"Der Freischütz" in Hamburg als abgründiger Psychokrimi
Am Sonntag hatte "Der Freischütz" von Carl Maria von Weber Premiere in der Staatsoper Hamburg: ein 200 Jahre alter Opern-Klassiker, der hier zum abgründigen Psychokrimi wurde.
Sechs Gewehrkugeln sind gegossen, die siebte gehört - dem Teufel. Max, der Freischütz, wird schießen - ob er aus Versehen seine Verlobte trifft? Hier herrscht Hochspannung bis zum Schluss - bis ein Schuss erklingt. Die 200 Jahre alte Oper unter der brillanten musikalischen Leitung von Yoel Gamzou jagt ihrem Ende entgegen.
Fabelhafter Opernchor, inszeniert wie im Heimatfilm der 50er-Jahre
Die Oper "Der Freischütz" wird oft mit Deutschtümelei assoziiert: Regisseur Andreas Kriegenburg und sein Team setzen auf genau dieses "Tümelnde", aber anders als man denkt. Auf der Bühne versammelt sich eine böse wispernde Gruppe - der fabelhafte Opernchor - in braunen Jägerkostümchen, mit Bierkrug in der Hand, wie in einem Heimatfilm der 50er-Jahre. Eine Meute, die sich einen Anführer sucht - und ein Opfer. "Der Chor war völlig irre", merkt eine Besucherin an.
Max ist der Außenseiter, er taugt nicht zum Sieger, der frühere Meisterschütze trifft nicht mehr. Dabei will er die Förstertochter Agathe heiraten, aber das kann er nur, wenn er seine Klasse als Jäger beweist. Also lässt er sich mit dem Teufel ein. Dafür öffnet sich die abstrakte Bühne, eine Art Bretterverschlag, zu einem geisterhaft wuchernden Abgrund. Ein weiterer Kniff der Regie: Der Teufel Samiel tänzelt wie ein Conférencier der 20er-Jahre, blass geschminkt, im schwarzen Anzug über die Bühne: großartig dämonisch spielt und singt Clemens Sienknecht.
Alina Wunderlin glänzt mit wundervoller Gewitztheit
Und immer ist es die Gruppe, die hier bösartig ausgrenzt, aufsaugt, bedroht. Vor dieser Kulisse leuchten die Solostimmen umso mehr. Maximilian Schmitt singt den Freischütz mit zarten, ausdrucksstarken Farben, Julia Kleiter als Agathe mit hochemotionalem, vollen Sopran. Und dann, ein Star des Abends: Alina Wunderlin als Ännchen, die die völlig überforderte Braut immer wieder aufmuntert. Mit einer wundervoll, fast clownesken Gewitztheit. "Ännchen, die Cousine von der Braut, hat das auch mit Humor gemacht, das war cool", meint eine jüngere Besucherin.
In dem Bretterverschlag dreht sich ein Rahmen nach vorne, in dem das Zimmer der Braut zu sehen ist: Die Bilder wechseln wie bei einem filmischen Zoom zwischen Intimität und der Totalen. Was diesen Abend so sehenswert macht: Er folgt einem eigenen, fast ruhigen Erzählrhythmus, der trotzdem die Elektrizität der Handlung herauskitzelt.
Er konzentriert sich auf plausible Figuren - und er zeigt die Verführbarkeit des Menschen als ewig altes Spiel. "Das hat den Leistungsdruck der Gesellschaft widerspiegelt, der einfach auch da ist. Was ich aber auch interessant finde bei der Oper, ist das Ende: Man muss immer verzeihen können", meint ein Besucher.
Am Ende: Versöhnung? Bleibt abzuwarten. Samiel, der Teufel, hat ein verräterisches Lächeln um die Lippen. Ein unheimlich guter Opernabend.
"Der Freischütz" in Hamburg als abgründiger Psychokrimi
Der 200 Jahre alte Klassiker wird unter der brillanten Leitung von Yoel Gamzou an der Staatsoper zu einem unheimlichen guten Opernabend.
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- Bühne
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- Ende:
- Ort:
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Hamburgische Staatsoper
Große Theaterstraße 25
20354 Hamburg