Ayurveda und TCM: Essen, das von innen wärmt
Die ayurvedische Ernährung wie auch die traditionelle chinesische Medizin (TCM) schreiben Lebensmitteln thermische Wirkung zu. Pitta oder Kapha, Yin und Yang: Welches Essen wärmt und warum?
Essen gegen das Fröstelgefühl? Das geht wirklich. Wenn es draußen kalt wird, helfen nicht nur Pullis und Decken: Die richtigen Lebensmittel können die körpereigene Heizung anfachen. Schon unsere Großeltern wussten, dass ein kräftiger Eintopf im Winter die innere Kälte vertreibt. Deftiges wie Gulasch, Grünkohl oder gut gewürzte Suppen kommt in der Winterzeit traditionell auf den Tisch.
Lebensmittel haben thermische Wirkung
Instinktiv taten unsere Vorfahren damit aus Sicht der fernöstlichen Gesundheitslehren schon genau das Richtige. Denn ihnen zufolge haben alle Lebensmittel eine thermische Eigenschaft, sind also zum Beispiel kalt, neutral oder warm. In dieser Feststellung sind sich das Ayurveda (die alte indische Heilkunst, deutsch: "Lebensweisheit, Wissen vom Leben") wie auch die traditionelle chinesische Medizin einig. So sind in beiden Ernährungslehren fast alle Gewürze warm, Zitrusfrüchte, Blattsalat oder Gurken dagegen kalt.
Zubereitungsart beeinflusst die Wirkung auf den Körper
Und in beiden Lehren gilt: Wer es warm haben will, sollte auch eine warme Mahlzeit speisen. Denn der TCM zufolge benötigt der Körper viel Qi, also Lebensenergie, um Kaltes auf seine Betriebstemperatur zu bringen - die Energie fehle ihm dann, um Körperteile wie Hände und Füße mit Wärme zu versorgen. In gekochten Mahlzeiten ist laut TCM dagegen viel Energie gespeichert: Je länger und heißer es gekocht wurde, desto mehr wärmt ein Gericht demnach den Körper.
Durch Kochen, Braten, Schmoren, aber auch durch Reiben oder Pürieren werden gröbere Strukturen zerkleinert und Moleküle in den Lebensmitteln aufgespalten. Der Körper hat es dann leichter, sie zu verdauen. So bleibt laut TCM und Ayurveda mehr Energie, um alle Regionen des Körpers gleichermaßen mit Wärme zu versorgen.
Lebensmittel-Eigenschaften laut TCM
In der traditionellen chinesischen Medizin muss die Balance zwischen Yin und Yang, also zwischen kalt und heiß stimmen, damit wir uns wohlfühlen. Lebensmittel stuft die TCM in fünf Kategorien ein:
- heiß: rotes Fleisch (Lamm, Rind); Paprika; Chili, Knoblauch und schwarzer Pfeffer
- warm: Fisch, Meeresfrüchte; Langkornreis, Hirse; Eigelb; Nüsse; Fenchel, Lauch, Zwiebel, Pfirsich, Kirschen, Himbeeren, Mandarine; Koriander, Zimt, Ingwer, Sternanis, Nelken (die "Weihnachtsgewürze")
- neutral: Roggen, Hafer (roh), Rundkornreis, Mais, Dinkel; Erbsen, Karotten, Kartoffeln, Weißkohl, Blumenkohl; Milch und Käse; Safran
- kühlend: Tofu, Joghurt; Weizen; die meisten Pilze, Aubergine, Spinat und Rotkohl
- kalt: Gurken, Tomaten, Chinakohl und grüner Salat; Salz, Sojasoße; Eiscreme
Kalte Nahrungsmittel empfehlen sich demnach vor allem im Sommer oder bei Hitzegefühl, warme/heiße Nahrungsmittel dagegen, wenn man fröstelt. Durch Zubereitungsart und Kombination untereinander lassen sich die Wirkungen der Lebensmittel variieren - aus neutralem Hafer wird so durch Kochen ein wärmendes Porridge, das mit Zimt oder einer Prise Chili noch zusätzlich angeheizt werden kann. Ähnlich gewinnt die frische, kalte Tomate an Wärmeenergie, wenn sie mit Zwiebeln und Pfeffer auf dem Herd zu einer samtigen Soße schmurgelt.
Die Ernährungslehre des Ayurveda
Nach der ayurvedischen Lehre steuert das Agni, das "Verdauungsfeuer", all unsere Körperfunktionen - die Verdauung, aber auch die Körpertemperatur. Auch das Ayurveda geht davon aus, dass sich in einem gesunden Organismus alle Energien im Gleichgewicht befinden sollten. Es kennt unterschiedliche Lebensenergien, sogenannte Doshas:
- den leicht frierenden, ätherischen Vata-Typ
- den feurigen Pitta-Typ
- den geerdeten Kapha-Typ.
Laut der Ayurveda-Lehre sollte man danach streben, durch Zutaten aus einem entgegengesetzten Dosha die Energie zu harmonisieren. Dabei geht es in der indischen Ernährungstherapie auch um die Wirkung verschiedener Geschmacksrichtungen. Ist uns von innen heraus kalt und fröstelig, können wir das mit wärmenden scharfen Lebensmitteln ausgleichen: insbesondere mit Gewürzen wie frischem Ingwer oder Currypulver. Die ayurvedische Medizin unterscheidet dabei, wo Gewürze ihre wärmende Wirkung hauptsächlich entfalten: Chili oder Ingwer entfachen die feurige Wirkung bereits im Mund über die Nervenenden der Mundschleimhaut. Kreuzkümmel (Kumin) oder Zimt dagegen wärmen erst im Magen.
"Einheizende" Wirkung von Gewürzen ist belegt
Dass uns Chili, Pfeffer oder Ingwer einheizen, ist sogar wissenschaftlich belegt. Grund dafür sind ihre scharfen Inhaltsstoffe: Piperin (Pfeffer), Capsaicin (Chili) und die Gingerole (Ingwer). Diese Stoffe kurbeln unsere Durchblutung an. Die Gefäße erweitern sich, das Blut kann schneller fließen, die Körpertemperatur steigt. Ab einem gewissen Punkt allerdings versucht der Körper, den Anstieg der Körpertemperatur auszugleichen, öffnet die Poren und produziert Schweiß. Wenn dieser auf der Haut verdunstet, wird uns schnell wieder kalt. Vorsichtig mit wärmenden Gewürzen sein sollten Frauen in den Wechseljahren, die mit Hitzewallungen kämpfen.
Erfahrungswerte statt wissenschaftlicher Belege
Abgesehen von kleinen Bereichen, etwa den Wirkungen einzelner Gewürze, sind die Lehren von Ayurveda und TCM bisher nicht belegt - zumindest nicht nach modernen wissenschaftlichen Kriterien wie Studien und Meta-Analysen. Die Lebensweisheiten des Ostens verstehen sich als reine Anwendungslehren, sie basieren auf Beobachtung über viele Generationen. Ähnlich wie das heilpraktische Alltagswissen unserer Vorfahren, das mit dem medizinischen Fortschritt teils in Vergessenheit geriet - aber in manchen Gerichten noch weiterlebt.
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