Fehmarnsundbrücke: Herzstück der Vogelfluglinie
Am 4. Januar 1960 wurde mit dem Bau der Fehmarnsundbrücke begonnen. Seit 1999 steht die "Brücke des Friedens" nach Skandinavien unter Denkmalschutz. Auch in Zukunft soll sie eine wichtige Rolle spielen.
Bundesverkehrsminister Hans-Christoph Seebohm und sein dänischer Kollege Kai Lindberg sind am 4. Januar 1960 dabei, als mit dem offiziellen Spatenstich der Bau der Fehmarnsundbrücke beginnt. Große Hoffnungen ruhen auf dem Bauprojekt, das nicht nur die Insel Fehmarn mit dem Festland verbinden soll: Die Brücke über den Fehmarnsund schafft die Grundlage für eine schnellere Verbindung nach Dänemark damit die Vogelfluglinie zwischen Deutschland und Skandinavien. Drei Jahre dauern die Bauarbeiten, bis die kombinierte Straßen- und Eisenbahnstrecke am 30. April 1963 eingeweiht wird. "Heute Vormittag hat für die Insel Fehmarn die Zukunft begonnen", kommentiert ein NDR Reporter mit pathetischen Worte die Feierstunde. Bundesverkehrsminister Seebohm bezeichnet das ambitionierte Bauwerk als "Brücke des Friedens zwischen Deutschland und den nordischen Staaten Europas."
Bundespräsident Lübke eröffnet neuen Fährhafen
Zwei Wochen später - am 14. Mai 1963 - wird auch die 19 Kilometer lange Schiffsverbindung zwischen Puttgarden und Rødby üner den Fehmarnbelt in Betrieb genommen. Es ist ein großer Festtag, über den NDR Chefreporter Hermann Rockmann damals berichtet: "Bei strahlender Sonne verließ das Fährschiff über die Toppen geflaggt mit dem Bundespräsidenten Dr. Lübke und annähernd 400 Ehrengästen den neuen Fährhafen Puttgarden zur ersten offiziellen Fahrt über den Fehmarnbelt nach dem dänischen Fährhafen Rødby."
Heinrich Lübke eröffnet die Vogelfluglinie mit großen, pathetisch formulierten Erwartungen. Die Vogelfluglinie werde die "Entwicklung guter menschlicher, kultureller, wirtschaftlicher und auch politischer Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern wieder fördern". Der Bundespräsident erhebt sein Glas "auf die europäische Einigung, deren Verwirklichung wir alle aus vollem Herze wünschen". Dänemarks König Frederik IX. schließt sich dem Toast an und äußert den Wunsch, "dass die neue Verkehrsverbindung dazu beitragen möge, diese positive Entwicklung zum Nutzen unserer beiden Länder und zur Förderung der europäischen Zusammenarbeit zu festigen."
Vogelfluglinie: Symbol der Annäherung nach dem Krieg
So viel Einigkeit ist damals alles andere als selbstverständlich - 18 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Hitler-Deutschland Dänemark besetzt hatte. Mit dem Wiederaufbau nach dem Krieg geht die neue Bundesrepublik auch auf die ehemaligen Feinde und Opfer des NS-Regimes zu. Deshalb sei die Vogelfluglinie mehr als ein wirtschaftliches Projekt, so Tobias Etzold, Nordeuropa-Experte beim Forum Nordeuropäische Politik in Berlin: "Der Austausch von Gütern und Menschen hat sicherlich - gerade zwischen Ländern, die vorher im Clinch lagen - eine wichtige politische Bedeutung, um die Länder enger zusammenzuführen." Das habe besonders für diese Zeit der fortschreitenden europäischen Integration gegolten, so Etzold.
Die Vogelfluglinie wird zum Vorreiter und Symbol für offene Grenzen und eine neue Zusammenarbeit in Europa - eine Idee, die durch die wiedereingeführten "vorübergehenden" dänischen Grenzkontrollen zum Teil ad absurdum geführt wird. Laut Etzold widersprechen die 2016 von Dänemark wieder eingeführten Grenzkontrollen massiv dem Gedanken eines freien Waren-, Güter- und Personenverkehrs an den europäischen Binnengrenzen: "Daher müssen wir alles tun, um die ursprünglichen Symbole eines freien Europas aufrechtzuerhalten."
Schon im 19. Jahrhundert gibt es Pläne
Planungen für eine Verbindung zwischen Deutschland und Dänemark über Fehmarn gab es indes schon viel früher: Seit dem 19. Jahrhundert setzt man in eine Fährverbindung zwischen Fehmarn und Lolland große Hoffnungen. 1864 plant der deutsche Ingenieur Gustav Kröhnke die Fährlinie und versucht, sie erst Dänemark, dann Preußen schmackhaft zu machen. Doch sein Vorhaben scheitert - an Geldmangel, politischen Widerständen und am deutsch-dänischen Krieg. Dabei hatte Dänemark durchaus großes Interesse an einem schnellen Weg nach nach Mittel- und Südeuropa. "Für Dänemark stand immer eines im Vordergrund: die Erschließung der westlichen und südlichen Märkte. England vor allen Dingen war ein wichtiger Handelspartner, aber auch Deutschland", erklärt Chronist Carsten Watsack.
Anfang der 1940er-Jahre kommt es zu einer Neuauflage der Pläne. Die Nazis treiben das Projekt voran und planen einen Reichsautobahn von Hamburg ins besetzte Kopenhagen. Auf dänischer Seite wird bereits an Brücken und Straßen gearbeitet. Doch der Krieg stoppt den Bau, denn alle Männer müssen an die Front. Erst 20 Jahre später werden die Pläne tatsächlich realisiert und verbinden Fehmarn mit dem Festland.
Brückenschlag in Richtung Dänemark
Während Politiker den Brückenschlag in Richtung Dänemark in den 1960er-Jahren als historisch feiern, sind viele Fehmaraner skeptisch. "Auf ideellen Gebieten wird sich unser Fehmarnland sehr verändern. Wir werden eine ganz neue Kultur bekommen. Das Unberührte ist vorbei. Wir sind entdeckt", sagt Heimatforscher Peter Wilpert damals. "Die Fehmaraner haben ihre Insel immer als Kontinent angesehen", erklärt Carsten Watsack als langjähriger Fährschiffkapitän und Chronist der Vogelfluglinie vor einigen Jahren. Doch nur mit der Fehmarnsundbrücke habe man die Vogelfluglinie realisieren können, "denn hätte man den Fehmarnsund weiterhin mit Fähren überqueren müssen, wäre der ganze Zeitgewinn, der Vorteil der Vogelfluglinie, dahin gewesen."
Stärkung des Tourismus
Die neue Verbindung erhöht den Handel zwischen den beiden Ländern Dänemark und Deutschland und stärkt den Tourismus auf der bislang abgeschiedenen Insel Fehmarn, wie Jan Wedemeier vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut betont. Darüber hinaus habe es aber keine nennenswerten ökonomische Vorteile oder Impulse für die Region - Ostholstein mit Fehmarn auf deutscher Seite und Lolland auf dänischer Seite - gegeben. Auch wenn Heimatforscher Wilpert zur Eröffnung der Vogelfluglinie prophezeite, Puttgarden auf Fehmarn werde "eine ganz große Stadt" werden - der Ort ist immer noch das kleine ruhige, abgelegene Dorf von damals geblieben, der Verkehr aus der große weiten Welt rauscht an ihm nur vorbei.
Scandlines-Fährschiffe als schwimmende Brücke
Bislang bilden die Fährschiffe von Scandlines die schwimmende Brücke zwischen Puttgarden und Rødby. Mit jährlich mehreren Millionen Passagieren sei die Vogelfluglinie eine Erfolgsgeschichte, sagte der ehemalige Scandlines-Aufsichtsratsvorsitzender Søren Poulsgaard Jensen vor einigen Jahren. Er bezweifle allerdings, dass sich mit der Brücke die Vision vom Zusammenwachsen des südlichen Dänemarks und des nördlichen Deutschlands verwirklicht hat. Das liege aber nicht an einer fehlenden Straßen- und Schienenverbindung, so der Aufsichtsratschef. "Vielmehr liegt dieses Problem am Sprachunterschied, am wirtschaftlichen Aktivitätsniveau und verschiedenen politischen Entscheidungen, die die Mehrwertsteuer, andere Steuern und Abgaben und das Rentensystem betreffen."
Nächste Etappe: Der Fehmarnbelttunnel
Seit 2021 wird am Ostseetunnel als fester Fehmarnbeltquerung gebaut. Sowohl auf dänischer wie auch auf deutscher Seite wird gearbeitet. Der rund 18 Kilometer lange Eisenbahn- und Straßentunnel soll voraussichtlich von 2029 an die deutsche Insel Fehmarn mit Dänemark verbinden. Doch während im Nachbarland alle politischen Gruppierungen hinter dem Millionenprojekt stehen, ist der Fehmarnbelt-Tunnel in Deutschland umstritten. Verschiedene Institutionen wie der Naturschutzbund NABU und das "Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung" reichten Klage ein - scheiterten im November 2020 jedoch vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Ganz ausgestanden ist das juristische Tauziehen um die Querung damit aber noch nicht: Beide Bündnisse reichten im Juni 2022 erneut Klage ein, denn sie sehen die Meeresriffe an dem Bauabschnitt bedroht.
"Kleiderbügel" bleibt für den langsamen Verkehr
Die in die Jahre gekommene Fehmarnsundbrücke, die seit 1999 unter Denkmalschutz steht und die die Fehmaraner wegen ihrer Form liebevoll ihren "Kleiderbügel" nennen, dürfte dem erwarteten Verkehrsaufkommen im Zuge der Fehmarnbeltquerung nicht gewachsen sein. Daher soll parallel zur alten Brücke ein Absenktunnel zwischen dem Festland und der Ostseeinsel gebaut werden. Für Fußgänger, Radfahrer und den langsamen Verkehr wie etwa Traktoren oder Autos mit Anhängern soll die ertüchtigte Fehmarnsundbrücke dann weiter zur Verfügung stehen.