Fehmarnbelt: Riffsterben entlang der Tunneltrasse?
Neue Unterwasseraufnahmen entlang der Trasse des Fehmarnbelttunnels zeigen die Auswirkungen der Baggerarbeiten auf schützenswerte Riffe abseits der Trasse. Offenbar beim Ausbaggern des Grabens für die Trasse freigesetztes Sediment hat sich wie ein Leichentuch über Flora und Fauna gelegt.
Jetzt fordert das "Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbeltquerung" einen Baustopp und neue unabhängige Umweltuntersuchungen. Ein Team von Panorama 3 hat ein Forschungsschiff auf seiner Fahrt zu den Riffen begleitet. Ein Team des NDR in Kiel hat selbst die Situation am Meeresgrund dokumentiert.
Ein Graben am Meeresgrund
Zäh fressen sich Bagger durch den Meeresgrund, um den Graben auszuheben, in den später die Tunnelelemente abgesenkt werden sollen. Rund 15 Millionen Kubikmeter werden rausgeholt für die rund 18 Kilometer lange Trasse zwischen Puttgarden und Rødby. Der dänische Bauträger Femern A/S hat nach eigenen Angaben schon die Hälfte geschafft. Es ist eines der größten Infrastrukturprojekte Europas. Und alles soll offiziell im Einklang mit der Natur stehen.
Mit einem Infocenter in Burg auf Fehmarn informiert der Tunnelbauer über das Projekt und wie ökologisch alles ablaufen soll. Auf bunten Tafeln stehen dort Sätze wie "Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen für Natur und Umwelt" und "Die Umwelt stets im Blick während der Bauphase".
Insulanerinnen gegen Bagger
Trotz aller Anstrengungen bei der Öffentlichkeitsarbeit für den Tunnel: Viele auf Fehmarn wollen den Tunnel nicht. Christine Albert und Susanne Haag haben sich fast dreißig Jahre gegen eine feste Querung engagiert, dann haben sie aufgegeben. "Es gab so viele Argumente dagegen, von Anfang an, und es hatte keinen Erfolg", fasst Susanne Haag das Scheitern ihres Kampfes gegen den Tunnel zusammen. "Man hat das ja mit den Riffen gewusst", bestätigt Christine Albert.
Doch alle Verfahren gegen den Bau des Tunnels vor dem Bundesverwaltungsgericht scheiterten. Dabei hatte der Bauträger bei seinen Voruntersuchungen schützenswerte Riffe auf der Trasse übersehen. Entdeckt wurden die Riffe durch den Naturschutzbund NABU. Ein Baustopp konnte dennoch nicht erwirkt werden. Nach einem Planänderungsbeschluss im Herbst 2021 darf die gesamte Tunneltrasse ausgebaggert werden. Dabei gehen auch Riffe verloren. Femern A/S sieht darin kein Problem und teilt und mit: "Die Riffe um Fehmarn verlieren durch das Projekt nur einen sehr kleinen Teil ihrer Fläche." Und zum Ausgleich würden "mehr neue Riffe hergestellt, als dauerhaft verloren gehen."
Riffsterben durch "unnatürliche Sedimentierung"
Doch es geht nicht nur um die Riffe, die direkt dem Bagger zum Opfer fallen. Neue Unterwasseraufnahmen abseits der Trasse zeigen: Auch bisher intakte Riffe sind mit Sedimenten bedeckt. Das vom Aktionsbündnis beauftrage Forschungsschiff hat den Zustand von Riffstrukturen mit einem Tauchroboter erkundet. So entstanden Filmaufnahmen bis zu 200 Meter von der Trasse entfernt. Flora und Fauna waren überdeckt mit einer schlammigen Masse. Und auch das Wasser war trüb und voller Sediment. "Das ist die unnatürliche Sedimentierung, vor der wir Angst haben", beschreibt Isabel Arent vom Aktionsbündnis die Situation. Das Sediment nehme den Riffen das dringend benötigte Sonnenlicht.
Die Folgen davon konnte ein Taucherteam des NDR-Kiel im Mai auf einem Riff vor Fehmarn selbst dokumentieren. Mit dabei war der Kollege Jonas Drescher. Der Forschungstaucher und Meeresbiologe konnte die aktuelle Situation mit Filmaufnahmen des Riffs vor den Baggerarbeiten vergleichen. "Wir haben dort viel weniger Schwämme und Algen gesehen, alles war überdeckt mit einem Vorhang aus Sediment", berichtet er uns. Das bedrohe alles Leben auf dem Riff.
Untersuchung gefordert
Femern A/S teilt uns mit, indirekt würden keine Riffstrukturen zerstört, "sondern lediglich temporär beeinträchtigt". Es würde nur Sediment freigesetzt, was natürlicherweise in der Ostsee anzutreffen sei. Das sei nicht immer von den durch Stürme eingetragenen Sedimenten zu unterscheiden. Der Tunnelbauer will also nichts mit dem schlechten Zustand der Riffe zu tun haben. Das will das Aktionsbündnis so nicht hinnehmen und fordert einen Baustopp. Dann solle eine Untersuchung des Zustandes der Riffe im Fehmarnbelt durch ein unabhängiges Institut erfolgen. Es geht also dabei auch um mögliche Langzeitfolgen für das Leben in der Ostsee.