Sendedatum: 13.04.2013 19:20 Uhr

"Eine ganz große Erfolgsgeschichte"

Autor Carsten Watsack vor einem Fährschiff der Reederei Scandlines. © Carsten Watsack
Fährschiffkapitän Carsten Watsack arbeitete lange Jahre für die deutsch-dänische Reederei Scandlines.

Die Pläne für eine Fährverbindung zwischen der Insel Fehmarn und dem dänischen Lolland gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Erste Spatenstiche für die sogenannte Vogelfluglinie erfolgten in den 1940er-Jahren, dann wurden die Arbeiten zunächst eingestellt. Carsten Watsack hat zwei Bücher über die Geschichte der Vogelfluglinie veröffentlicht. Im Interview erklärt er, warum diese Verbindung so wichtig ist.

Nach ersten Überlegungen und Planungen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Idee einer Fährverbindung zwischen Fehmarn und Lolland ja in der Zeit des Nationalsozialismus richtig konkret. Woher kam damals das neu erwachte Interesse? Welche Ziele verfolgte man mit dem Projekt?

Carsten Watsack: Für Dänemark stand immer die Erschließung der westlichen und südlichen Märkte im Vordergrund. Vor allem England war ein wichtiger Handelspartner, aber auch Deutschland. Und aus dänischer Sicht war die Vogelfluglinie eigentlich immer der direkte Weg zwischen dem Süden Europas und den dänischen Inseln. Von daher gesehen war das Interesse auf dänischer Seite immer sehr groß, sodass man in den 1940er-Jahren anfing zu bauen. Auf beiden Seiten des Fehmarnbelts gab es erste Spatenstiche seinerzeit, wofür auch Politiker anreisten. Dänemark war seinerzeit bereits deutsch besetzt, hatte allerdings noch eine freie Verwaltung. Als sich das dann später änderte, machte das auch die ersten Ambitionen zum Bau der Vogelfluglinie zunichte. Dann wurden die Bauarbeiten auf beiden Seiten eingestellt, als der Krieg ab 1943 in eine heftigere Phase ging. Und somit blieben die angefangenen Bauten im Gelände stehen.

Realität wurde der Plan dann nach dem zweiten Weltkrieg, als - könnte man denken - Deutschland erstmal eigentlich ja ganz andere Sorgen hatte, nämlich Wiederaufbau und Wirtschaftsaufschwung. Warum hat man der Vogelfluglinie trotzdem eine relativ hohe Priorität eingeräumt?

Watsack:  Das große Problem war nach dem Zweiten Weltkrieg, dass die beiden Eisenbahnfährlinien Gedser-Warnemünde und Sassnitz-Trelleborg vom Westen abgeschnitten waren. Das heißt die Verkehrswege hatten sich plötzlich verlagert. Es gab den klassischen Weg über den Osten nicht mehr. Somit musste man sich Gedanken über neue Verbindungen machen. Der Weg über das Festland endete letztendlich am Großen Belt, wo dann auch wieder Fähren unterwegs waren. Und der Weg über Flensburg konnte diese steigende Gütermenge, auch die steigende Reiselust der Menschen nicht bewältigen. Somit musste man wieder über die alte Idee der Vogelfluglinie nachdenken, um einen Weg zwischen Kopenhagen und Hamburg zu schaffen - eben östlich der klassischen Route über das Festland.

Dann musste für die Linie auch die Fehmarnsundbrücke gebaut werden. War das für die Region insgesamt auch ein großer Schritt? Damit war Fehmarn ja keine Insel mehr.

Watsack: Für die Fehmaraner war das sicherlich am Anfang gar nicht so toll. Und es ist überliefert, dass sich einige Einwohner Fehmarns auch kräftig dagegen gewehrt haben, denn sie haben ihre Insel immer als Kontinent angesehen. Aber letztlich war es natürlich nur mit der Fehmarnsundbrücke möglich, die Vogelfluglinie zu realisieren. Denn hätte man den Fehmarnsund weiterhin mit Fähren überqueren müssen, wäre natürlich der ganze Zeitgewinn, der Vorteil der Vogelfluglinie über Puttgarden-Rødby zu fahren, dahin gewesen.

Wie ist das Ganze dann angelaufen in den ersten Jahren der Vogelfluglinie? Haben sich die Erwartungen zum Beispiel in die Verkehrsfrequenz, in die Zahl der Züge, Fahrzeuge, aber auch in den Transport der Güter erfüllt?

Watsack: Absolut. Übertroffen sogar. Es war schon auf der Linie Großenbrode-Gedser abzusehen, dass die vorhandenen Kapazitäten überhaupt nicht ausreichten. Man musste ständig darüber nachdenken, wie man gerade in den Sommermonaten die Kapazitäten vergrößerte. Und auf der Vogelfluglinie ging das weiter. Die Vogelfluglinie ist seit ihrer Eröffnung im Prinzip eine ganz große Erfolgsgeschichte, gerade was die Verkehrszahlen betrifft.

Würden Sie sagen, dass die ganz großen Erwartungen sich erfüllt haben, die man auch bei der Eröffnung formuliert hatte: Europa wächst zusammen, Skandinavien rückt näher an Mitteleuropa, Ostholstein und Fehmarn als eine Art nordeuropäische Drehscheibe?

Watsack: Ich denke ja - immer im Kontext der Historie gesehen. Das heißt, dass Deutschland ja einst Dänemark besetzt hatte und es hier große Feindschaften gab. Von daher gesehen war die Vogelfluglinie auch Ausdruck eines neuen Europas und zusammenwachsender Staaten.

Das Interview führte Christoph Heinzle.

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | 13.04.2013 | 19:20 Uhr

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