"Der Freischütz" in Eutin: Spiel mit Licht und Schatten
Die Eutiner Festspiele zeigen erneut Carl Maria von Webers "Freischütz". Die romantische Oper über den Kampf zwischen Gut und Böse wird unter Anthony Pilavachis Regie zu einem düsteren Erlebnis.
Der "Freischütz" erzählt die Geschichte des Jägers Max, der in einem Pakt mit dunklen Mächten um die Hand seiner Geliebten Agathe kämpft. Gleich zu Beginn des Stücks zieht ein großes Schild "Wer auf Gott vertraut, baut gut" die Aufmerksamkeit auf sich, wobei das Wort "Gott" auf dem Boden liegt - ein Zeichen für einen gottverlassenen Ort? Skelettartige Türme flankieren die Bühne, während der Hintergrund von einem mystischen Wald dominiert wird, der an die schaurigen Märchen der Gebrüder Grimm erinnert. Pilavachi nutzt diese düstere Kulisse, um die bedrohlichen und unheimlichen Elemente des Freischütz‘ hervorzuheben.
Pilavachis Faszination für das Grauenvolle
Anthony Pilavachi, der renommierte Regisseur, erklärt seine Vision: "Alle Komponisten von Beethoven über Schumann bis zu E.T.A. Hoffmann und Edgar Allan Poe waren von den Gebrüdern Grimm beeinflusst. Diese Märchen sind brutal und zeigen die Dunkelheit des menschlichen Verhaltens. Diese Faszination für das Grauenvolle und die Brutalität wollte ich auf die Bühne bringen. Das ist die deutsche Romantik - düster und geheimnisvoll."
Musik untermalt emotionale Höhepunkte
Unter der musikalischen Leitung von Leslie Suganandarajah spielt die Kammerphilharmonie Lübeck vor der Bühne im Orchestergraben - bei der Probe wetterbedingt unter einer Plane. Besonders beeindruckend ist die Wolfsschlucht-Szene, die in dieser Inszenierung zu einem emotionalen Höhepunkt wird. Mit einem 49-köpfigen Chor, der im schwarzen Gewand aus dem in Nebel gehüllten Wald erscheint, und einem Max, der in einem fiebertraumartigen Zustand gegen innere und äußere Dämonen kämpft, erschafft Pilavachi einen wahrgewordenen Fiebertraum.
Tiefergehende Rollen und starke Bühnenpräsenz
Auf der Freilichtbühne wird ohne Mikrofon gesungen, was den Opernsängern große stimmliche Kraft abverlangt. Gelegentlich stimmen auch die Vögel der Umgebung mit ein. Als während der Probe ein Gewitter aufzog, war es schwer zu sagen, ob der Donner real war oder aus den Lautsprechern kam. Tenor Marius Pallesen, der den Max spielt, beschreibt die besondere Atmosphäre: "Wenn man auf diese Bühne tritt, macht das etwas mit einem. Es ist monumental, besonders wenn die Sonne untergeht. Das beeinflusst die Stimmung und hilft, die Emotionen gesanglich auszudrücken."
Frauenrollen bekommen mehr Tiefe
Pilavachi verleiht den sonst oft unscheinbaren Frauenrollen im Stück eine tiefere Bedeutung. Océane Paredes, die Ännchen spielt, beschreibt die Veränderung ihrer Rolle.
Ich habe die Partie leicht und lustig einstudiert, aber Pilavachi hat Ännchen eine tiefere, fast unheimliche Verbindung zum dämonischen Samiel gegeben. Sie ist wie besessen. Océane Paredes, Sopranistin
Die Rolle des Samiels ist überraschenderweise mit einer Frau besetzt. Nina Maria Zorn gibt durch eigene Monologe und Texte dem Teuflischen viel Raum.
Text von Freischütz sehr zweideutig
Doch trotz der gesamten Düsterkeit im Stück, nutzt Pilavachi geschickt heitere Momente, um das Spiel aus Licht und Schatten zu betonen. Besonders der Jägerchor, der mit seinem Auftritt über pralle Lebens- und Jagdfreue interpretiert wird, offenbart bei genauerem Hinhören eine dunkle, fast provokative Ebene.
Niemand beschäftigt sich mit dem Text. Was singen die Männer? Der Text ist eigentlich eine Beleidigung an die Frauen. Es ist männliches Verlangen und fast pornografisch. Anthony Pilavachi, internationaler Opernregisseur
Premiere und weitere Vorstellungen
"Der Freischütz" von Carl Maria von Weber, eine Oper, die seit 46 Jahren über 200 Mal auf der Eutiner Freilichtbühne aufgeführt wurde, feiert am 19. Juli seine Premiere unter Pilavachis neuer Interpretation. Die Vorstellungen laufen bis Mitte August.