"Aktion Rose": Die Enteignungswelle an der DDR-Ostseeküste

Stand: 10.02.2023 15:00 Uhr

Am 10. Februar 1953 stürmen 400 bewaffnete Volkspolizisten an der Ostseeküste der DDR Hotels, Pensionen und Restaurants. Der Befehl: die Besitzer der Objekte zu vernehmen und gegebenenfalls festzunehmen. Die "Aktion Rose" beginnt.

Gerhard Gühler lebt damals in Bansin auf der Insel Usedom. Seine Eltern bewirtschaften das Hotel "Zur Post", das Haus befindet sich seit Generation in Familienbesitz. Gerhard Gühlers glückliche Kindheit an der Ostsee endet an diesem Wintertag, an dem Volkspolizisten auch sein Zuhause durchsuchen.

"Im Büro meines Vaters", erinnert er sich 2013 im NDR, "standen eine alte Schreibmaschine und eine Olympia aus dem Westen. Und da fragte dieser Polizist: 'Warum haben Sie denn eine Maschine aus dem Westen?' Mein Vater sagte: 'Schauen sie mal, von der VEB-Maschine fliegen ja die Typen weg!' - 'Wollen Sie sagen, dass unsere Produkte schlecht sind?', entgegnete der Polizist und fasste meinem Vater an die Schulter, der seine Hand dann wegschlug. Das haben sie als Angriff auf die Staatsgewalt ausgelegt und mein Vater sollte nach Bautzen."

"Urlaub für alle" statt Ferien als bürgerliches Privileg

Das "Strandeck" in Göhren auf Rügen in den 1950er-Jahren. © Fotoarchiv Mönchguter Museen e.V., Ostseebad Göhren
Das "Strandeck" in Göhren auf Rügen. Auch dieses Haus wurde im Rahmen der "Aktion Rose" verstaatlicht.

Das tatsächliche Ziel der Durchsuchungen und Verhaftungen ist, die privat betriebenen Feriendomizile auf Rügen, Usedom, in Warnemünde und Kühlungsborn in die volkswirtschaftlichen Strukturen der DDR zu überführen. Dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB), der den Arbeitern des jungen sozialistischen Staates Urlaubsreisen vermittelt, sind die privaten Anbieter ein Dorn im Auge.

In der staatlich gelenkten Presse wird gehetzt gegen die "Schieber" und "kriminellen Elemente", gegen eine "verfaulende, kleinbürgerlich-kapitalistische Schicht". Offiziell soll das "bürgerliche Privileg einer Urlaubsreise ersetzt werden durch die Idee 'Urlaub für alle'".

Eingeschlichen mit Unterstützung des Staates

Inoffiziell heißt es in den Unterlagen des Ministerium des Inneren der DDR: "Wir zerschlagen die noch vorhandenen Brutstätten des Imperialismus an der Küste der DDR. Unser Kampf richtet sich gegen die bürgerlich-reaktionären Kreise, die unseren Fortschritt hemmen, die durch ihre Machenschaften versuchen, die gestürzten Kräfte zu restaurieren, somit also die Errungenschaften der Arbeiterklasse sabotieren."

Seit Ende Januar haben Vorbereitungstrupps der Volkspolizei geeignete Objekte ausgeforscht. Haben sich als Bau- oder Steuersachverständige - ausgestattet mit Ausweisen des Rates des Kreises Rostock - Zugang zu den Hotels und Pensionen verschafft. Der Zugriff am 10. Februar soll überraschend erfolgen. Die Besitzer sollen keine Gelegenheit bekommen, mögliches Beweismaterial zu vernichten.

Auch ein Schneesturm kann sie nicht stoppen

Aber nicht alles läuft wie geplant. Die Einsatzwagen bleiben in Schneeverwehungen stecken. Die Funkverbindung zwischen einzelnen Einsatzgruppen ist wegen starken Schneesturms unterbrochen. Erst als das Zentralkomitee der SED 15 Schneepflüge an die Küste schickt, kann die "Aktion Rose" fortgesetzt werden.

Stichwort "Aktion Rose"

Doch wonach suchen die 400 Volkspolizisten? Sie durchwühlen die Vorratskammern der Hotels, Pensionen und Restaurants - suchen nach "gehorteten" Lebensmitteln, nach Kaffee aus dem Westen. Sie beschlagnahmen die Gästebücher - vielleicht lässt sich darin etwas finden über die "Verfehlungen" der Gastgeber. Sie erschleichen sich das Vertrauen der Angestellten, um sie auszuhorchen.

Enteignet, festgenommen, verurteilt

Am 10. März 1953 - nach nur einem Monat - werden 440 Hotels, Pensionen und Restaurants in das Volkseigentum der DDR überführt, deren Besitzer enteignet, 447 von ihnen festgenommen, 408 unter Vorwänden in Schnellverfahren verurteilt, viele zwangsausgesiedelt. Wegen Steuerhinterziehung, illegalen Einführens von Westwaren, Preisvergehen. Die Familie von Gerhard Gühler flieht damals in den Westen und verliert alles.

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In den neuen FDGB-Heimen verbringen in den folgenden Jahren nicht nur die Werktätigen der Volkseigenen Betriebe ihre Ferien. Auch Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) werden in den enteigneten Hotels und Pensionen untergebracht - in der neuen militärischen "Schutzzone Ostsee". Die DDR plant, den Nordosten Rügens zu einem Kriegshafen ähnlich dem im sowjetischen Murmansk auszubauen. Aus den Plänen wird am Ende allerdings nichts.

Rückgabe nach der Wiedervereinigung

Erst nach der Wende bekommt eine Vielzahl der Eigentümer beziehungsweise deren Nachfahren die Hotels und Pensionen zurück. Der Einigungsvertrag sieht für die, die durch die "Aktion Rose" ihr Eigentum verloren haben, Rückgabe vor Entschädigung vor. Das gilt auch für Gerhard Gühler. Er bekommt das Hotel "Zur Post", das seiner Familie von der DDR-Regierung gestohlen wurde, zurück. Mit seiner Familie zieht er von Stuttgart nach Bansin und baut das renovierungsbedürftige und heruntergewirtschaftete Hotel dort wieder auf.

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Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 12.02.2023 | 19:30 Uhr

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