Therapeutisches Klettern - Anwendung und Wirkung
Ob in der Orthopädie, Neurologie, Psychologie oder Kinderheilkunde - therapeutisches Klettern wird in vielen Bereichen erfolgreich eingesetzt. Was kann die Bewegungstherapie bewirken?
Klettern ist eine Form der menschlichen Bewegung, die dem Krabbeln ähnelt. Eine bekannte Bewegung aus der Kinderzeit, die für viele Menschen besonders motivierend ist. Dies machen sich Klettertherapeutinnen und -therapeuten zunutze. Die Bewegungstherapie wird in der Prävention, Therapie und Rehabilitation eingesetzt.
Therapeutisches Klettern ist Training für Körper und Psyche
Das therapeutische Klettern hat viele positive Eigenschaften. Es ist ein Ganzkörpertraining und fördert:
- Kraft und Körperspannung
- Ausdauer
- Gleichgewicht
- Koordination
- Beweglichkeit und Stabilität der Gelenke, Sehnen, Bänder
- Körperflexibilität durch fließende Körperbewegungen und muskuläre Anspannung
Dass Herausforderungen aus eigener Kraft bewältigt werden, hat auch positive psychische Auswirkungen auf:
- Konzentrationsfähigkeit
- Selbstwirksamkeit
- Motivation
- Vertrauen in den eigenen Körper
Weitere wichtige Aspekte, die beim therapeutischen Klettern eine wichtige Rolle spielen, sind Verantwortungsbewusstsein, Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen.
Muskeln, Bänder und Sehnen werden trainiert
Bei orthopädisch-traumatologischen Verletzungen wie zum Beispiel Bänderriss oder Rückenbeschwerden kann das therapeutische Klettern helfen. Gleiches gilt auch für chronische Beschwerden des Bewegungsapartes. Therabeutisches Klettern wird vor allem für die Körperbereiche Wirbelsäule, Hüfte, Knie und Fuß eingesetzt.
Der gesamte Körper bewegt sich während des Trainings. Dies bedeutet für den Körper ein effektiveres Training als bei einfachen Bewegungen. Die Teilnehmenden müssen sich auf bestimmte Muskeln oder Muskelgruppen konzentrieren, geschädigte oder geschwächte Bereiche müssen sich anpassen. Der gesamte Bewegungsapparat muss dreidimensional funktionieren, Bänder, Sehnen oder Muskeln arbeiten mit und werden trainiert.
Die Muskulatur des Rumpfes und der Wirbelsäule werden durch die diagonalen Bewegungen und der Kombination aus Druck und Zug besonders gestärkt. Auch bei Rückenschmerzen lernen Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Schmerzen zu verstehen und schmerzbedingte Angst und Vermeidung zu reduzieren.
Therapeutisches Klettern hat positive Auswirkungen auf Depressionen
Ein weiteres Anwendungsgebiet sind psychische Erkrankungen. Dazu gehören unter anderem Depressionen oder Panikstörungen. Eine Studie konnte nachweisen, dass therapeutisches Klettern positive Auswirkungen auf den Verlauf einer Depression haben kann. Diese Sportart bietet die Möglichkeit, sich differenziert mit den eigenen Grenzen und Ängsten auseinanderzusetzen, loszulassen und Vertrauen in sich und andere zu haben. „Grübelschleifen“ können durchbrochen werden, denn die Teilnehmenden müssen sich beim Klettern immer auf den nächsten Zug konzentrieren.
Besser Körperwahrnehmung bei neurologischen Erkrankungen wie MS
Eine bessere Körperwahrnehmung und Koordination bei neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson, Schädelhirntrauma oder Schlaganfall kann das therapeutische Klettern ebenfalls zusätzlich unterstützen. Eine aktuelle Studie hat 2021 die positive Wirkung des therapeutischen Kletterns bei Parkinson-Erkrankten nachgewiesen.
Auch bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten, Konzentrations- und Lernschwierigkeiten, ADS, ADHS wird therapeutisches Klettern erfolgreich eingesetzt. Älteren Menschen kann die Therapie helfen, Muskeln aufzubauen und das Gleichgewicht zu trainieren. Der Gang wird sicherer – ein wichtiger Baustein für eine Sturzprophylaxe. Zudem wird auch das Gehirn trainiert.
Therapeutisches Klettern bei aktiver Arthrose nicht ratsam
Bei der Durchführung sollten Patientinnen und Patienten weitestgehend schmerzfrei, beziehungsweise komplett schmerzfrei sein. Bei Erkrankungen wie einer aktiven Arthrose raten Expertinnen und Experten von dieser Therapie ab. Gleiches gilt für nicht vollständig geheilte Knochenbrüche, grade operierten Gelenken, einem frischen Bandscheibenvorfall oder wenn ungeklärte akute Schmerzen auftreten.
Menschen, die unter Osteoporose leiden, sollten bereits genügend Muskeln aufgebaut haben, damit ein plötzliches Abspringen aufgrund von nachlassender Kraft beim Klettern verhindert wird. Hier besteht sonst die Gefahr, sich einen Bruch beim Aufprall zuzuziehen. Bei Herzerkrankungen und künstlichen Gelenken sollten Betroffene zunächst ärztliche Rücksprache halten. Dies gilt ebenso bei Einnahme von Schmerzmitteln. Auch psychische Störungen oder Angstzustände können eine Teilnahme am Klettern ausschließen. Eine Einschränkung nur aufgrund des Alters gibt es allerdings nicht.
Speziell ausgebildete Therapeutinnen und Therapeuten begleiten das therapeutische Klettern. Der "Klettertherapeut" ist aber kein geschützter Begriff. Die Therapie wird einzeln oder in einer Gruppe durchgeführt. Für eine optimale Behandlung ist es wichtig, dass das therapeutische Klettern in ein Therapiekonzept mit einem interdisziplinären Ärzte- und Therapeutenteam eingebunden ist.