen

Oft werden die Rückenschmerzen nicht allein durch den Bandscheibenvorfall ausgelöst. Auch Blockaden im Iliosakralgelenk oder Verspannungen des Piriformis-Muskels können am Schmerzgeschehen beteiligt sein. Regelmäßiges Lockern und Dehnen der Gesäßmuskeln kann helfen, die Schmerzen zu lindern. Eine gute Basis-Übung für den Piriformis-Muskel ist die Drei-Stufen-Dehnung. Dabei in Rückenlage das angewinkelte Bein anheben, das Knie mit der gegenüberliegenden Hand zunächst sanft zur Seite ziehen, kurz halten. Dann lösen und das Knie als nächstes in Richtung des gegenüberliegenden Ellenbogens ziehen. Als dritte Stufe das Knie in Richtung der gegenüberliegenden Schulter ziehen.

Wichtig: Körperliches Training sollte an die Leistungsfähigkeit angepasst sein - neben der Beweglichkeit sollten auch Kraft, Ausdauer, Koordination und Gleichgewicht durch Übungen trainiert werden.

Experte aus dem Beitrag

PD Dr. med. Christian Sturm, Orthopäde und Unfallchirurg Ärztlicher Leiter

Physikalische und Rehabilitative Medizin
Medizinische Hochschule Hannover

 

Training
Svea Köhlmoos sitzt auf einem Drehstuhl und zeigt eine Übung. © NDR

Aktive Pause: Rückenübungen bei Büroarbeit

Monitorarbeit und langes Sitzen belasten die Gesundheit. Schon wenige einfache Übungen bewirken viel Gutes - werden Sie aktiv! mehr

Weitere Informationen
Eine Frau hält sich den unteren Rücken. © colourbox Foto: -

Hexenschuss: Was tun gegen Symptome bei Lumbago?

Der Hexenschuss macht seinem Namen alle Ehre: Ein heftiger Schmerz schießt in den Rücken. Was hilft bei Lumbago? mehr

Die Physiotherapeutin führt eine Entlastung des Piriformis an einem Ischias durch. © picture alliance / CHROMORANGE | Michelangelo Oprandi

Piriformis-Syndrom: Symptome, Ursachen und Behandlung

Rückenschmerzen, die ins Bein ausstrahlen, können verschiedene Ursachen haben. Oft drückt der Piriformis-Muskel auf den Ischiasnerv. mehr

Ein Arzt hält eine Blisterverpackung mit Tabletten in der Hand. © picture alliance/Zoonar/Robert Kneschke Foto: Robert Kneschke

Metamizol: Wie gefährlich ist Novaminsulfon?

Schmerzmittel mit dem Wirkstoff Metamizol (Novaminsulfon oder Novalgin) können schwere Nebenwirkungen wie Leberschäden haben. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 17.09.2024 | 20:15 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Bewegungsapparat

Mehr Gesundheitsthemen

Junge Frau im Bett schaut verzweifelt und legt die Hand gegen die Stirn. © Fotolia.com Foto: Sergey

Notfall an den Feiertagen: Unter diesen Nummern gibt es Hilfe

Hohes Fieber an Weihnachten, starke Zahnschmerzen an Silvester: Diese Notdienste bieten rund um die Uhr schnelle Hilfe an. mehr

Gesundheits-Themen

Ratgeber