Clubsterben in Lüneburg: "Energiepreise werden uns reinreißen"
Das Lüneburger Café Klatsch ist der nächste Club der Stadt, der dicht macht. Neben den Energiepreisen macht den Kulturschaffenden der Gästeschwund große Sorgen.
Die Wunderbar, die Vamos! Kulturhalle und die Diskothek Garage in Lüneburg sind bereits Geschichte. Nun scheinen auch die Tage der Lüneburger Kult-Musikkneipe Café Klatsch gezählt zu sein. Nach 38 Jahren und über 3.000 Konzerten kann und will Inhaber Ulli Schröder nicht mehr weitermachen. Die Corona-Lockdowns so sagt der 70-Jährige, konnte er dank staatlicher Hilfen noch wegstecken. Doch Bürokratie, hohe Energiepreise und gesundheitliche Probleme lassen ihn jetzt das Handtuch werfen.
Energiepreise: Ohne staatliche Hilfe überhaupt zu stemmen?
"Die hohen Energiepreise werden uns richtig reinreißen", sagt Schröder. "Auch auf ein Haus wie dieses werden Kosten zukommen, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob sie ohne staatliche Hilfe überhaupt zu stemmen sind."
Das alte, stark sanierungsbedürftige Gebäude, in dem sich das Café Klatsch befindet, soll nun verkauft werden. Ob dort jemals wieder Live-Musik zu hören sein wird, ist unklar. Ulli Schröder hofft zumindest auf eine solche Lösung. "Interessenten gäbe es", erzählt Schröder. "Die Frage bleibt tatsächlich, ob das Ganze finanziell zu stemmen ist. Für die Kultur Lüneburgs wäre es natürlich richtig gut, wenn ein Laden wie dieser erhalten bleiben würde."
Clubsterben: Das Café Klatsch wird vielen fehlen
Auch in Musikerkreisen sorgt das mögliche Ende des Café Klatsch für lange Gesichter. In Norddeutschland gibt es wohl kaum eine Blues- oder Rockband, die hier noch nicht gespielt hat. Auch der Gitarrist Peer Frenzke vom Verein 1st Class Session ist traurig über die Entwicklung: "Diese kleinen, verrauchten Clubs - das ist doch das, was den Rock'n'Roll ausmacht! Es ist ganz fürchterlich, wenn das alles aufgegeben wird und wir nur noch den Mainstream bedienen."
Frenzke ist nicht nur ein gefragter Studiogitarrist, sondern auch Konzertveranstalter. Mit dem Verein 1st Class Session hat er schon nationale und internationale Größen der Rock-, Soul- und Funkmusik auf die Bühne gebracht. Seit Corona aber wird es immer schwieriger, auch vor größerem Publikum spielen zu können.
Publikum bleibt seit Corona-Lockdowns zu Hause
Viele Leute, so sagt Frenzke, blieben einfach zu Hause: "In der Corona-Zeit haben die Leute gemerkt: Mit Netflix ist es ja auch schön. Da kann man den Kamin anmachen, sitzen bleiben und ein Glas Wein trinken. Aber die Kultur lebt vom Publikum und vom Austausch mit dem Publikum. Und der fehlt uns allen sehr. Das ist neben dem pekuniären Desaster das Allerschlimmste: dass man sich als Künstler nicht mehr präsentieren kann. Auch als Schauspielerin oder als Musiker hat man ja so eine Art Sendungsbewusstsein, will sich mit dem Publikum austauschen, im besten Falle verschmelzen. Das passiert nicht mehr."
Ohne Sponsoren und staatliche Hilfen, so sagt Frenzke, wären viele Musiker und Veranstalter schon am Ende. Obwohl es Ausnahmen gibt: "Große Konzerte wie die von Helene Fischer oder Coldplay ziehen viele Leute. Aber das mittlere Segment, die kulturelle Vielfalt, auch die Kleinkunst, leidet. Ob bei Theater- oder Zirkusveranstaltungen: Die Veranstalterinnen hier vor Ort sind am Ende. Es werden viel zu wenig Tickets gekauft für die kleinen Veranstaltungen. Das ist fatal."
Der Veranstaltungsbranche fehlt Personal
Außerdem gibt es in der Veranstaltungsbranche personelle Probleme. Denn in der Zeit des Corona-Lockdowns haben sich einige Beschäftigte notgedrungen neue Jobs gesucht und zum Beispiel auf Taxifahrer, Lokführer oder Sanitäter umschulen lassen. Und es gibt leider einige, die ganz aufgegeben haben.
"Bei denjenigen, die von der Kunst und von ihren künstlerischen Darbietungen abhängig sind, und das ist der Großteil meiner Freunde, geht es um Existenzen", so Frenzke. "Es geht bis hin zu Suiziden. Ich mag jetzt keine Namen nennen, aber enge Freunde von mir haben sich das Leben genommen, weil sie keinen Ausweg mehr gesehen haben. Diese Leute leben vom Spielen. Die haben Häuser, haben Familien. Und die Auftragslage ist von 100 Prozent auf Null heruntergekracht."
Lüneburg feiert Nacht der Clubs am 5. November
Trotzdem gibt es kleine Lichtblicke am düsteren Horizont. So haben Initiativen wie die Corona-Künstlerhilfe über 1 Million Euro für Künstler in Not gesammelt. Und in Lüneburg wollen am 5. November mehrere Kneipen, Restaurants und Bars eine Nacht der Clubs feiern, mit 13 Bands und Live-Musik. Bleibt zu hoffen, dass dann auch genug Publikum kommt.
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