Vogelgrippe: Wie gefährlich ist das Virus?
In Europa hat sich die Vogelgrippe wieder ausgebreitet. Auch in Norddeutschland werden neue Fälle verzeichnet - so etwa in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Besonders der hochansteckende Geflügelpest-Erreger der Typen H5 und H7 bereitet Geflügelhaltern Sorgen. Betroffen sind vor allem Hühner und Puten sowie Enten und Gänse. Die Preise etwa für Gänse sind deutlich gestiegen. Viele Verbraucher und Tierhalter fragen sich, wie sie sich und ihr Haustier vor dem Erreger schützen können. Wie gefährlich ist das hochansteckende Influenza-A-Virus für Tiere und Menschen?
Vogelgrippe oder Geflügelpest - was ist der Unterschied?
Vögel können - ähnlich wie Menschen - an Grippe erkranken. Der Erreger der Vogelgrippe (aviäre Influenza, von lat. "avis" für Vogel) kommt vor allem bei Wasservögeln vor. "Diese Viren gehören zum Ökosystem Wildvogel", so Thomas C. Mettenleiter vom Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, dem Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems. Vogelgrippe-Viren treten in zwei Varianten (gering-/hochpathogen) und verschiedenen Subtypen (H1-16 in Kombination mit N1-9) auf. Sogenannte geringpathogene aviäre Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochinfektiösen Form mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt. "Der Name Geflügelpest bedeutet, dass es eine Seuche ist", so Mettenleiter. Der Begriff steht also für einen schweren Verlauf der Vogelgrippe mit vielen Todesfällen.
Woher kommt das Virus?
Der südostasiatische Raum gilt laut Friedrich-Loeffler-Institut als Ursprung für eine Reihe von Erregern der Vogelgrippe bzw. Geflügelpest. 2004 wurde H5N1 erstmals in Asien nachgewiesen, die besonders aggressive Variante H5N8 Anfang 2014 bei Geflügel und Wildvögeln in Südkorea. Dort habe es diverse Ausbrüche gegeben, mehrere Millionen Vögel seien sicherheitshalber getötet worden. Im Zuge der Ausbrüche seien infizierte Wildenten entdeckt worden, die aber weniger stark erkrankten. Das aggressive Virus tauchte auch in China und Japan auf. Inzwischen wurden aus mehreren europäischen Ländern Geflügelpest-Fälle gemeldet. Dass vor allem in der südostasiatischen Region Varianten entstehen liegt laut FLI an der Mischung aus großen Geflügelhaltungen, vielen kleinen Haltungen, Lebendgeflügelmärkten und einer Vielzahl von Kontaktmöglichkeiten zwischen Nutzgeflügel und Wildvögeln.
Wie breiten sich die Vogelgrippe-Viren aus?
In der Regel über wildlebende Vögel, vor allem über Wasservögel. Durch Infektketten, an denen Wildvögel beteiligt sind, können die Viren durch den Vogelzug über große Entfernungen verbreitet werden. Die Viren werden nach Angaben der Max-Planck-Gesellschaft vor allem über den Kot infizierter Vögel ausgeschieden und können dann im Wasser oder feuchtem Schlamm weiter ansteckend bleiben. Über Schnabel und Nasenöffnungen kann sich dann das nächste Tier infizieren. Die Viren nisten sich in den Schleimhäuten ein und vermehren sich dort. Auch Greifvögel können sich infizieren, wenn sie Aas erkrankter Tiere fressen.
Welche Symptome haben erkrankte Tiere?
Bei Hühnern und Puten werden die höchsten Erkrankungs- und Sterberaten beobachtet, Wasservögel erkranken seltener und oft weniger schwer. Hühner leiden laut Friedrich-Loeffler-Institut unter anderem an Teilnahms- und Appetitlosigkeit, Durchfall, geringerer Legeleistung und Störungen des zentralen Nervensystems, was sich an einer unnormalen Kopfhaltung und Gleichgewichtsstörungen zeigt. Ebenso werden Entzündungen der oberen Atemwege, Bindehautentzündungen sowie Veränderungen an Nebenhöhlen, Bronchien und Lungen beobachtet. Außerdem können Hühner ein stumpfes, gesträubtes Federkleid und Ödeme am Kopf bekommen. Enten und Gänse, aber auch Schwäne zeigten unter anderem diese Symptome: Teilnahmslosigkeit, Ausfluss aus Augen und Schnabel, Futterverweigerung, Durchfall, Atemnot sowie Ausfälle des Nervensystems.
Gibt es eine Impfung gegen Vogelgrippe?
Eine Schutzimpfung steht nach Angaben des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft aktuell nicht zur Verfügung. Die EU-Kommission habe aber den Ernst der Lage erkannt und wolle Impfungen gegen die Geflügelpest möglich machen. Dafür muss das Tierseuchenschutzgesetz überarbeitet werden.
Welche Vorsichtsmaßnahmen werden empfohlen?
Das Bundesjustizministerium hat eigens eine Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest erlassen. Sie wird ständig aktualisiert. Um eine weitere Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern, hat auch das Friedrich-Loeffler-Institut eine Vielzahl von Schutzmaßnahmen zusammengestellt. So sollten Geflügelhalter unter anderem nur Mitarbeiter in Schutzkleidung in die Ställe lassen. Stall- und Straßenkleidung ist strikt zu trennen. Am Eingang sollten Wannen oder Matten zur Desinfektion aufgestellt werden, um eine Übertragung des Virus über die Schuhe zu vermeiden. Außerdem empfiehlt das FLI, die Freilandhaltung einzuschränken. Wildvögel sollten nicht an Futter und Wasser von Nutzgeflügel gelangen. In Regionen mit besonders hoher Wildvogeldichte empfiehlt das Bundesforschungsinstitut eine Stallpflicht. Unter Umständen muss ein Bestand komplett gekeult werden.
Wann muss Hausgeflügel in den Stall?
Über eine Stallpflicht, auch Aufstallungsgebot genannt, entscheiden die jeweiligen Bundesländer bzw. die einzelnen Landkreise - je nachdem, wie bedrohlich die Situation ist. Geflügelhalter sollten sich daher bei den Behörden in ihrer Nähe informieren - zum Beispiel bei den Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämtern. Wird eine Stallpflicht verhängt, spielt die Anzahl der gehaltenen Tiere keine Rolle. Auch zoologische Gärten müssen sich an die Stallpflicht für Vögel halten. Bei einem vorsätzlichen oder fahrlässigen Verstoß kann ein Bußgeld in Höhe von bis zu 30.000 Euro verhängt werden. Einen bundes- oder landeseinheitlichen Bußgeldkatalog gibt es nicht.
Welche Regeln gelten in den Sperrgebieten?
Die zuständigen Kreise können Sperrbezirke und Beobachtungsgebiete rund um die Fundorte von an Geflügelpest erkrankten Wildvögeln und betroffenen Tierhaltungen einrichten. Sperrbezirke haben mindestens einen Radius von drei Kilometern, sie werden an den Hauptzufahrtswegen von den Behörden mit Schildern gekennzeichnet. Beobachtungsgebiete haben einen Radius von mindestens weiteren sieben Kilometern, also zehn Kilometern insgesamt. In diesen Gebieten gelten Beschränkungen für Geflügelhaltungen: Geflügel muss im Stall gehalten und darf nicht transportiert werden - im Sperrbezirk 21 Tage ab dem letzten Geflügelpest-Nachweis, im Beobachtungsgebiet 15 Tage. Geflügel im Sperrbezirk wird regelmäßig untersucht. Zudem gelten strenge Sicherheitsmaßnahmen bei Stallhygiene, Reinigung und Desinfektion. Außerdem dürfen Hunde und Katzen nicht frei herumlaufen.
Dürfen bei Stallpflicht Eier als "Freiland" verkauft werden?
Ja, allerdings nur eingeschränkt - und zwar für einen Zeitraum von maximal 16 Wochen, nachdem die Stallpflicht amtlich beschlossen wurde. So lange dürfen Eier von Legehennen, obwohl sie nur im Stall waren, nach EU-Vorgaben weiter als "aus Freilandhaltung" verkauft werden. Danach müssen die Eier mit "aus Bodenhaltung" gekennzeichnet werden. Bio-Eier hingegen dürfen auch während einer längeren Stallpflicht als solche vermarktet werden.
Ist der Vogelgrippe-Erreger für Menschen gefährlich?
Vogelgrippe-Viren können in Einzelfällen auch Erkrankungen bei Menschen hervorrufen. Aus Asien und Afrika sind Fälle bekannt, in denen sich Menschen mit dem Vogelgrippe-Virus infiziert haben, vor allem über Hühner. In Deutschland sind bislang keine Erkrankungen bei Menschen bekannt geworden. Die Viren können nur schwer von Tieren auf den Menschen übertragen werden. In Fällen, in denen es zu einer Infektion gekommen ist, haben Menschen beispielsweise sehr eng mit den Tieren zusammengelebt. Besonders ansteckend sind die Ausscheidungen der erkrankten Tiere oder auch verunreinigter Staub, der sich in den Federn sammelt. Deshalb sollte direkter Kontakt vermieden werden. Findet jedoch eine Infektion statt, kann die Krankheit bisweilen sehr schwer verlaufen. Es gibt laut Robert Koch-Institut aber derzeit weltweit keine Hinweise für eine fortgesetzte Mensch-zu-Mensch-Übertragung mit aviären Influenzaviren.
Gab es schon Todesfälle?
Ja, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden seit 2003 weltweit mehr als 2.600 Erkrankungen bei Menschen und 1.100 Todesfälle mit aviärer Influenza nachgewiesen. Die mit Abstand meisten Fälle wurden im asiatisch-pazifischen Raum registriert.
Können sich Hunde und Katzen anstecken?
Das Risiko gilt als sehr gering. Allerdings sollte ein direkter Kontakt von Hunden und Katzen mit toten oder kranken Vögeln vermieden werden. Sie können Vogelgrippe-Viren verbreiten, wenn sie tote Wildvögel finden und diese verschleppen. Bestehende Freilaufverbote sollen auch verhindern, dass Wildvögel aufgescheucht und gestresst werden. Bei industriell produziertem Tierfutter in Deutschland ist davon auszugehen, dass die hohen Herstellungsstandards eine Belastung mit den Erregern ausschließen. Selbst zubereitetes Futter mit Geflügelfleisch sollte über 70 Grad erhitzt werden, um Influenzaviren abzutöten.
Was sollte man beim Kochen beachten?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, rohe Geflügelprodukte und andere Lebensmittel getrennt zu lagern und zuzubereiten. Insbesondere dann, wenn die anderen Lebensmittel nicht noch einmal erhitzt werden. Geräte und Oberflächen, die mit rohem Geflügelfleisch in Berührung gekommen sind, sollten gründlich mit warmem Wasser und Spülmittel gereinigt werden. Das Verpackungsmaterial und Auftauwasser am besten sofort entsorgen und die Hände mit warmem Wasser und Seife waschen. Geflügelspeisen sollten mindestens zwei Minuten lang bei einer Temperatur von mindestens 70 Grad durchgegart werden. Bei Eiern gilt: mindestens sechs Minuten lang kochen, bis Eiweiß und Eigelb fest sind.
Kann man sich über das Trinkwasser infizieren?
Trinkwasser wird in Deutschland vorwiegend aus Tiefbrunnen gewonnen. Das gewährleistet nach Angaben des BfR eine hohe Sicherheit. Dort, wo Trinkwasser aus Oberflächenwasser gewonnen wird, werden den Angaben zufolge aufwändige technische Verfahren eingesetzt, um die Vorgaben der Trinkwasserverordnung zu erfüllen. Eine Kontamination mit Vogelgrippe-Viren gilt deshalb als nahezu ausgeschlossen.
Können Salat, Gemüse und Obst Vogelgrippe-Viren enthalten?
Salat, Gemüse und auch Obst, die im Freiland angebaut werden, sind einer Verschmutzung durch Vogelkot grundsätzlich ausgesetzt. Das Virus kann somit auch übertragen werden. Der Erzeugerbetrieb ist aber angehalten, seine Produkte bereits vor der Lagerung grob zu reinigen. Vor der Zubereitung bzw. vor dem Verzehr sollten die Lebensmittel gründlich gewaschen werden. Gemüse, das erhitzt wird, bietet zusätzlichen Schutz vor Infektionen.
Kann Milch das Vogelgrippe-Viren enthalten?
Eine Studie bei Rindern hat gezeigt, dass die Tiere zwar infiziert werden können, das Virus aber nur in sehr geringem Maß ausscheiden. Das BfR sieht deshalb nur ein geringes Risiko für eine Übertragung. Über das Vorkommen von Vogelgrippe-Viren in Milch ist den Angaben zufolge nichts bekannt. Bei der Pasteurisierung der Milch würden die Viren aber auf jeden Fall abgetötet.
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