Schriftzug stottern © picture alliance/dpa | Jens Kalaene

Stottern: Symptome, Ursachen und Therapie

Stand: 13.10.2024 15:28 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Lange wurde Stottern (Balbuties) als eine psychische Erkrankung verstanden. Heute ist klar, es liegen vielmehr neurologische Ursachen zugrunde. Betroffene können mit einer Stotter-Therapie Techniken erlernen, die ihnen das Sprechen erleichtern. Heilbar ist Stottern nicht.

von Aniko Schusterius

Stottern tritt bei den Betroffenen in sehr unterschiedlicher Art und Weise auf. Anzeichen dafür sind:

  • schnelles Wiederholen von Lauten, Silben oder Wörtern
  • Verlängern von einzelnen Lauten
  • Auftreten von hörbaren oder lautlosen Blockaden
  • wiederholte zwischengeschobene Laute oder Füllwörter

Oft tritt die Störung des Redeflusses mit Begleiterscheinungen auf, die sich über die Jahre (weiter-)entwickeln, wie eine Anspannung der Gesichtsmuskulatur, Körperbewegungen (zum Beispiel Mitbewegen der Hände, Augenkneifen) oder Veränderungen des Atemflusses.

Innere Symptome: Psychische Belastung und Vermeidungsverhalten

Betroffene können eine Sprechangst entwickeln, die in ein Vermeidungsverhalten mündet Oft empfinden sie beim Sprechen eine innere Anspannung, Scham, oder Frustration. Der seelische Druck kann so hoch sein, dass Menschen, die stottern, bestimmte Situationen gänzlich zu vermeiden versuchen. Das führt zu Einschränkungen in vielen Lebensbereichen und im schlimmsten Fall zu einer Angststörung (Soziophobie).

Genaue Ursachen bis heute nicht klar

Warum Menschen stottern, ist bis heute nicht eindeutig geklärt. Als gesichert gilt jedoch, dass nur in den seltensten Fällen ein psychisches oder physisches Trauma Auslöser für die Redeflussstörung ist. Die Forschung unterscheidet aktuell vier Stotterarten:

  • das originäre neurogene und nicht-syndromale Stottern, welches in der Kindheit beginnt, ohne eindeutigen Grund (idiopathisch).
  • das originäre neurogene und syndromale Stottern, das in Verbindung mit genetisch verursachten geistigen Behinderungen (z.B.Trisomie 21) und neurologischen Erkrankungen (z.B. Tourette-Syndrom) auftreten kann das
  • erworbene neurogene Stottern, ausgelöst durch Hirnschäden (z.B. durch Schädelverletzung, Hirntumor oder Schlaganfall).
  • das psychogene Stottern aufgrund einer traumatischen Erfahrung, welches sehr selten auftritt

Forscher der Universität Turku glauben im Rahmen einer Studie die Gehirnregion lokalisiert zu haben, wo das Stottern entsteht. Im Vergleich zu nicht-stotternden Menschen entdeckten sie strukturelle Veränderungen in Knotenpunkten eines Gebiets im Gehirn. Für die Zukunft könnten daraus möglicherweise Behandlungen abgeleitet werden.

Diagnose des Stotterns meist schon bei Kindern

Die Diagnose wird oft von Haus- oder HNO-Ärzten gestellt, nachdem Auffälligkeiten im Sprechen des oder der Betroffenen langanhaltend auftreten. Dabei müssen typische Stotter-Symptome in einem ausgeprägten Ausmaß vorhanden sein und zu einer deutlichen Unterbrechung des Redeflusses führen.

Diagnostiziert wird das Stottern meist im Kindesalter bis fünf Jahren. Rund fünf Prozent aller Kinder stottern. Bei bis zu 80 Prozent legt es sich nach einiger Zeit wieder. Die restlichen 20 Prozent behalten ihr Stottern ein Leben lang. Davon häufiger betroffen sind Jungen.

Therapie: Was hilft bei Stottern?

Eine logopädische Stotter-Therapie hilft Betroffenen Sprech- und Atemtechniken zu erlernen. Zu den zwei am häufigsten angewandten Therapiemethoden zählen das Fluency Shaping und die Stottermodifaktion. Während beim Fluency Shaping das Ziel ist eine neue Sprechweise zu entwickeln, die das Stottern gänzlich vermeidet, verfolgt die Modifikation den Ansatz, die stotternde Sprechweise für sich anzunehmen und zu erlernen in auftretende Stotter-Phasen einzugreifen.

  • Fluency Shaping: Hierbei wird der weiche Stimmeinsatz trainiert, der die Aussprache von Lauten zu Beginn eines Wortes oder einer Silbe erleichtern soll. Hinzu kommt die bewusste Dehnung von Lauten, Silben oder Worten, um Stottersymptome beim Sprechen zu vermeiden. Diese Techniken erfordern sehr viel Übung, weshalb sie oft auch in Wochenend- und Intensivkursen vermittelt werden.
  • Stottermodifikation: Die Therapie teilt sich in vier Phasen auf. Die Identifikation und Annahme des eigenen Stotterns; die Desensibilisierung durch Übungen wie das Pseudostottern; die Modifikationsphase, in der Sprechtechniken zum "Reparieren" von Stottersymptomen erlernt werden, und die Stabilisierung, in der eingeübte Muster gefestigt und in Alltagssituationen angewandt werden.

Ziel einer logopädischen Behandlung ist zum einen so stotterfrei wie möglich zu sprechen und zum anderem, ohne Angst- und Druckgefühl den Alltag bestreiten zu können.

Hilfe zur Selbsthilfe

Rund 830.000 Menschen in Deutschland stottern. Sich mit anderen Betroffenen über Herausforderungen auszutauschen, kann helfen. Die Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe e.V. (BVSS) bietet lokale und digitale Angebote, um sich mit anderen stotternden Menschen zu vernetzen. Darüber hinaus berät die kostenfreie Fachberatung der BVSS zu Therapieformen und Stotter-Experten.

Expertinnen und Experten aus dem Beitrag

Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 15.10.2024 | 20:15 Uhr

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Medizinische Therapie

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